Der Jugendmigrationsdienst blickt auf ein erfolgreich verlaufenes Projektjahr zurück. Mit Fördergeldern der Aktion Mensch konnte die Backnanger Einrichtung des Kreisdiakonieverbandes ihre Arbeit mit Mädchen, Jungen und Eltern stärken. Die Aktivitäten, die oft auch in Kooperation mit anderen Stellen auf die Beine gestellt werden, reichen vom Fußballspiel bis zum Frauenfrühstück.
Der Fußballtreff in der Plaisirsporthalle ist ein beliebtes Angebot für Jugendliche und junge Erwachsene. Simone Wieland (links) von der Mobilen Jugendarbeit des Vereins Kinder- und Jugendhilfe ist mit dabei, wenn sich die Jungs zum gemeinsamen Freizeitsport treffen. Foto: A. Becher
Von Armin Fechter
BACKNANG. Seit vielen Jahren ist der Jugendmigrationsdienst in der Stadt mit seinen Angeboten unterwegs. Ursprünglich kümmerte er sich um junge Spätaussiedler, die aus Osteuropa nach Deutschland kamen und im Übergangswohnheim in der Hohenheimer Straße lebten. Später wurde das Tätigkeitsgebiet der Jugendmigrationsdienste, wie Stephan Kiesewalter erklärt, auf interkulturelle Aufgaben ausgeweitet. Es erstreckt sich jetzt ganz allgemein auf junge Menschen mit Migrationshintergrund im Alter bis 27 Jahre und umfasst auch Programme für Jugendliche ohne Migrationshintergrund, beispielsweise die Berufseinstiegsbegleitung an der Mörikeschule in Backnang.
Diese Aufgabe, an der Alessa Miletic und Markus Knecht arbeiten, läuft über die Bundesagentur für Arbeit und wird mit Geldern vom Europäischen Sozialfonds kofinanziert. Ziel ist es, Jugendliche im Berufsfindungsprozess zu stärken und bis ins erste Halbjahr ihrer Ausbildung zu begleiten. 2018 wurden insgesamt 46 Jugendliche im Projekt intensiv begleitet und in weiterführende Schulen und in die Ausbildung vermittelt.
Darüber hinaus hat der Jugendmigrationsdienst auch mit jungen Flüchtlingen zu tun, insbesondere mit ehemaligen Umas (unbegleitete minderjährige Ausländer), die ohne Eltern in Deutschland angekommen sind und deren Familien auch nicht nachkommen dürfen.
Zu den Spezialitäten gehört seit Langem das Frühstückstreffen für Frauen, ein Elternbildungsprojekt, das Frauen aus unterschiedlichen Ländern und Altersklassen besuchen. Die Teilnehmerinnen leben unterschiedlich lang in Deutschland, ihre Sprachkenntnisse sind unterschiedlich gut. Auch Geflüchtete sind dabei, „eine bunte Mischung“, wie Dorothea Pfennigsdorf sagt. Dennoch ist Deutsch die Umgangssprache, wenn die Frauen zusammenkommen und gemeinsam in der Küchenzeile Köstlichkeiten aus ihren Heimatländern oder Häppchen und Snacks zubereiten.
Zu jedem Treffen gibt es ein eigenes Thema, das Pfennigsdorf oft mithilfe von externen Kräften umsetzt. Die Palette an Inhalten ist riesig: „Es geht um alles“, sagt Pfennigsdorf. So war unlängst einmal die Kräuterpädagogin Gisela Weigle zu Gast. Sie hatte einige gute Tipps parat. Bei anderen Gelegenheiten sind Vertreter von Behörden als Referenten zugegen, dann geht es beispielsweise um den Schulbesuch oder um die Unterstützung durch das Bildungs- und Teilhabepaket, um die Kehrwoche oder um Unterschiede zwischen den christlichen Konfessionen.
