Seehofer zufrieden mit geringeren Asylzahlen

2018 liegt die Zahl von 165 000 Flüchtlingen unter der „Obergrenze“ des Innenministers

Von Christopher Ziedler

Die Bundesregierung vermeldet einen weiteren Rückgang der Flüchtlingszuwanderung. Der zuständige Innenminister Horst Seehofer sieht trotzdem weiteren politischen Handlungsbedarf.

Berlin Eine spitze Bemerkung in Richtung seiner Kritiker kann sich Horst Seehofer nicht verkneifen, als er am Mittwoch in ­Berlin den Migrationsbericht der Regierung und rückläufige Asylzahlen präsentiert. „Ich bin dafür lange kritisiert worden“, sagt der Bundesinnenminister mit Blick auf seine ständigen Forderungen nach neuen Maßnahmen zur Begrenzung der Asylzu­wanderung, „heute ist es Konsens.“

Tatsächlich wird Seehofers „Obergrenze“, die als Korridor von 180 000 bis 220 000 zusätzlichen Schutzsuchenden pro Jahr Einzug in den Koalitionsvertrag gehalten hat, unterschritten. Die „Zuwanderungsberechnung auf Grundlage des Koalitionsvertrages“, die das Bundesinnenministerium erstellt hat, kommt auf die Zahl 165 000. Sie beinhaltet zum einen die rund 162 000 Menschen, die vergangenes Jahr zum ersten Mal einen Asylantrag in Deutschland gestellt haben. Hinzu kommen 35 000 Familienangehörige, die von anerkannten Flüchtlingen in die Bundesrepublik nachgeholt werden durften, sowie weitere 3500 Angehörige von Schutzberechtigten mit einem vorübergehenden Status. 3400 Menschen kamen über humanitäre Aufnahmeprogramme der EU beziehungsweise der Vereinten Nationen ins Land. Demgegenüber standen rund 23 500 Personen, die in ihr Heimatland abgeschoben wurden – etwa 16 000 Flüchtlinge kehrten auf freiwilliger Basis und teilweise mit staatlicher Unterstützung dorthin zurück.

Der Chef des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Hans-Eckhard Sommer, sieht dennoch „keinen Grund zur Entwarnung“. Er berichtete, dass inzwischen in jedem Asylverfahren technische Hilfsmittel wie eine automatische Sprach- und Dialekterkennung zum Einsatz kämen, um die Angaben und Identitäten ohne Papiere reisender Flüchtlinge besser prüfen zu können – die Schutzquote lag 2018 bei 35 Prozent.

Die Zahl anhängiger Fälle ist ebenfalls stark gesunken und liegt noch bei 58 000. Allerdings wurde das Amt vor allem aus Sicherheitsgründen damit beauftragt, rückwirkend 750 000 Asylbescheide der Jahre 2015, 2016 und 2017 zu überprüfen. Wie inzwischen bekannt ist, wurde die damals noch viel höhere Zahl von Verfahren von teils schlecht geschulten Bamf-Mitarbeitern vielfach nur schlampig bearbeitet. Für eine gründlichere Überprüfung früherer Anträge bekommt das Amt daher nun Zeit bis 2022.

Seehofer sagte, dass „trotz der positiven Zahlen noch einiger politischer Handlungsbedarf besteht“. So will der Innenminister demnächst ein Gesetz vorlegen, mit dem die Zahl der Rückführung abgelehnter Asyl­bewerber erhöht werden kann. Aus den Vorbereitungsgesprächen vermeldete er „große Akzeptanz, dass wir nicht nur den Vollzug der Abschiebungen verbessern, sondern auch gesetzlich etwas ändern müssen“.

Die Sekundärmigration von Asylbewerbern, für deren Verfahren eigentlich andere EU-Staaten zuständig sind, sprach Seehofer von sich aus nicht an – obwohl der Streit darüber noch vor wenigen Monatenfast zum Aus der Regierung geführt hätteund der Minister immer noch wenig Hoffnung auf neue europäische Regeln hegt: „Es wäre bitter notwendig, aber ich glaube nicht, dass wir in absehbarer Zeit ein gemeinsames EU-Asylrecht bekommen.“ Die Mitgliedstaaten sind sich über fünf von sieben Gesetzestexten einig – zentraler Streitpunkt ist jedoch die Dublin-Verordnung, die die Zuständigkeit für die Asylverfahren und damit die ­Ver­teilung von Flüchtlingen in der EU regelt.