Rems-Murr. Mit 204511 Wohnungen aller Art und Größe hat der Wohnungsmarkt im Rems-Murr-Kreis das Coronajahr 2020 abgeschlossen. Das sagt die aktuelle Wohnungsbestandsstatistik in der Regionaldatenbank der Statistischen Landesämter und des Bundesamts zum 31. Dezember 2020. Für die FDP-Landtagsabgeordneten Jochen Haußmann und Julia Goll bestätigen diese Zahlen, „dass die Wohnbaupolitik des Landes seit Jahren in die falsche Richtung geht“. Denn es gebe im Rems-Murr-Kreis „zwar eine leichte Zunahme, aber viel zu wenig, um den Bedarf zu decken“.
Diese Aussage fußt auf dem Wohnungsbedarfsmodell des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), mit dem sich berechnen lässt, dass das im Kreis Ende 2020 erreichte Verhältnis von Fertigstellungen und Bedarf bei 74,2 Prozent liegt: Der Bedarf ist demnach durch neue oder aber per Sanierung im Zuschnitt veränderte Wohnungen derzeit nicht gedeckt. Insgesamt gab es im Rems-Murr-Kreis zum Stichtag 92958 Gebäude mit Wohnungen. Inzwischen zeige die Entwicklung im Jahr 2021, „dass wir einen grundlegenden Neustart in der Wohnraumpolitik brauchen“, sagen die beiden Landtagsabgeordneten.
Mehr als 1800 Wohnungen zusätzlich werden jährlich im Kreis benötigt
Die IW-Wissenschaftler haben bis einschließlich 2020 für alle Stadt- und Landkreise vorausberechnet, wie viele Wohnungen gebaut werden müssen, um mit der Bevölkerungsentwicklung Schritt zu halten. „Das Ergebnis für den Rems-Murr-Kreis ist, dass jährlich über 1800 Wohnungen benötigt werden. Dieser Zuwachs wurde nicht erreicht“, sagt Haußmann. Nach den vorliegenden Zahlen der regionalen Entwicklung erhöhte sich durch das reale Baugeschehen bis zum Jahreswechsel 2020/2021 der hiesige Bestand nur um 1366 Wohnungen. Fertiggestellt wurden zwar insgesamt 1423 Wohnungen, aber nicht alle erhöhten den Bestand. „Die Differenz zum Bestandszuwachs erklärt sich daraus, dass es auch Umbauten gab, bei denen aus zwei Wohnungen eine gemacht wurde“, so Haußmann.
Die Wohnungsträume zu beschreiben, die in diesem Bedarf inbegriffen sind und die durch Coronaquarantänen noch verstärkt wurden, ist für Goll einfach: „Gute Lage, mit Balkon oder Garten, möglichst niedrige Miete, neudeutsch ‚bezahlbar‘ – das sind die Eckpunkte der Traumwohnung. Arbeitsplatznähe und gute Infrastruktur kommen dazu.“ Welche der 204511 vorhandenen Wohnungen im Rems-Murr-Kreis diesem Ideal nahekommen, ist statistisch freilich nicht erfasst.
Bei der Frage, ob der Mensch lieber verdichtet oder auf Abstand wohnt, lässt sich die Antwort hingegen daraus ableiten, für was Bauherren ihr Geld ausgeben: „Der größte Traum der Menschen ist und bleibt das eigene Haus für die Familie“, sind sich die Abgeordneten einig. „Unser Ziel ist es, mitzuhelfen, diesen zu erfüllen.“ Die Zahlen, auf denen diese Einschätzung beruht: 52752 Einfamilienhäuser gibt es mittlerweile im Kreis, rund 340 mehr als ein Jahr zuvor. Für alle, für die dieser Traum noch nicht bezahlbar ist oder die ein anderes Wohnmodell haben, bleiben die Eigentumswohnung oder das Wohnen zur Miete in einem der 19142 Mehrfamilienhäuser als Alternative (2019: 19029). Als Mehrfamilienhäuser gelten alle Wohngebäude mit drei und mehr Wohnungen. Sozusagen ein Zwischending sind Häuser mit zwei Wohnungen. Von denen gibt es im Kreis 20969 (2019: 20910).
Für Haußmann und Goll „sind auch die Zahlen zu den Wohnungsgrößen aufschlussreich“: Große Wohnungen mit fünf Räumen und mehr waren im Kreis zuletzt inklusive der Einfamilienhäuser insgesamt 89425 erfasst. Das sind rund 43,7 Prozent des Bestands. 57312 Wohnungen (28 Prozent) verfügten über vier Räume, 38052 Wohnungen (18,6 Prozent) waren Dreizimmerwohnungen, 15331 (7,5 Prozent) hatten zwei Räume und 4391 ein Zimmer (2,1 Prozent). „Wohnen auf beengtem Raum ist ganz offensichtlich nicht das Ding der breiten Mehrheit“, so die Abgeordneten.
Die Wohnungsbaupolitik des Landes sei auch mit der Einführung eines Bauministeriums nicht besser geworden: „Die eigentlichen Probleme im Lande bleiben nach wie vor unberücksichtigt“, sagt Haußmann und zählt mit Goll auf: „explodierende Baukosten, Material- und Fachkräftemangel, fehlende Bauflächen, Mieten und Hauspreise, die sich selbst mittlere Einkommen nicht mehr leisten können, und nicht zuletzt eine überbordende Regulierung und ein Auflagendickicht für Bauherren und Vermieter, die einem Dschungel gleichen“. teb