Ein Leben ohne frische Luft, Tageslicht und ohne direkten Kontakt. Und das zwölf Monate lang. Christiane Heinicke berichtete über ihre Erfahrungen beim Nasa-Projekt HI-SEAS, bei dem neben ihr fünf Crewmitglieder auf Hawaii, ein Ort der eher für Surfer bekannt ist, ein Leben auf dem Mars simulierten.
Christiane Heinicke im Astronauten-Anzug bei einem Außeneinsatz auf Hawaii. Foto: CJohnston
Von Andreas Ziegele
BACKNANG. Noch immer übt der Mars eine besondere Anziehungskraft auf die Menschen aus. Rund 220 Menschen waren zum Vortrag von Christiane Heinicke im Rahmen der DeSK-Impulse-Reihe des Deutschen Zentrums für Satelliten-Kommunikation (DeSK) ins Backnanger Bürgerhaus gekommen, um zu hören, wie ein Leben auf dem Mars aussehen könnte. Heinicke war die einzige Deutsche, die an diesem faszinierenden Experiment teilgenommen hat und teilte ihre Erfahrungen nicht nur charmant und mit Humor, sondern auch mit großer Kompetenz mit den Gästen. Es wurde ein kurzweiliger Abend.
„Wir sind stolz, dass es uns nach zwei Jahren gelungen ist, Christiane Heinicke nach Backnang zu holen“, sagte sichtlich stolz Dilara Betz, Geschäftsführerin von DeSK bei der Begrüßung und Vorstellung der Referentin.
Rund 150 Millionen Kilometer sind es von unserem Planeten bis zum Mars. „Wenn man ein gutes Zeitfenster erwischt, kann man die Strecke in sechs Monaten schaffen“, erklärt die 1985 in Bitterfeld geborene Geophysikerin. „Wenn man für die Rückreise wieder ein günstiges Zeitfenster haben möchte, kommen als Aufenthaltsdauer 30 Tage oder 1,5 Erdenjahre infrage“, ergänzt sie. „Und eben mal telefonieren, geht auch nicht so ohne Weiteres“, sagt sie. Ein Telefongespräch vom Mars zur Erde dauert 20 Minuten. „Und wenn ich dann nach weiteren zwanzig Minuten die Antwort habe, weiß ich schon nicht mehr, was ich eigentlich gefragt habe“, erläutert sie. Um einen Aufenthalt zu simulieren, hat sich die Wissenschaftlerin beim Nasa-Projekt HI-SEAS (Hawaii Space Exploration Analog and Simulation) beworben und einen von sechs Plätzen als menschliches „Versuchskaninchen“ erhalten. Die sechs Teilnehmer simulierten exakt 366 Tage lang am Fuße des Vulkans Mauna Lona in etwa 2000 Meter Höhe auf Hawaii ein Leben auf dem Mars. Das Experiment sollte zeigen, was mit Menschen passiert, die man für eine so lange Zeit in die Isolation schickt – und was von der Erde aus getan werden kann, um die Crew zu unterstützen.
Untergebracht waren die Crewmitglieder dabei in einem sogenannten Habitat, einer Kuppel auf 100 Quadratmetern mit einem Durchmesser von 11 Metern und einer Höhe von sechs Metern auf zwei Stockwerke verteilt. Jeder einzelne der sechs Probanden hatte im Obergeschoss ein eigenes, winziges Zimmer. Zwei Toiletten standen zur Verfügung, und die machten dann auch gleich Probleme. „Es scheint zur Tradition der Raumfahrt zu gehören, dass es hier zu Schwierigkeiten kommt“, berichtet Heinicke. „Zwei Kameraden gelang es dann, mit Atemmasken die Toiletten zu reparieren.“ Dass es unter den Einwohnern zu Konflikten kommen würde, das war allen schon im Voraus klar. Überrascht war Heinicke allerdings, an welchen Kleinigkeiten sich diese Auseinandersetzungen entzündeten. „Ein Kamerad hat ständig seine Kaffeetasse herumstehen lassen. So lange bis die Situation dann eskalierte.“ Es sind also auch auf dem Mars ganz irdische Probleme, die Menschen miteinander haben. „Die Probleme sind ähnlich wie im täglichen Alltag auf der Erde, nur hier sind sie extremer“, hat die Geophysikerin festgestellt, die am Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) in Bremen arbeitet und im thüringischen Illmenau und im schwedischen Uppsala studiert hat.
Am meisten Spaß hatte Christiane Heinicke, wenn es zu den Außeneinsätzen ging. Mit einem Astronautenanzug, Helm und Sauerstofftank wurden diese durchgeführt. „Die Temperaturen in diesen Anzügen waren unglaublich hoch und die Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt“, berichtet sie. „Man spürt keine Sonne und keinen Wind“, schildert sie. Und nur zu zweit durften solche Ausflüge stattfinden. Die Aufgaben dabei waren verschieden. Es sollten Karten der Umgebung erstellt oder nach Höhlen gesucht werden, die sich als Unterschlupf eignen. Die schweren Bedingungen führten dazu, dass die Wissenschaftlerin bei der Rückkehr ins Habitat jedesmal völlig erschöpft war und man sich auf das Essen gefreut hat.
Beim Kochen war dann auch immer ein anderer dran. Kochen, was Heinicke nicht zu ihren Leidenschaften zählt, heißt hier, die gefriergetrockneten Speisen aus der Dose mit Wasser übergießen. „Das kam mir dann entgegen“, sagt sie lächelnd. Das Wasser hierfür wurde einmal im Monat geliefert. Vom Tank mit 4000 Litern verbrauchte die Crew täglich rund 100 Liter, die vor allem fürs Trinken und Essenkochen verwendet wurden. Die reichliche Freizeit wurde mit Brettspielen und Filmabenden verbracht. „Logisch, dass wir am 42. Tag unserer Mission ‚Per Anhalter durch die Galaxis‘ geschaut haben. Und eines hat Heinicke auch noch festgestellt: „Zusammen Musik machen stärkt das Gemeinschaftsgefühl.“
Intensiv war dann die anschließende Fragerunde. Ein Teilnehmer wollte beispielsweise wissen, wie es sich mit den Beziehungen und der Sexualität in diesem Jahr verhalten hatte. „Wir haben in der Gruppe vereinbart, dass wir hierzu im Nachgang keine Details bekannt geben“, antwortet Heinicke mit einem Schmunzeln auf dem Gesicht. Tatsächlich gab es auch Beziehungen, wie sie dann doch noch verrät. Da das Experiment erfolgreich abgeschlossen wurde, hat die Gruppendynamik in diesem Fall funktioniert.
Im Namen aller Zuhörer fasste nach 90 spannenden Minuten Hans-Peter Petry, der Vorstandsvorsitzende von DeSK, den Vortrag am Ende mit einem Zitat von Mr. Spock aus dem Raumschiff Enterprise zusammen: „Faszinierend!“