Mehr Helikoptereinsätze in der Nacht

Im vergangenen Jahr war der Polizeihubschrauber 67-mal über dem Rems-Murr-Kreis in der Luft

Ob vermisste Personen, flüchtige Räuber oder Brände – der Hubschrauber ist in der Arbeit der Polizei beinahe so selbstverständlich geworden wie der Streifenwagen. Über dem Rems-Murr-Kreis war die aus sechs Helikoptern bestehende Staffel des Landes im vergangenen Jahr 67-mal im Einsatz.

Mehr Helikoptereinsätze in der Nacht

Die Hubschrauberstaffel der Polizei zählt zu den modernsten der Welt. Foto: Airbus Helicopters (c) Christian

Von Uwe Roth

WAIBLINGEN. Als in Waiblingen kürzlich eine Halle des Abfallentsorgers Alba lichterloh brannte, bekam die Feuerwehr auch Unterstützung aus der Luft. Ein Polizeihubschrauber kreiste stundenlang über dem Gewerbegebiet, um das Feuer mit seinen Spezialkameras zu beobachten. Ansonsten fällt der Einsatz eines Polizeihelikopters hoch oben am Himmel selten auf. Sein Knattern vermischt sich mit dem Verkehrslärm. Mit seiner blau-weißen Karosserie ist der Helikopter recht gut getarnt. Doch nachts bekommt jeder den Lärm eines solchen Polizeieinsatzes mit. Besonders dann, wenn die Maschine wie ein Fixstern am Himmel hängt.

Nahezu regungslos verharrt sie da oben, gefühlt manchmal stundenlang, nur der Scheinwerfer scheint sich zu bewegen. Die Rotoren bleiben im Dunkeln. Meistens wird eine ältere Person gesucht, die in der Dunkelheit umherirrt. Das Spürauge des Helikopters funktioniert auch tagsüber: Im April entdeckte die Besatzung im Bereich einer Gartenanlage zwischen Leutenbach und Nellmersbach beinahe in letzter Minute einen suizidgefährdeten jungen Mann. Der 18-Jährige, der sich nach Angaben der Polizeidirektion Aalen „in einer gesundheitlichen Notlage befand“, wurde noch rechtzeitig vom Rettungsdienst in eine Klinik eingeliefert.

Das Land Baden-Württemberg hat insgesamt sechs Polizeihubschrauber des Typs H145. Fünf sind auf dem Stuttgarter Flughafen stationiert, einer steht in Baden-Baden. „Es ist die modernste Staffel Europas“, erläutert Roland Fleischer, Sprecher des zuständigen Polizeipräsidiums Einsatz in Göppingen. „Wahrscheinlich ist sie sogar derzeit weltweit die modernste Hubschrauberstaffel“, schiebt Fleischer nach. Vor zwei Jahren ist sie von Airbus Helicopters in Donauwörth ausgeliefert worden. Rund 60 Millionen Euro hat das Land dafür ausgegeben.

Hubschrauber bleibt bis zu zweieinhalb Stunden in der Luft

Mit einer Geschwindigkeit von bis zu 280 Stundenkilometern und einer Flughöhe bis zu 6000 Metern erreicht ein H145 jeden Punkt in Baden-Württemberg in maximal 25 Minuten. Der 900-Liter-Tank reicht bis zu einem Lufteinsatz von 2,5 Stunden. Im vergangenen Jahr haben die sechs Maschinen etwas über 2600 Einsätze geflogen, hat das Innenministerium kürzlich mitgeteilt.

In den Rems-Murr-Kreis flogen die Maschinen 67-mal. Gefühlsmäßig scheint man die Polizei immer häufiger sozusagen am Himmel zu sehen. Die Statistik jedoch besagt, dass es landesweit tatsächlich 300 Einsätze weniger als 2016 gewesen seien. Die Zahl der Flugstunden verringerte sich im gleichen Zeitraum um 123 auf 3000, weil die neuen Maschinen effizienter seien und im Vergleich zur alten Staffel zwei überflüssig gemacht hätten, so das Ministerium.

Nachts jedoch heben die Polizeipiloten immer häufiger ab. 204 Einsätze waren es im vergangenen Jahr, zehn mehr als noch im Jahr davor. Wenn es dunkel ist, kann der H145 mit seiner technischen Ausstattung seine wahre Stärke zeigen. Ausgestattet ist das Cockpit mit einem bildstabilisierten, hochauflösenden Kamerasystem mit Tageslicht- und Wärmebildkamera, das mit einem Suchscheinwerfer des Hubschraubers gekoppelt werden kann. Damit sehen die Piloten weiter und mehr als die Polizeikräfte am Boden. Ein Besatzungsmitglied ist ausschließlich für die Bilder der Kameras auf dem Bildschirm zuständig. Tauchen dort grünliche Punkte auf, müssen sie von ihm interpretiert werden.

Polizeisprecher Fleischer erläutert: „Der Mann ist extrem gut geschult. Er erfasst jedes Detail.“ Das Objektiv registriert Temperaturunterschiede von minimal 0,1 Grad. Bereits daraus kann der Experte aus großer Höhe Schlüsse ziehen, den Gesuchten lokalisieren und seine Kollegen am Boden darüber informieren. 2017 sind auf diese Weise der Polizei 29 Tatverdächtige ins Netz gegangen. Gefunden wurden innerhalb eines Jahres 62 vermisste Personen (2016: 50).

Das Polizeipräsidium Einsatz in Göppingen alarmiert die Piloten am Flughafen. Ob ein Helikopter gerufen wird, entscheidet aber das Führungs- und Lagezentrum des Polizeipräsidiums. „Das Polizeipräsidium Einsatz ist lediglich ein Dienstleister“, sagt Fleischer. Mit 2500 Beschäftigten ist diese Polizeibehörde allerdings ein gewaltiges Dienstleistungszentrum, zu dem neben der Hubschrauberstaffel unter anderem das SEK, die Bereitschaftspolizei, die Wasserschutzpolizei und die Reiterstaffel gehören.

Über den Einsatz entscheidet der Polizeiführer vom Dienst vor Ort

Für die Kreise Rems-Murr, Schwäbisch Hall und Ostalb hat das zuständige Polizeipräsidium seinen Sitz in Aalen. „Die Entscheidung, einen Hubschrauber zu alarmieren, trifft der Polizeiführer vom Dienst“, erläutert ein Polizeisprecher. Ein Regelwerk, wann ein Hubschrauber gerufen wird, gibt es nach seiner Auskunft nicht. „Es sind normalerweise immer die gleichen Anlässe, die einen Hubschraubereinsatz nötig machen“, sagt er. Es zählten die Erfahrungswerte des Polizeiführers.

Was ein Hubschraubereinsatz kostet, kann sein Kollege in Göppingen allerdings nicht sagen. „Am Ende zahlen es die Steuerzahler“, sagt Fleischer. Wie bei den Polizeistreifen am Boden würden auch in der Luft die Kosten für den jeweiligen Einsatz nicht berechnet werden. Wer mutwillig einen Einsatz auslöse, könne zwar belangt werden. „Doch in meiner Zeit ist das meines Wissens nach noch nie passiert“, so der Polizeisprecher.

Die Hubschrauberstaffel der Polizei mit ihren sechs Hubschraubern vom Typ H145 zählt zu den modernsten der Welt.