Auf den Radwegen der Region wächst das Aufkommen. Das wurde nun gemessen. Archivfoto: Alexander Becher
Von Lorena Greppo
Rems-Murr. Radfahren ist auf dem Vormarsch, auch im Rems-Murr-Kreis. Damit diese Zunahme nicht nur ein Eindruck bleibt, sondern mit Zahlen belegt werden kann, hat das Landratsamt an verschiedenen Stellen im Kreisgebiet Zählstellen installiert – drei davon im Herbst 2021 (in Backnang, Kirchberg an der Murr und Weinstadt), fünf weitere (in Weissach im Tal, Auenwald, Korb, Winnenden und Urbach) im vergangenen Monat (wir berichteten). Doch was genau soll damit erhoben werden? Und: Können die Zählstellen manipuliert werden? Wir haben nachgefragt.
Nachdem die ersten Zählstellen über ein Jahr in Betrieb waren, ließen sich erstmals Vergleiche ziehen. Das war im Oktober 2022. Wie das Landratsamt mitteilt, waren sowohl beim täglichen Durchschnitt an Radfahrern als auch bei den Spitzenwerten deutliche Steigerungen zu vermessen. Auf der Oppenweiler Straße bei Backnang-Steinbach etwa waren im Oktober 2021 durchschnittlich 132 Radfahrerinnen und Radfahrer täglich unterwegs. Im Oktober 2022 hingegen lag der Tagesdurchschnitt bei 156. An einem Spitzentag stieg das Aufkommen von 359 auf 390. Ein ähnliches Bild ergibt sich in der Marbacher Straße in Kirchberg: Hier stieg der Tagesdurchschnitt von 117 Radfahrern im Oktober 2021 auf 166 in Oktober 2022. Bei den Spitzenwerten ist die Veränderung noch viel deutlicher: Hier stieg der Wert von 318 auf 523.
Ein Erfolg für den Radverkehr? Ja, aber mit Einschränkungen. Man müsse etwa beachten, dass der Herbst 2022 besonders mild war, merkt eine Sprecherin des Landratamts an. Deshalb sei es wichtig, dranzubleiben. „Bei der Auswertung der Zahlen der Nutzerinnen und Nutzer spielt der lange Messzeitraum über mehrere Jahre eine wichtige Rolle. Um langfristige Trends beobachten zu können, ist es wichtig, große Datenmengen über einen längeren Zeitraum miteinander zu vergleichen.“ Damit könnten gezieltere Aussagen über das Radverkehrsaufkommen getroffen werden.
Festgestellt werden soll auch, ob sich Arbeiten an einer Strecke gelohnt haben
Die Entwicklung der Zahlen soll im Umwelt– und Verkehrsausschuss im Herbst 2023 vorgestellt werden, da hier erstmals die Fahrradsaisons 2022 und 2023 miteinander verglichen werden können. Von besonderem Interesse ist dabei die Frage: Hat die Radverkehrsförderung im Landkreis eine Auswirkung auf die Nutzerzahlen? Und in der Folge: Inwiefern lohnt sich ein weiterer Ausbau der Radinfrastruktur? Von den Antworten auf diese Fragen können zukünftige Projekte maßgeblich beeinflusst werden. Die Nutzerzahlen sollen auch als Grundlage für die kreisweite Sanierungs- und Ausbauplanung dienen. „An Stellen mit mehr Radverkehr haben Maßnahmen eine größere Auswirkung. Bei sehr hohen Radverkehrsmengen sollte zudem geprüft werden, ob ein Ausbau über den vorgegebenen Standard hinaus nicht sinnvoll wäre“, erklärt die Pressesprecherin.
Die Zählungen bieten aber auch eine Messung des Erfolgs abgeschlossener Projekte. Die Kreisverwaltung kann so feststellen: Haben Arbeiten an einer Radstrecke zu einem Anstieg des Radverkehrs in den darauffolgenden Jahren geführt?
