Pilzwiderstandsfähige Rebsorten sind die Zukunft

Zahlreiche Weinexperten betonen beim Event „So schmeckt die Zukunft“ die große Bedeutung des ökologischen, nachhaltigen Weinbaus.

Pilzwiderstandsfähige Rebsorten sind die Zukunft

Der Weinbau ist zusammen mit dem Tourismus und der Gastronomie ein wichtiger Wirtschaftszweig im Kreis. Symbolfoto: privat

Rems-Murr. Viele Hänge im Rems-Murr-Kreis werden seit vielen Jahrhunderten weinbaulich genutzt. Diese von Menschenhand geformte und durch Wengerter in der Backnanger Bucht und im Remstal geprägte Kulturlandschaft ist eines der Wahrzeichen des Rems-Murr-Kreises. Gleichzeitig ist der Weinbau zusammen mit dem Tourismus und der Gastronomie ein wichtiger Wirtschaftszweig im Kreis.

Der Klimawandel setzt dem Wald sowie den Rebhängen an Rems und Murr allerdings mehr und mehr zu. Immer häufiger treten Spätfröste auf und die Sommer werden heißer und trockener. Regenfälle sind meist stark und auch Hagel tritt nicht selten auf. Wie sollen die Wengerter unter diesen Randbedingungen Weine der Zukunft erzeugen? Gibt es neue, besser angepasste Rebsorten, die bestenfalls noch mit weniger Pflanzenschutzmitteln auskommen? Wie schmeckt der Wein, der von neuen Reben gekeltert wurde?

Die Antworten auf diese und viele weitere Fragen gab es dieser Tage beim „Zukunfts-Wein-Event“ in der Glockenkelter in Kernen-Stetten. Die Bio-Musterregion Rems-Murr-Ostalb, das Weingut Singer-Bader und 30 weitere Weingüter haben dazu eingeladen, sich über die neuen Zukunftsweine zu informieren. Der Einladung sind neben 150 interessierten Bürgern auch Landtagsabgeordnete, Kreisräte sowie Bürgermeister gefolgt.

„Wir brauchen klimabedingt zukünftig auch mehr klimaangepasste Reben. Die Veranstaltung war daher ein echtes Zukunfts-Wein-Event. Ein spannender Blick auf den Weinbau in unseren Breitengraden, wie er sich in den nächsten 50 oder 100 Jahren darstellen könnte“, so das Resümee von Landrat Richard Sigel. „Unsere Experten im Landwirtschaftsamt sind überzeugt, dass wir neue Rebsorten brauchen, die weniger pflegeintensiv sind und dadurch helfen, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln deutlich zu reduzieren. Der Vorschlag der EU, Pflanzenschutz im Weinbau einfach zu verbieten, ist keine Lösung für die Herausforderungen, vor denen der Weinbau derzeit steht. Im Gegenteil, ein solches Verbot wäre vielmehr das Aus für den Weinbau, auch bei zertifizierten Biobetrieben“, so Sigel.

Weingüter leisten wichtige Pionierarbeit

Der Blick von Landrat Sigel geht in die Zukunft: „Ich bin deshalb dankbar, dass wir innovative Weingüter haben, die neue Wege gehen. Sie leisten wichtige Pionierarbeit, um passende Rebsorten zu finden. Dies unterstützt die Bio-Musterregion Rems-Murr-Ostalb gerne und hat das Thema Zukunftsreben daher auch als wichtiges Handlungsfeld aufgegriffen. Dieser Blick in die Zukunft könnte auch zu unserem 50. Landkreisjubiläum nicht besser passen, das wir dieses Jahr feiern.“

