Rathaussturm in abgespeckter Version

Gut dreißig kostümierte Mitglieder des Sulzbacher Carnevalsvereins treffen sich ungezwungen und ohne festes Drehbuch zu der Veranstaltung.

Fasnet in Sulzbach: Der Rathaussturm mit Schlüsselübergabe wurde in diesem Jahr quasi im Light-Format zelebriert. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Fasnet in Sulzbach: Der Rathaussturm mit Schlüsselübergabe wurde in diesem Jahr quasi im Light-Format zelebriert. Foto: A. Becher

Von Ute Gruber

Sulzbach an der Murr. Auch in diesem Jahr war an einen regulären Rathaussturm am Schmotzigen Donnerstag nicht zu denken: Fasnachtsspiel, Bewirtung und ausgelassene Party in den engen Rathausgängen – unmöglich. Dennoch wollten sich die Sulzbacher Narren den Karneval nicht gänzlich vermiesen lassen und haben sich etwas ausgedacht, einen Rathaussturm light sozusagen.

Ungezwungen und ohne Regiebuch treffen sich gut dreißig kostümierte Vereinsmitglieder zur üblichen Stunde vor dem Amtssitz des Bürgermeisters: Majoretten, Hexen – freilich ohne Larve – Hemedklonker und sogar ein Reisigbär wankt mit seinem schweren Kostüm aus Tannenreisig über den Marktplatz. Hästräger Lewin freut sich über die Gelegenheit, endlich etwas gemeinsam zu unternehmen und hat mit seinen Freunden eigens das frische Gewand hergestellt. „Das fehlt einem einfach als Vereinsmensch“, stellt der 21-Jährige fest, der zeitlebens an den Umzügen teilgenommen hat. Sozusagen schon vor seiner Geburt, denn die ganze Familie ist fasnachtsverrückt.

Letztes Jahr wurde ein Tanzfilm zusammengeschnitten.

„Sonst treffen wir uns ja jede Woche zum Hexentanz.“ Akrobatische Übungen wie die Pyramide aus 20 Hexen werden dann einstudiert für die Umzüge und Faschingsfeiern. Eine coronakonforme Pyramide aus drei Hexen? „Ist ja witzlos.“

Auch für die Majoretten der Roten Garde mit ihren blonden Zöpfen ist das gemeinsame Üben wegen der Coronaeinschränkungen selten möglich gewesen: „Zurzeit können wir uns wenigstens alle zwei Wochen wieder in der Festhalle treffen, unter 2G. Aber die meiste Zeit ging’s nur online vor dem Computer oder mal zu zweit. Das macht keinen Spaß.“ Zumal die Sequenzen in der Kette mit Anfassen und Gleichschritt so gar nicht geprobt werden können. „Man rostet richtig ein“, stellen die jungen Frauen bedauernd fest.

Dafür haben die kreativen Verantwortlichen des Sulzbacher Carnevalsvereins sich in den letzten zwei Jahren allerhand einfallen lassen, um trotz abgesagter Umzüge und Fasnachtsfeiern gemeinsam etwas zu erleben: Einmal wurde gemeinsam die Narrensuppe gelöffelt – ein jeder saß mit seinem Suppenteller vor dem heimischen PC im virtuellen Festraum. Oder man hat auf dieselbe gesellige Art zu Hause einen eigenen Narrenbaum zurechtgestutzt– aus dem ausgedienten Weihnachtsbaum. Einmal gab es für jeden eine Fasnetstüte mit Konfetti, Tröte, Gummibärchen und Sekt, inklusive witziger Anleitung, wie alles zu verwenden sei. Letztes Jahr wurde ein Tanzfilm aus den Aufnahmen zusammengeschnitten, wie jede der Majoretten vor der eigenen Haustür das Programm präsentiert. Heuer gab es ein „Ordensfest to go“: Anstatt in der Festhalle wurden die jährlichen Orden vor der Festhalle überreicht und zwar im Vorbeifahren: „Wie beim McDrive“.

Dieses Jahr gab es außerdem eine Interne Elferratssitzung unter dem Motto „Bunt, schrill und sexy“. Mit Büttenrede, Schunkeln und Tanz, was anscheinend eine Herausforderung an die Kondition darstellte: „Man ist das einfach nimmer gewöhnt“ berichtet Nadja. Eine der fünf Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Das Häsabstauben als Start der Alemannischen Fasnacht am 6. Januar wurde als Outdoor-Veranstaltung organisiert, im Garten von Familie Kollak. Papa Sven, der den Fasching mit seiner Birgit sozusagen mitgeheiratet hat und auch heute wieder mit einem brandaktuellen Pappschild um den Hals dabei ist, auf welchem steht „Schickt Putin nach Guantanamo!“, hat dafür geduldet, dass seine Grünfläche zu diesem Zweck mit PC, Kameras und jeder Menge Kabeln verdrahtet wurde. Denn bei dieser 2-G-Plus-Veranstaltung wurde auch an die gedacht, die weder geimpft noch genesen sind: Sie konnten die Feier am heimischen Computer verfolgen.

Jetzt, in der Dämmerung der Weiberfasnacht, tauchen an den Fenstern des Ratssaals im oberen Stock das Sulzbacher Rathauses zwei jubelnde Närrinnen auf und werden mit lautem Rätschen und Bimmeln von den Untenstehenden empfangen. Ein dreifaches „Sulzbach?“ – „Hannoh!“ erschallt. Dann wird ein Banner mit den Konterfeis von Stäffeleshexe und Sulzbacher Teufel entrollt und Bürgermeister Dieter Zahn vor die Türe geschleppt.

Des Schlüssels und der Krawatte ledig freut er sich dennoch, dass so spontan, nach zwei Jahren der Entbehrung, „wieder ein bissle Fasching gefeiert wird“, stimmt in die Rufe ein und bewirtet die Anwesenden, die bei den milden Temperaturen gerne noch ein bisschen plaudernd verweilen, mit Getränken, Brezeln und Landjägern.

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Erstellt:
26. Februar 2022, 16:00 Uhr

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