Manipulationen sind unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen
Darüber hinaus geben die Messungen der Zählstellen Aufschluss darüber, wann die Strecken am meisten genutzt werden. „Sowohl die Messstelle in Kirchberg an der Murr als auch die zwischen Backnang und Steinbach sind durch den Freizeitradverkehr auf den touristischen Routen geprägt“, teilt die Sprecherin des Landratsamts mit. An beiden Standorten werde der meiste Radverkehr an den Wochenenden beziehungsweise an Feiertagen gemessen. Auf der anderen Seite findet aber auch Alltagsradverkehr im Zeitraum zwischen den Hauptverkehrszeiten 6 bis 8 Uhr und zwischen 16 und 18 Uhr statt.
Doch sind die Zählstellen auch sicher vor Manipulationen? Auf Facebook äußerten Nutzer die Sorge, dass Menschen die gleiche Stelle einfach mehrmals hintereinander passieren und so die Ergebnisse verfälschen könnten. In der Kreisverwaltung hat man zumindest alles getan, um die Wahrscheinlichkeit dessen zu minimieren. So sei bei der Auswahl der Zählstellen darauf geachtet worden, dass diese sich in der Fahrbahn beziehungsweise im angrenzenden Grünstreifen befinden und demnach nur bei genauerem Hinschauen erkennbar sind. Das beuge auch Schäden durch Vandalismus vor. Eine Manipulation durch mehrmaliges Überfahren werde so auch unwahrscheinlich. „Ausschließen lässt sich ein derartiges Verhalten eines Radfahrenden zwar nicht – allerdings werden die Daten ja über einen längeren Zeitraum hinweg erfasst, sodass man bei der Datenauswertung einen derartigen Spitzenwert identifizieren könnte“, fügt die Sprecherin des Landratsamts hinzu.
Trends wie der wachsende Anteil von Pedelecs haben das Fahrrad als klimaneutrales Verkehrsmittel in den Fokus gerückt
Die Marschroute in der Kreisverwaltung ist jedenfalls durch den zunehmenden Radverkehr klar vorgegeben. Insofern teilt man dort auch mit: „Trends wie der wachsende Anteil von Pedelecs und E-Bikes sowie die allgemeine hohe Nachfrage bei den Fahrradgeschäften haben das Fahrrad als alternatives und klimaneutrales Verkehrsmittel verstärkt in den Fokus gerückt. Als Landkreis möchten wir unseren Beitrag für mehr Radverkehr durch den Ausbau eines attraktiven, lückenlosen und sicher benutzbaren Radwegenetzes leisten. Dementsprechend blicken wir optimistisch auf das Frühjahr 2023 und ein weiterhin ansteigendes Radverkehrsaufkommen durch den Neu- und Ausbau weiterer Radwege.“
Funktionsweise Die Messung findet über Induktionsschleifen in der Fahrbahn statt. Fahrräder besitzen ein bestimmtes elektromagnetisches Profil, welches von der Software im Zählgerät registriert wird. So kann ausgeschlossen werden, dass etwa Tiere als Radfahrer wahrgenommen werden. Das Zählgerät ist zusammen mit einer Batterie in einem Schacht untergebracht und registriert neben der Anzahl der Überfahrten auch Datum und Uhrzeit.
Auswahl der Strecken Bei der Wahl der Standorte für die Zählstellen wurden vor allem auf Strecken gesetzt, auf denen bislang schon relativ reger Radverkehr beobachtet wurde. Für die Anlagen gibt es aber auch Empfehlungen, denen entsprochen wurde. So soll an besagten Stellen davon auszugehen sein, dass die Radfahrer auch wirklich den vorhandenen Radweg nutzen und nicht stattdessen die Straße.
Weitere Zählstellen Die Installation weiterer Zählstellen ist in Planung. In diesem Jahr sollen im Süden von Allmersbach im Tal, in Leutenbach-Nellmersbach auf dem Weg nach Erbstetten sowie in Korb am nördlichen Ortsausgang entsprechende Geräte eingebaut werden.