Rentner wegen versuchten Mordes angeklagt

Dem 67-jährigen Aspacher wird vorgeworfen, seine Ehefrau mit einem Hammer geschlagen zu haben

Rentner wegen versuchten Mordes angeklagt

Ein Rentner, der seine Ehefrau mit einem Hammer schwer verletzt haben soll, muss sich vor Gericht verantworten. Foto: Fotolia/R. Tavani

Von Hans-Christoph Werner

ASPACH/STUTTGART. Die 9. Schwurgerichtskammer des Landgerichts verhandelt gegen einen ehemaligen Busfahrer. Aus der von der Staatsanwältin vorgetragenen Anklageschrift wird deutlich, was vorgefallen ist. In einer Oktobernacht des letzten Jahres kommt der Angeklagte mitten in der Nacht betrunken nach Hause. Das gemeinsame Schlafzimmer mit seiner 65-jährigen Ehefrau ist im Umbau befindlich, sodass diese vorübergehend auf einer Matratze im Wohnzimmer nächtigt. Schon längere Zeit hat die Ehefrau versucht, auf ihren Ehemann einzuwirken, dass dieser das Trinken lasse.

Vergeblich. Seit Beginn seines Rentnerdaseins sind fünf bis sechs Bier am Abend und ebenso viele Klare üblich. Als der Ehemann in dieser Nacht auftaucht, sagt sie, dass es aus sei und er verschwinden solle. Darauf kommt es zu einem heftigen Wortwechsel. Zufällig liegt im Wohnzimmer ein Hammer, weil die Ehefrau aus dem Türkei-Urlaub mitgebrachte Spiegel aufhängen wollte. Diesen greift sich der in Rage geratene Mann, schlägt auf die Frau ein und fügt ihr schwere Verletzungen zu. Zehn Platzwunden listet die Anklageschrift auf, eine Schädelfraktur wird als lebensgefährlich eingestuft. Für kurze Zeit ist die Geschlagene offenbar bewusstlos, vermag dann aber selbst beim Nachbarn in dem Mietshaus Hilfe zu holen. Der Ehemann hat sich derweil, ohne sich um seine Frau zu kümmern, davongemacht. Er marschiert stracks zur Backnanger Polizeistation und stellt sich.

Zur Sache, so lässt der Angeklagte durch seinen Verteidiger ausrichten, wird er nichts sagen, zur Person sehr wohl. In der Türkei aufgewachsen, versucht er sich nach erlangter Hochschulreife an der Universität. Aber das liegt nicht. So verdient er als Bus- und Taxifahrer seinen Lebensunterhalt. 1979 kommt er mit Frau und zwei Kindern nach Deutschland. Die Ehe ist, wie in seiner Heimat üblich, vom Vater des Busfahrers arrangiert worden. Aus Sehnsucht nach der Heimat kehrt er 1983 für zwei Jahre zurück. Dann ist er wieder in Deutschland. Allerdings kommt er alleine, seine Ehe ist zwischenzeitlich geschieden worden.

Noch im selben Jahr heiratet er ein zweites Mal, eine deutsche Frau, und hat auch mit ihr eine Tochter. Acht Jahre hält diese Ehe. Mittlerweile hat sich der Busfahrer einbürgern lassen. Aber der in der alten Heimat lebende Vater zieht mächtig die Fäden. Ein Jahr nach dem Scheitern seiner zweiten Ehe sei er, so die Aussage des Angeklagten, auf dessen Betreiben erneut mit der ersten Ehefrau verheiratet worden. Irgendwie ist das nach türkischem Recht möglich. Verspätet erfährt der so Beglückte davon. Nach einem weiteren Jahr ist die Wieder-Ehefrau bei ihm in Deutschland. Eitel Sonnenschein muss die Beziehung nicht gewesen sein. Unmittelbar vor der Tat machen beide getrennt Urlaub. Er sagt seiner Ehefrau nach, dass sie ihn mit anderen Männern betrüge. Ob das den Tatsachen entspricht oder nur Einbildung war, werden die kommenden Verhandlungstage zu klären haben.

Die Ehefrau, sichtlich mitgenommen, wird als Zeugin aufgerufen. Nach anfänglicher Unentschlossenheit verzichtet sie schließlich auf eine Aussage. Der Angeklagte nutzt die Gelegenheit und sagt ihr: „Es tut mir leid. Ich weiß nicht, wie das passieren konnte. Du bist eine sehr gute Frau.“ Er sagt das in Deutsch. Seiner Frau ist vor Gericht ein Übersetzer an die Seite gestellt. Die gemeinsame Tochter wird aufgerufen. Auch sie ist durch die ganze Sache sichtlich gerührt. Schwer verletzt hat in der Tatnacht die Mutter bei ihr angerufen. Diese wiederum alarmierte den Rettungsdienst. Wie hat die Tochter die Ehe der Eltern erlebt? Durch Nachfragen versucht der Vorsitzende Richter die Beziehung zu beleuchten. Ja, der Vater hat getrunken. Weil sich die Mutter darüber ärgerte, tat er dies im Keller. Vom Fremdgehen ihrer Mutter weiß sie nichts. Sie hält das für Einbildung. Die Eifersuchtsgedanken des Vaters allerdings bestätigt sie. Seit gut einem Jahr sei das so. Alle Versuche, dem Vater das auszureden, seien gescheitert. Aber Streit, so die Tochter, habe es zwischen ihren Eltern nicht gegeben.

Die in der Tatnacht mit den Ermittlungen befassten Polizeibeamten sagen aus, der Mann sei sehr kooperativ gewesen, habe allerdings auch nur gesagt, dass er seine Frau geschlagen habe. Der psychiatrische Gutachter fragt eigens nach. Während seiner Vernehmungen durch die Polizei ließ der Beschuldigte kein Triumphgefühl, aber auch kein Bedauern erkennen. Nach dem Ergehen der Frau erkundigte er sich nicht. Am Tag nach der Tat verfügte der Haftrichter die Inhaftierung.

Insgesamt fünf Verhandlungstage sind vorgesehen. Weitere Zeugen sollen gehört und Gutachten eingebracht werden.