Exkursionen vermitteln praktische Alltagskenntnisse
Manchmal werden die Treffen aber auch zu Exkursionen umfunktioniert, die praktische Alltagskenntnisse vermitteln. So machen sich die Frauen beispielsweise mit der Funktionsweise von Fahrkartenautomaten vertraut. Oder es werden als besondere Highlights Ausflüge organisiert, beispielsweise zum Weihnachtsmarkt nach Ludwigsburg oder in die Staatsgalerie nach Stuttgart.
„Wir wollen das Leben hier greifbar und erlebbar machen und Teilhabe schaffen“, erläutert Kiesewalter. Wie sehr die Frauen die Treffen schätzen, wurde sichtbar, als eine treue Besucherin aus einer Reha eine Grußkarte schickte.
Im vergangenen Jahr konnte der Jugendmigrationsdienst für sein Frauencafé auf die finanzielle Förderung durch die Aktion Mensch im Rahmen seines Famos-Projekts zurückgreifen. Diese Mittel machen auch Angebote möglich, für die sonst das Geld nicht da wäre. Doch diese Unterstützung ist jetzt ausgelaufen. Das Frauenfrühstück ist damit aber nicht gestorben, im Gegenteil: Selbst wenn Pfennigsdorf das eine oder andere Extra aus finanziellen Gründen künftig auslassen muss, bleiben noch genügend Themen übrig, um die Treffen mit lebensnahen Inhalten fortzuführen.
Neben seiner Beratungstätigkeit, mit der der Jugendmigrationsdienst einzelnen jungen Menschen Unterstützung anbietet, gibt es auch spezifische Aktionen für Mädchen und Jungen.
So wendet sich Dorothea Pfennigsdorf zusammen mit Simone Wieland von der Mobilen Jugendarbeit des Vereins Kinder- und Jugendhilfe gern an Mädchen. Da werden dann Tontöpfe gestaltet, Windlichter gebastelt, Seifen hergestellt und andere kreative Arbeiten gemacht. Oder es wird Kürbissuppe gekocht – „Kochen und Backen geht immer“ – und gemeinsam ein Film angeschaut. Bei einer Mädchenfreizeit auf einem Bauernhof im Allgäu für 13- bis 17-Jährige waren die Teilnehmerinnen, unter ihnen auch Geflüchtete, von den Tieren und vom Melken „total begeistert“.
Für Jungs gibt es erlebnisorientierte Angebote, beispielsweise ein Vater-und-Sohn-Klettern oder gemeinsames Schlittenfahren. Die Sprache steht dabei gar nicht einmal im Zentrum der Aufmerksamkeit, wie Stephan Kiesewalter erläutert, sie kommt aber ganz von selbst, weil die Aktivität Hemmungen löst und Anlässe zum Sprechen liefert. Für manche Aktionen schließen sich die verschiedenen Stellen des Jugendmigrationsdienstes im Kreis zusammen. So lassen sich dann auch abenteuerliche Unternehmungen wie eine Radtour auf der Alb oder Gleitschirm-Tandemflüge ermöglichen.
Ein beliebtes Angebot für Jugendliche und junge Erwachsene ist auch der gemeinsame Sport freitagnachmittags in der Plaisirsporthalle. Organisiert wird der offene Fußballtreff von Dorothea Pfennigsdorf gemeinsam mit Simone Wieland. Dabei steht nicht die Leistung im Vordergrund, sondern der Spaß an der Bewegung. Bis zu 70 begeisterte Kicker treten dabei in drei Altersgruppen in Aktion – und keinen stört es, dass sie dabei nicht den perfekten Sportdress tragen. Solche Angebote bieten aber einen Ausgleich zum Schulalltag, wie Alessa Miletic erklärt. So konnten auch die Jugendlichen aus der Berufseinstiegsbegleitung dort Stress abbauen und Sozialkompetenzen wie Team- und Konfliktfähigkeit weiter ausbauen und stärken.