Regierungspräsidentin Susanne Bay betonte in ihrem Grußwort: „Wein ist Aushängeschild des Genießerlandes Baden-Württemberg und unsere Weine können durchaus mit der Spitze der Weinwelt mithalten. Doch darauf ruhen wir uns nicht aus. Durch die Bio-Musterregionen konnten in den vergangenen Jahren große Fortschritte im ökologischen Weinanbau gemacht werden, was sich positiv auswirkt auf die biologische Vielfalt und den Klimaschutz. Das heutige Event zeigt, wie innovativ und ideenreich die Branche ist und dass wir uns auch zukünftig auf viele spannende neue Sorten freuen können.“

Beim Wein-Event „So schmeckt die Zukunft“ wurden umfassende Einblicke in die Zukunft der Weine möglich. So hat Johannes Jäger, Weinbauberater des Bioland-Verbandes, aus der Züchtungsarbeit berichtet. Dabei ging er insbesondere auf die pilzwiderstandsfähigen Zukunftsreben (Piwi) ein. Die Züchtung dieser Rebsorten wurde bereits Ende des 19. Jahrhunderts gestartet, als die Reblaus und Pilzkrankheiten ausbrachen. Um auch noch in 100 Jahren Wein genießen zu können, werden vermehrt Piwis angepflanzt. Sie sind besser gegen Pilzerkrankungen und den Klimawandel gerüstet, benötigen weniger Pflanzenschutzmittel und schützen so die Umwelt. Über die aktuell erfolgreichen neuen Piwi-Sorten und die verschiedenen Ausbaumöglichkeiten resümiert Jäger: „Die Sorten, die wir nun am Start haben, sind richtig, richtig gut.“

Weniger Pflanzenschutz bei den Piwi-Rebsorten

Der Geschäftsführer der Zukunftsweine GmbH, Felix Hoffmann, lobte die neuen Piwi-Rebsorten, die bis zu 80 Prozent weniger Pflanzenschutz benötigen. Damit sparen sie Ressourcen sowie CO2 ein und sind in der Folge gut für Boden, Grundwasser und Biodiversität. „Die Klimakatastrophe ist vor unserer Haustür angekommen und unser Konsumverhalten hat direkten Einfluss darauf“, erläutert Hoffmann und ergänzt: „Die Zukunftsweinebewegung weist auf das Nachhaltigkeitsproblem der Weinwirtschaft hin, präsentiert aber gleichzeitig auch praktikable Lösungsansätze.“

Auch Barbara Singer vom Weingut Singer-Bader aus Korb betont die Wichtigkeit der Zukunftsreben. „Um Weinbau auch in den nachfolgenden Generationen betreiben zu können, brauchen wir Zukunftsreben. Wein entsteht durch sehr viel Handarbeit und Liebe. Die Arbeitserleichterung für Winzer bei diesen neuen Sorten ist enorm“, freut sich Barbara Singer.

Vera Brosche, die Managerin der Bio-Musterregion Rems-Murr-Ostalb, zieht ebenso eine positive Bilanz: „13 Prozent der Rebflächen in unserer Bio-Musterregion werden ökologisch bewirtschaftet. Der Anbau von pilzwiderstandsfähigen Rebsorten ist für Bioweinbetriebe, aber auch konventionell wirtschaftende Wengerter der nächste Schritt in Richtung mehr Nachhaltigkeit. Toll, dass wir durch die Veranstaltung heute eine so große Aufmerksamkeit auf dieses Thema lenken konnten.“pm

Kreisübergreifend ein Ziel

Bio-Muster-Region Die kreisübergreifende Bio-Musterregion Rems-Murr-Ostalb wurde 2022 gegründet und spannt einen Bogen vom Schwäbischen Wald über das Remstal bis in den Ostalbkreis. Ziel der Bio-Musterregion ist es, den Ökolandbau in der Region weiter zu stärken und die regionale Wertschöpfung von der Erzeugung über die Verarbeitung bis hin zur Vermarktung weiter zu steigern. Außerdem sollen bestehende Strukturen in den Bereichen Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung regionaler Produkte sowie in den Bereichen Tourismus und Gastronomie vernetzt und weiterentwickelt werden.