Die Preise für Molkerei-, Fleisch- und Getreideprodukte steigen an: Alexander Munz (links) und Jan Decker vom Restaurant Einhorn in Oppenweiler haben die Preise auf der Speisekarte schon leicht angepasst. Fotos: Alexander Becher
Von Melanie Maier
Backnang. Markus Hilt vom Restaurant Löwen in Backnang hat keine Fritteuse. Wenn er eine hätte, dann würde er sich jetzt wahrscheinlich auch überlegen, statt Pommes Bratkartoffeln anzubieten, sagt er. Das Kölner Brauhaus „Gaffel am Dom“ ist schon Ende März umgestiegen, weil das Frittieröl knapp und teurer geworden ist – und hat es damit bundesweit in die Presse geschafft. Auch Markus Hilt bemerkt den Preisanstieg ganz deutlich. „Beim Rapsöl beträgt der Zuwachs mehr als 100 Prozent. Vorher haben wir 9,80 Euro für zehn Liter bezahlt. Jetzt sind es 20,50 Euro“, rechnet er vor. Die höheren Kosten beschränken sich jedoch nicht nur auf das Speiseöl. Die meisten Lebensmittel sind betroffen, die Zuwächse liegen zwischen 15 und 20 Prozent, sagt Markus Hilt. Dazu kommen stark erhöhte Energiepreise – beides eine Folge des Kriegs in der Ukraine. Mit 7,4 Prozent erreichte die Inflationsrate in Deutschland im April den höchsten Stand seit 1981.
Das Restaurant Löwen hat seine Preise daher zum 1. April erhöht. Durchschnittlich zehn Prozent mehr kosten die Angebote auf der Speisekarte im Vergleich zum März. „Wenn die Brauerei ihre Preise um zehn Prozent anhebt und der Getränkehändler seine um 3,4 Prozent, kann man ja nichts anderes machen, sonst bleibt man auf den Kosten sitzen“, erklärt Hilt. Beschwerden habe er von den Kundinnen und Kunden aber noch keine erhalten, „das ist ja alles noch moderat“, sagt er.
Anpassungen im „geringen einstelligen Bereich“
Auch Alexander Munz vom Restaurant Einhorn in Oppenweiler hat die Preise auf seiner Speisekarte angepasst, „im geringen einstelligen Bereich“. Von den Restaurantbesuchern ist er darauf bisher noch nicht angesprochen worden. Die gestiegenen Preise bemerkt er vor allem bei Molkerei-, Fleisch- und Getreideprodukten sowie beim Speiseöl. Dort betrage der Preissprung teils 200 bis 280 Prozent, berichtet Munz. Beim Einkauf nehmen er und seine Mitarbeiter daher bevorzugt Angebote wahr. Was den Energiebereich angeht, so arbeite man im Einhorn schon lange so nachhaltig wie möglich. „Jetzt versuchen wir, die letzten paar Prozent herauszuholen – zum Beispiel, indem wir die Küchengeräte eine halbe Stunde früher ausschalten“, sagt Munz. Ein bisschen Luft nach oben bleibe immer.
Kopfschmerzen bereitet ihm die aktuelle Lage noch nicht. Anderen in der Branche gehe es nach zwei Jahren Coronapandemie sehr viel schlechter. „Es ist natürlich sehr schwierig, wenn die wirtschaftliche Seite als Existenzgrundlage betroffen ist. Aber die menschliche Seite – wie es den Menschen in der Ukraine zurzeit geht – wiegt noch viel schwerer. Die macht einem gerade viel mehr zu schaffen“, sagt er.
Die Preissteigerungen und die Inflation werden sich bei so gut wie allen Restaurants im Rems-Murr-Kreis in gestiegenen Verzehrpreisen widerspiegeln, ist sich Michael Matzke sicher. „Hat ein Gastronom höhere Kosten, muss er diese weitergeben“, sagt der Kreischef beim Deutschen Hotel- und Gaststättenverband Dehoga. Er geht aber von überschaubaren Preisanpassungen aus. „Einen Rostbraten für 30 Euro isst niemand. Es wird jetzt auch kein Gastwirt sagen: Ich mache mein Bier um einen Euro teurer“, sagt er. „Wenn man die Preise um 50 Cent im Schnitt anhebt, ist das zwar nicht die Welt, würde aber schon einen gewissen Mehrumsatz bringen.“
Transport- und Energiepreise belasten Gastonomen
Das größte Problem sieht Matzke auch nicht in den höheren Lebensmittelpreisen. „20 Cent mehr auf das Kilo Kartoffeln sind jetzt nicht so schlimm. Dass die Transport- und Energiepreise gestiegen sind, wirkt sich hauptsächlich auf die Gastronomie aus.“ Wer über die finanziellen Mittel verfüge, würde momentan versuchen, im Energiebereich das verbleibende Einsparpotenzial zu nutzen, etwa durch den Austausch alter Heizungen oder energetische Sanierungen. In der Hauptgeschäftsstelle der Dehoga in Stuttgart seien die Betriebsberatungen stark gefragt. „Die kommen mit ihren Terminen fast nicht hinterher“, sagt Matzke.
