Waltraud Lenhart kannte sich zwar im Unternehmen aus, als sie überraschend die Führung übernehmen musste. Dennoch war es eine Herausforderung, die bewältigt werden konnte, weil alle im Unternehmen an einem Strang zogen. Leki ist Weltmarktführer für Ski- und Trekkingstöcke.
Kirchheim/Teck „So eine Situation haben Sie nicht auf dem Schirm, da kann man sich nicht vorbereiten“, sagt Waltraud Lenhart, die quasi über Nacht zur Firmenchefin wurde und Verantwortung übernommen hat. Dass sie das Familienunternehmen Leki – die Buchstaben stehen für Lenhart Kirchheim – nicht verkaufen, sondern weiterführen will, stand schnell für sie fest.
Ihr Mann Klaus Lenhart, Chef, kreativer Kopf und das Gesicht der Firma, war einen Tag vor seinem 57. Geburtstag bei einem Flugzeugabsturz an der Hahnweide unweit von Kirchheim/Teck ums Leben gekommen. Neben dem persönlichen Leid merke man plötzlich, dass es auch andere betreffe. „Da ist die Firma, da sind die Mitarbeiter“, sagt Waltraud Lenhart. Relativ zeitnah habe sie sich mit den Führungskräften zusammengesetzt, um zu entscheiden, wie es weitergeht. „Die Bereitschaft mitzumachen war da, und ich war mir relativ sicher, es könnte klappen“, sagt sie rückblickend. Das Lebenswerk Ihres Mannes hat sie sich zur Herzensangelegenheit gemacht. Sicher, sie war nicht unbeleckt, sondern kannte das Unternehmen. Nach der Geburt des ersten Kindes half die ehemalige Lehrerin für Sport und Werken, die anfangs mit Stöcken nichts am Hut hatte, in der Firma aus. „Heute würde man in der Elternzeit sagen“, sagt sie.
Sie war auf vielen Positionen und kannte die internen Abläufe. Sie war in der Buchhaltung, hat die EDV mit eingeführt und war zuletzt für die Finanzen zuständig. „Ich habe meinem Mann den Rücken freigehalten“, beschreibt es die zweifache Mutter. Sie agierte im Hintergrund, ihr Mann in der Öffentlichkeit – ein exzellenter Stratege mit Weitsicht, wie sie ihn beschreibt. „Mein Mann war der Skistock, die Firma sein Leben“, sagt sie über den Kunstflieger und leidenschaftlichen Skifahrer, der mit Rennsport aufgewachsen ist. Deshalb auch sein Faible für Stöcke.
Klar habe man über die Nachfolge gesprochen, was passiert, wenn mal einer ausfällt, wer sorgt für die Kinder, was passiert mit der Firma? Aber natürlich habe man nicht damit gerechnet, dass die Situation so schnell komme. Das frühzeitige Nachdenken über die Nachfolge habe manches erleichtert, sagt Lenhart.
Dass sie das Ruder übernahm, erschien der Unternehmer-Witwe die einzig praktikable Lösung. „Es blieb nicht viel Zeit, es musste weitergehen“, sagt sie. Sie wusste nicht, welcher Mitarbeiter es hätte machen können, und einen Externen hätte man einlernen müssen. Also war für Lenhart schnell klar: „Ich pack das an, ich geh das Risiko ein“, sagt sie und stellte ein Team zusammen. Denn ohne das gehe es nicht, der Austausch sei wichtig. Auch ein Chef könne nicht alles wissen. „Ich hab mir manches anders vorgestellt“, sagt sie.
Auch die Mitarbeiter mussten umdenken. Früher sagte der Chef: „So machen wir es.“ Jetzt mussten sie selbst entscheiden, denn Lenhart musste sich den Fragen der Kunden stellen, auf Messen gehen, sich in neue Felder einarbeiten. Angst vor Verantwortung hatte sie nicht. Sie wusste über die Firmeninterna Bescheid, denn ihr Mann hatte mit ihr seine Entscheidungen besprochen. Dessen offene Art kam ihr in der neuen Position zugute.
