Traum oder Albtraum? Die Raumfahrtbehörden NASA und ESA suchen zwölf Frauen, die sich 60 Tage lang ins Bett legen. Der Lohn ist üppig, doch der Teufel steckt im Detail.
Köln Es klingt wie ein Traumjob für Couch- Potatoes: In den Tag hineinleben, dicke Schmöker lesen, endlos Netflix gucken, weder Einkaufen noch Wäsche waschen, schon gar nicht arbeiten müssen. All das in der Horizontalen. Im Bett. Für 16 500 Euro Aufwandsentschädigung. Für manche wird dieser Job ab September Realität werden. Doch das lässige Abhängen ist streng reglementiert.
Die amerikanische und die europäische Weltraumbehörde suchen derzeit nach zwölf Frauen, die sich im Dienst der Wissenschaft hinlegen – und 60 Tage lang nicht mehr aufstehen. Die Bettruhestudie von NASA und ESA soll die Auswirkungen von Schwerelosigkeit auf den Körper untersuchen. Dafür müssen die freiwilligen „terrestrischen Astronautinnen“ zwei Monate in einem Bett im Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin in Köln liegen, das um sechs Grad mit dem Kopfende nach unten geneigt ist.
Während des Versuchs dürfen die Probandinnen nicht aufstehen oder den Kopf heben – auch nicht zum Essen, Waschen, Duschen, zur Toilette „gehen“ oder zu Freizeitbeschäftigungen. Ein Forschungsteam überwacht die „Astronautin“. Luftfeuchtigkeit und Temperatur in dem Einzelzimmer sind konstant, das Essen standardisiert. Ernährungswissenschaftler stellen den Speiseplan zusammen, um sicherzustellen, dass die Frauen mit allem versorgt werden, was ihre Körper brauchen – ohne dass sie zu- oder abnehmen. Es werde aber schon mal „Pfannkuchen oder Süßigkeiten“ geben, um die Monotonie zu durchbrechen.
Auf der Internetseite umgarnen die Raumfahrtmediziner potenzielle Probandinnen mit den Auswirkungen der Teilnahme auf ihr Leben: „Beeindrucke Freunde und punkte bei Arbeitgebern mit Disziplin und Durchhaltevermögen“ oder „Kein Stress! Arbeiten oder Studieren – darum brauchst du dir 89 Tage lang keinen Kopf zu machen.“ Schließlich könne man die Bettruhe auch als eine kreative Auszeit nützen, eine Sprache lernen oder Orientierung im Leben zu finden: „Während der Studie kannst du dir in Ruhe darüber klar werden, welche Ziele du künftig erreichen willst.“
Nach Aussage der US-Weltraumbehörde NASA sind Bettruhestudien vor allem für Menschen interessant, die um „eine Veränderung ihres Lebens“ bemüht sind und die sich aus ihrem Alltagsleben problemlos ausklinken können. „Wenn Menschen einmal auf dem Mars gehen oder lange Zeit im All leben“, schwärmt die Behörde, „dann geschieht dies zum Teil dank des Einsatzes der Bettruhe-Probanden.“ Medizinischer Hintergrund der Studie ist, dass ein Aufenthalt im All den menschlichen Körper verändert. Durch die geringere körperliche Belastung wegen der Schwerelosigkeit werden Muskeln und Knochen abgebaut. Körperflüssigkeiten verschieben sich in Richtung Kopf. Das wird durch die Neigung der Betten simuliert. Die Ergebnisse der Studie sollen den Wissenschaftlern dabei helfen, effektivere Gegen- oder Präventivmaßnahmen zu entwickeln, damit Astronauten auf der Raumstation bei Langfristaufenthalten nicht den Großteil ihres Tages mit Sport verbringen müssen.
Die Studie beginnt Anfang September und dauert 89 Tage: 15 Tage Eingewöhnungsphase, 60 Tage Bettruhe und 14 Tage Erholung und „Astronauten-Reha“, in denen die Teilnehmerinnen wieder fit für den Alltag gemacht werden. Gesucht werden gesunde Frauen zwischen 24 und 55 Jahren, die gut Deutsch sprechen.