Dass es wegen der angespannten Lage zu Betriebsschließungen kommen könnte, schließt der Experte nicht aus. Nach zwei Jahren Coronapandemie seien die Betriebe gebeutelt. Wer schon vorher schlecht dastand, für den könnten die gestiegenen Preise zum Tropfen werden, der das Fass zum Überlaufen bringt. „Viele werden an ihre Grenzen kommen“, sagt Matzke. Dazu kommt, dass die Branche höhere Tariflöhne vereinbart hat und dass der Mindestlohn bis 1. Oktober sukzessive auf zwölf Euro steigen wird. All das schlage zu Buche, erklärt der Dehoga-Kreischef. Er rät Gastronomen dazu, schon jetzt höhere Energiepreise in die eigene Kalkulation einzubeziehen, um ein böses Erwachen zu vermeiden. Denn die Kostenabrechnung erfolgt zeitverzögert.
Wegen der Tariferhöhungen muss sich Markus Binder keine Gedanken machen. „Wir zahlen schon lange übertariflich“, sagt der Inhaber des Gasthofs Traube in Aspach. „Die Gastronomie ist eine harte Branche, das wollen wir auch honorieren. Die Leute müssen von ihrem Lohn gut leben können.“ Auch was die Energiekosten betrifft, ist Markus Binder guter Dinge. Der Gasthof Traube werde energieeffizient betrieben. Er sei an das lokale Nahwärmenetz angeschlossen, darüber hinaus werde Wärme über die Lüftungsanlage zurückgewonnen. In den bisherigen Abschlagszahlungen, sagt Binder, hätten sich die gestiegenen Energiepreise noch nicht niedergeschlagen. Er geht aber davon aus, dass das spätestens in der Endabrechnung der Fall sein wird.
Die meisten Gäste haben Verständnis für die Anpassungen
Die hohen Lebensmittelpreise spürt aber auch er schon jetzt „ganz klar“. Beim Fleisch etwa gebe es Preissteigerungen von 25 Prozent. Trotzdem sind in der Traube bisher nur die Preise für Bier und Wein, nicht aber für die Speisen erhöht worden. Dass das noch folgen könnte, wenn die Lage dauerhaft so bleibt oder sich verschlimmert, schließt der Hotel- und Restaurantbetreiber aber nicht aus. „Wir können nicht umsonst arbeiten“, sagt er. Den Preisaufschlag von gut zehn Prozent auf Bier und Wein hätten die Kunden gleich bemerkt, sagt Binder: „Wir haben viele Stammgäste. Die meisten haben aber Verständnis dafür, dass wir mitziehen müssen, wenn alles teurer wird.“
Dass alles teurer wird, liegt ihm zufolge nicht daran, dass Lebensmittel auf dem Markt fehlen. Diese seien derzeit eigentlich noch verfügbar, sagt er. Es handele sich um eine künstliche Preissteigerung, um eine Spekulation auf einen zukünftigen Mangel. Spürbar seien zudem die Energieaufschläge in der Lieferkette.
Wie es in den kommenden Wochen und Monaten weitergehen wird, ob er die Preise noch einmal anpassen muss oder ob es bei den jetzigen bleibt, kann Markus Hilt vom Backnanger Restaurant Löwen nicht sagen. „Die Situation ist schwierig. Das sehen Sie ja auch selber, wenn Sie einkaufen gehen.“ Momentan seien die Lokale gut besucht – die Leute, mutmaßt Hilt, hätten während der Pandemie vielleicht nicht so viel Geld ausgegeben und jetzt Lust darauf, ihre neu gewonnene Freiheit zu genießen.
Mit dem Umsatz seien er und seine Frau Simone Hilt, die mit ihm das Restaurant betreibt, aktuell zufrieden. „Ich weiß natürlich nicht, wie das alles weitergeht, wenn die Situation in Deutschland so bleibt oder wenn sie noch schlimmer wird“, merkt er an. Manchmal, sagt er und lacht mit einer guten Portion Galgenhumor, sei es vielleicht auch besser, vorher nicht alles zu wissen.