Millionen, die Vertrauen kosten können

Daimler will auf alle Parteispenden verzichten – Trotzdem fließt viel Geld aus der Industrie in die Politik

Von Katja Bauer

Die Daimler AG will in diesem Jahr nicht mehr an Parteien spenden. Die Konkurrenz war mit diesem Entschluss früher dran. Was dürfen Firmen eigentlich an Parteien spenden?

Frage: Was dürfen Firmen und andere spenden?

Antwort: Parteispenden sind vom deutschen Parteiengesetz gewollt – die Idee dahinter war, dass die staatliche Parteienfinanzierung ein Gegengewicht in der Gesellschaft haben sollte, damit Parteien nicht staatlich gelenkt sind. Anders als in anderen Ländern dürfen in Deutschland nicht nur natürliche Personen, sondern auch sogenannte juristische Personen spenden – also Unternehmen und Verbände. Nicht erlaubt sind Spenden von Fraktionen, parteinahen Stiftungen, gemeinnützigen Einrichtungen und öffentlich-rechtlichen Körperschaften – etwa Berufsgenossenschaften.

Antwort: Der Löwenanteil kommt nicht aus der Wirtschaft. Laut Lobbycontrol haben die Bundestagsparteien im Wahljahr 2017 knapp 90,6 Millionen Euro Spenden erhalten. Weniger als ein Drittel davon kam von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden. Von den Unternehmensspenden ging aber ein Drittel an die Unionsparteien. Jede Spende über 50 000 Euro muss sofort an den Bundestagspräsidenten gemeldet und veröffentlicht werden, wer pro Jahr mehr als 10 000 Euro spendet, wird im Rechenschaftsbericht der jeweiligen Partei genannt. Es gibt noch ein anderes Verbot, das im Zusammenhang mit Firmenspenden immer wieder diskutiert wird: Eine Partei darf kein Geld von einem Spender annehmen, das „in Erwartung oder als Gegenleistung eines bestimmten wirtschaftlichen oder politischen Vorteils“ gegeben wird. Deshalb halten Konzerne häufig eine Art Karenzzeit vor Wahlen ein.

Frage: Wie hält es die Autoindustrie mit Spenden?

Antwort: Daimler ist nicht der erste Automobilkonzern, der seine Spendenpraxis ändert. Volkswagen und BMW betreiben seit 2008 beziehungsweise 2014 nur noch sogenanntes Parteisponsoring. Damit ist zum Beispiel die Unterstützung von Parteitagen gemeint oder eine Anzeige in parteinahen Zeitungen. Für Sponsoring gelten andere, weniger transparente Veröffentlichungsregelungen – in den Rechenschaftsberichten der Parteien müssen diese Leistungen nur in Form eines einzigen Sammelpostens ausgewiesen werden. SPD und Grüne machen diese Angaben allerdings in ihren Rechenschaftsberichten transparent. Und auch VW sowie BMW veröffentlichen Angaben zu ihren Sponsoringaktivitäten auf der Website.

Frage: Wieso fließen trotzdem Millionen aus der Industrie an Parteien?

Antwort: Die klassischen Parteispenden machen nicht den Löwenanteil der Summen aus, die an Parteien fließen – wie man am Beispiel Daimler sehen kann: Hier waren es im Jahr 2018 rund 320 000 Euro. Nach Berechnungen der Organisation Lobbycontrol flossen insgesamt aus dem Bereich der Automobilindustrie, der Zulieferer und der Verbände von 2009 bis Dezember 2018 rund 19,6 Millionen Euro. Fast vier Fünftel des Geldes gingen demnach an CDU und FDP. Neben Konzernen gehören vor allem die Verbände zu den Spendern. So haben die Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektroindustrie 2017 rund 1,75 Millionen Euro gespendet. Außerdem spenden natürliche Personen als Mehrheitseigner eines Unternehmens. „Im Fall der Familie Quandt als Mehrheitseigentümer von BMW kann man sehen, wie mit diesen Geldern klar ein politisches Lager gestärkt wird“, sagt die Lobbycontrol-Spre­cherin Christina Deckwirth.

Frage: Was monieren Kritiker?

Antwort: Kritiker sehen die Gefahr, dass Großspenden den politischen Wettbewerb verzerren. Politische Entscheidungsprozesse und – im Fall hoher Spenden für den Wahlkampf – sogar Mehrheitsverhältnisse könnten aus ihrer Sicht beeinflusst werden. Industrieverbände richteten ihr Spendenverhalten nicht nur daran aus, welche Partei ihnen programmatisch nahestehe, sondern auch, ob sie an der Regierung sei und Macht innehabe, so Deckwirth. Als Beispiel nannte sie Spenden des Verbandes der Metallarbeitgeber an die Grünen in Baden-Württemberg. Die Linkspartei macht sich aktuell offensiv für ein generelles Verbot von Firmenspenden an Parteien stark.