Die vierte Ausstellung in diesem Jahr in der Reihe „Backnang im Zeitspiegel“ im Helferhaus widmet sich dem Gebiet von der Spaltgasse zum Stiftshof. Die historischen Fotos zeigen nicht nur Ansichten der Stadtgebiete, wie sie früher einmal aussahen – Peter Wolf recherchiert dazu die Geschichten.
Das Schiff der Stiftskirche im Jahr 1895 nach der Renovierung und neogotischen Umgestaltung durch Heinrich Dolmetsch.
Von Claudia Ackermann
BACKNANG. Die Spaltgasse, die von der Marktstraße zur Uhlandstraße führt, ist ein recht unscheinbarer Fußgängerweg. Aber gerade solche schmalen Gässchen prägten früher die Kernstadt von Backnang. Zu einzelnen Gebäuden recherchiert der Diplom-Fotodesigner Peter Wolf die Geschichte. So befand sich in der Spaltgasse das Textilhaus Dinkelacker, das 1886 als „Garn-, Kurz-, Weiss- und Wollwarengeschäft“ eröffnet und 1906 vom Kaufmann Paul Dinkelacker übernommen wurde. An der Ecke zur Marktstraße stand die Wirtschaft „Falken“, die um 1759 eröffnet wurde und 1939 einem An- und Umbau des expandierenden Geschäfts Dinkelacker weichen musste. 1995 erfolgte die Schließung des traditionsreichen Textilhauses. Mit Einzelhandel für den Bedarf der Bürger und Gastronomie war die Innenstadt auch in den kleinen Gässchen belebt.
Alte Fotos von der Spaltgasse, etwa aus den 1920er-Jahren, sind durch neuere ergänzt. So zeigt eine Aufnahme aus den 1970er-Jahren das kleine Geschäft „Top Shop 2000“ auf der anderen Seite der Spaltgasse. Bestimmt erinnert sich so mancher Backnanger daran, dass das einst moderne Bekleidungsgeschäft die einzige Adresse in der Stadt war, wo man die begehrten Jeans der amerikanischen Marken kaufen konnte. Von der Jugend wurde der Laden, oft zum Leidwesen der Eltern, eifrig frequentiert.
Traditionsgeschäfte und eine bedeutende Gasse
Nur wenige Traditionsgeschäfte in der Innenstadt haben bis heute überdauert. Dazu gehört das Uhrenhaus Bauer, das sich an der Ecke zur Marktstraße befindet. Uhrenmachermeister Karl Bauer eröffnete ein „Uhren-&Reparaturgeschäft“ 1889 zunächst in der Kronenstraße (heute Am Schillerplatz). 1892 erwarb er das Gebäude in der Marktstraße, Ecke Spaltgasse, in dem das Geschäft bis heute in der vierten Generation von Goldschmiedemeister und Uhrmacher Edo Bauer betrieben wird.
Kreuzt man die Marktstraße, geht es weiter zur Wassergasse. Bei seinen Recherchen begibt sich Peter Wolf auch auf die Suche nach der Herkunft der Straßennamen. Die kleine Gasse war von großer Bedeutung, denn es war der nächste Weg von der Innenstadt zur Murr, um bei Bränden Wasser zu holen. Vom „Hafenmarkt“ oder „Unteren Marktplatz“ (beim Haus Remmele) wurde eine Eimerkette gebildet, die sich bis zur Buchdruckerei Stroh und dem dortigen Durchgang durch die einstige Stadtmauer, die Treppe hinab, bis zur Murr zog. Nur durch eine Menschenkette war der Transport des Löschwassers möglich. Mitten auf der heutigen Wassergasse stand ein Haus, an dem beidseitig nur ein schmaler Fußweg vorbeiführte. Auf einem Foto aus der Zeit der amerikanischen Besatzungszone ist dieses Haus zu sehen, in dem sich zuletzt die Wirtschaft und Metzgerei von Friedrich Gross befand. In den 1960er-Jahren wurde das Gebäude abgebrochen und so eine Durchfahrt geschaffen.
Oft ist es für Peter Wolf nicht leicht, die Fotos genau zu datieren. Mit detektivischem Spürsinn begibt er sich auf Hinweise. So kann er das Foto in die Zeit der Besatzungszone einordnen, weil dies an dem Nummernschild eines Autos erkennbar ist. Kurios ist das Foto von einer Ausflugsgesellschaft aus dem Jahr 1928 in der Wassergasse. In einem lang gezogenen „Bus“ ohne Dach haben 25 Personen Platz, die vermutlich aus Stuttgart angereist waren, wie eine Aufschrift auf dem sonderbaren Vehikel verrät.
Die Geschichte des Hauses, in dem sich der Raumausstatter Remmele befand, hat Wolf recherchiert. An der Ecke Marktstraße/Wassergasse wird die Schildwirtschaft Lamm erstmals im späten 17. Jahrhundert erwähnt. Hier zog 1811 das Postamt ein, und der jeweilige Lammwirt wurde zum Posthalter. Später zog die Poststelle in das Haus des heutigen Hotels Alte Vogtei um, worauf der Name Postgasse zurückgeht. An diesem Gebäude vorbei führt das schmale Gässchen von der Marktstraße bis zur heutigen Backnanger Kreiszeitung. 1875 erwarb Friedrich Stroh das Verlagsrecht und die Druckerei der örtlichen Zeitung „Murrtal-Bote“ und kaufte das dazugehörige Haus Ölberg 1. Ein Foto zeigt das Gebäude mit der Aufschrift und das Haus auf der anderen Seite des Zugangs zur Murrtreppe, das zur Postgasse gehört. Dieses wurde abgerissen und ein Neubau errichtet, in den 1957 die Zeitung einzog, die 1951 in Backnanger Kreiszeitung umbenannt worden war. Bereits vor Kriegsbeginn war eine 16-seitige Zeitungsdruckmaschine im benachbarten Haus Postgasse 7 aufgestellt worden. Zuvor befand sich schon der gesamte Geschäftsbetrieb im Haus Ölberg 1.
Von hier aus führt die geschichtsträchtige Gasse „Oelberg“ hinauf zum Stadtturm. Fotos zeigen etwa das Frauenstift, das sich im Gebäude Oelberg 11 befand, als „Wohnsitz für hiesige arme Bürgers Witwen und auch für ältere ledige Weibspersonen“. Über historische Aufnahmen der „Restauration zur Uhr“ bis zu neueren Fotos von der Gaststätte, die heute von Dimitrios Siasiakis (Mitzu) und seiner Frau Despina betrieben wird, geht es zu Fotos vom Stadtturm mit dem gotischen Chor und der Stiftskirche aus verschiedenen Zeiten. Die Krypta in der Stiftskirche wurde 1929 ausgegraben und rekonstruiert, zeigen Fotos. In einer halsbrecherischen Kletteraktion wurde 1950 ein neuer Wetterhahn auf der Spitze des Stadtturms montiert. Die Aufnahmen erzählen Geschichten, die das frühere Leben in Backnang erlebbar machen.
Die Ausstellung im Kabinett des Helferhauses, Petrus-Jacobi-Weg 5, geht bis 24. Januar. Öffnungszeiten: dienstags bis freitags 17 bis 19 Uhr, samstags, sonntags und an Feiertagen von 14 bis 19 Uhr. Am 31. Dezember und 1. Januar ist geschlossen.
Alltag in der Wassergasse zur Zeit der amerikanischen Besatzungszone.
Blick durch den Torbogen des sogenannten Torbogengebäudes zum Stiftshof in den 1940er-Jahren. Repros: P. Wolf