Den unvorsehbaren Wechsel in den Chefsessel erleichterte auch, dass die damals rund 50 Leki-Mitarbeiter Waltraud Lenhart kannten und schätzten. „Auch wenn man öfter mal sagte, der Chef hätte es anders gemacht“, sagt Marketingleiter Markus Milbrandt. „Wir waren teils überrascht, wie viel sie wusste“, erinnert er sich an manche Sitzung. Jeder habe eben seinen eigenen Führungsstil, sagt Lenhart. Akzeptanzschwierigkeiten hatte die Frau an der Firmenspitze nicht. In der Öffentlichkeit zu stehen, war für sie allerdings das Schwierigste, sagt sie. Man müsse halt in die Position reinwachsen. Die Konkurrenz schlafe nicht. Und als Marktführer werde man immer beobachtet, weiß sie.
Doch Leki konnte mit weiteren Innovationen punkten – dank einer starken Entwicklungsabteilung, die auch Stöcke und Handschuhe für Profisportler entwickelt. Weltweit nutzen 450 Ski-Alpin-Athleten und etwa 250 nordische Kombinierer Leki-Produkte. Zu den Athleten zählen unter anderem Felix Neureuther, die US-amerikanische Skirennläuferin Mikaela Shiffrin oder der italienische Skirennfahrer und Weltmeister Dominik Paris. Klar freue sie sich, wenn ein Sportler, den Leki unter Vertrag habe, auf dem Treppchen stehe, sagt die Leki-Chefin.
Promis sind wichtig, denn ohne die Top-Sportler wäre der Name Leki nicht so bekannt. Bei den Entwicklungen für Hochleistungssportler gehe es um Gewicht, Sicherheit und belastbare und recycelbare Materialien, was auch den Produkten für Otto-Normal-Verbraucher zugutekomme.
Die Fußstapfen, die ihr Mann hinterließ, waren groß, sagt Lenhart rückblickend. Sie auszufüllen, war eine Herausforderung. Doch weil man in der Firma an einem Strang zog und die Sache im Vordergrund stand und nicht persönliche Befindlichkeiten und Eitelkeiten, habe es geklappt, sagt Lenhart. Der Erfolg gibt ihr Recht.
Insgesamt verkauft das Unternehmen mehr als eine Million Trekking-, Nordic Sports-, Alpin- und Wintertourenstöcke pro Jahr – je nach Modell auch ausziehbar oder klappbar, aus Aluminium und leichterem Carbon. Hinzu kommen eigene Handschuhentwicklungen und Faltstühle. Gefertigt wird im eigenen Werk im tschechischen Tachov, wo gut 230 Mitarbeiter beschäftigt sind. Etwa 60 sind es am Stammsitz Kirchheim unter Teck. Den Umsatz nennt Lenhart nicht, nur so viel: „Wir wollen gesund wachsen.“
Bei den Produkten legt die Firmenchefin auch auf den eigenen Praxistest großen Wert – wie das übrigens schon immer im Unternehmen üblich war. Schon vor Jahren wurden beim Betriebsausflug nach Garmisch Wanderstöcke getestet. Damals sei noch niemand mit Stöcken gelaufen, sagt Lenhart lachend. Die Idee stammte von ihrem Mann, ihr war das eher peinlich. Doch die Zeiten sind längst vorbei, heute weiß sie die Entlastung durch Trekkingstöcke zu schätzen.
Ihren Job macht Waltraud Lenhart mit Herzblut. Wichtig ist ihr deshalb, dass das Unternehmen gut aufgestellt und auch in Zukunft handlungsfähig ist. Ihre Kinder sollen sich frei entscheiden können.
Erst im Februar hat die 62-jährige Leki-Chefin zwei Geschäftsführer berufen – auch wenn sie noch längst nicht ans Aufhören denkt. Doch für die Zukunft hat sie sich vorgenommen, die Dinge etwas gelassener anzugehen und sich mehr Zeit für die Familie zu nehmen.