Thomas Maier ist seit 2008 Direktor.
Von Melanie Maier
Weissach im Tal. Zum ersten Mal seit zwei Jahren kann die Jahreskonferenz der Evangelischen Missionsschule in Unterweissach wieder stattfinden wie vor der Pandemie: nicht online, wie 2020 und 2021, sondern vor Ort, mit Hunderten Besucherinnen und Besuchern. Mehr als 300 haben sich bereits für die viertägige Veranstaltung angemeldet, weiß Direktor Thomas Maier – was ihn vor dem Hintergrund von Corona und der Hitze positiv überrascht hat.
Heute Nachmittag beginnt die Jahreskonferenz mit einer Mitgliederversammlung der Bahnauer Bruderschaft, auf die die Schule zurückgeht (siehe Infokasten). Die zwei großen, weißen Festzelte zwischen den Gebäuden der Schule am Brüdenbach sind am Freitagvormittag schon aufgebaut. Es wird noch aufgestuhlt und dekoriert. Maier führt in sein Büro. Seit 2008 leitet er die Evangelische Missionsschule, an der sich junge Menschen in vier Jahren unter anderem zur Jugendreferentin, zum Gemeindepädagogen oder zur Religionslehrerin ausbilden lassen können. In der Regel sind acht bis elf Frauen und Männer ab 18 Jahren in einem Jahrgang. Maier ist froh um die kleinen Klassengrößen. Dadurch könnten die Dozierenden intensiv auf die Studierenden eingehen: „Vier Jahre lang werden sie sehr intensiv und persönlich begleitet.“ Etwa zwei Drittel haben Abitur und ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) hinter sich, ein weiteres Drittel eine Berufsausbildung. Aktuell wohnen 37 Studierende aus ganz Deutschland auf dem Gelände. Das ist das Besondere an der Missionsschule: Die Studierenden lernen nicht nur miteinander, sie wohnen auch zusammen.
Sarah Hummel zum Beispiel lebt in einer Wohngruppe mit acht Kommilitonen und Kommilitoninnen. „Jeder hat ein eigenes Zimmer. Küche, Wohnzimmer und mehrere Bäder teilen wir“, sagt sie. Die 21-Jährige aus Filderstadt ist im ersten Jahrgang der Ausbildung. Beworben hat sie sich an der Missionsschule nach dem Abitur und einem FSJ in einem Kindergarten. „Nach den Infotagen war mir total schnell klar: Das ist es“, berichtet sie. Andere Universitäten habe sie deshalb gar nicht erst angeschrieben.
Dreimal im Jahr öffnet die Schule neben dem Weissacher Rathaus ihre Türen an den Infotagen. Interessierte können sich zu den Studierenden in den Unterricht setzen, sich alles genau anschauen, Fragen stellen. Wer danach entscheidet: „Das ist etwas für mich“, schickt seine Bewerbungsunterlagen inklusive eines ausführlichen, handschriftlichen Lebenslaufs sowie zwei Referenzschreiben an die Schule und wird, mit etwas Glück, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Auch wegen dieses aufwendigen Aufnahmeverfahrens sei bei den Studierenden die Motivation extrem hoch, vermutet Direktor Maier: „Die meisten haben tolle Erfahrungen in der Gemeinde- oder Jugendarbeit gemacht und sagen: Das möchte ich anderen auch ermöglichen.“
Ein weiterer Motivationsgrund sind wahrscheinlich auch die etwa 450 Euro, die der Besuch der Missionsschule monatlich kostet. Darin sind aber sowohl die Kosten für die Lehre als auch für die Unterbringung und die Verpflegung enthalten. Dass der Schulbesuch nicht teurer ist, liegt daran, dass die Studierenden täglich eine Stunde mitanpacken – zum Beispiel in der Küche, im Büro oder im Garten, jeden Tag nach dem Mittagessen. Der Unterricht findet vormittags statt, der Nachmittag ist für die „freie Studierzeit“ vorgesehen. Ein Gebetsfrühstück mittwochs und zwei Andachten (am Montag und am Freitag) stehen ebenfalls auf dem Stundenplan.
Maier ist es wichtig, dass diejenigen, die es an die staatlich anerkannte Ergänzungsschule geschafft haben, dort auch wirklich sein möchten. Die Ausbildung kann der Schulvorstand daher selbst noch im vierten Ausbildungsjahr vorzeitig beenden. Für sieben bis zehn Prozent der Eingeschriebenen endet die Zeit in Unterweissach vorzeitig.
Die große Mehrheit jedoch genießt die Zeit am Brüdenbach. Ein „riesiger Vorteil“ sei das große Netzwerk, das sich durch das Zusammenleben bilde – sowohl zwischen den Studierenden, als auch zwischen ihnen und den Dozentinnen und Dozenten, von denen ebenfalls einige auf dem Campus leben, sagt Miriam Milencovici, die seit 2018 an der Schule ist und im September ihre Stelle als Jugendreferentin in Ostfildern antreten wird. Die 24-Jährige aus Steinheim an der Murr wollte eigentlich immer weit weg zum Studieren, doch das Programm in Unterweissach überzeugte sie so sehr, dass sie gerne in der Region geblieben ist.
Die Ausbildung habe vier Hauptziele, führt Thomas Maier aus. Zum einen gehe es selbstverständlich darum, sich mit dem Thema Theologie in all seinen Facetten zu beschäftigen, da ein Beruf mit christlichem Hintergrund am Ende der Ausbildung steht. Zudem sollen die Studierenden die Beziehung zum persönlichen Glauben vertiefen, ihre Persönlichkeit entfalten und ihre Mitmenschen besser verstehen lernen. Daher stehen auch Fächer wie Psychologie, Seelsorge und Pädagogik auf dem Lehrplan. Zwei Drittel der Ausbildung bestehen aus Theorie, ein Drittel aus der Praxis. Praktika wechseln sich mit dem Unterricht ab. „Das ist wie beim Kopfsalat – Kopf und Herz sind nahe beieinander“, sagt Maier.
Auf den Abschluss folgt ein Berufsanerkennungsjahr, in dem die Absolventinnen und Absolventen zwei weitere Wochen in der Schule verbringen, um ihre Berufspraxis zu reflektieren. Maier nennt das „das i-Tüpfelchen der Ausbildung.“ Er wurde 1961 in Neuffen im Landkreis Esslingen geboren. Bevor er 2001 an die Evangelische Missionsschule kam, hatte er schon in einigen Gemeinden als Pfarrer gearbeitet – eine Tätigkeit, die ihn sehr erfüllte. „Ich dachte immer, der Beruf Pfarrer ist das Beste, was es gibt“, schwärmt er. „Man begleitet die Menschen durch alle Lebensphasen, von der Geburt bis zum Tod.“ Doch als die Anfrage aus Weissach im Tal kam, musste Maier nicht lange überlegen. Mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen, die heute 38 und 35 sind, zog er auf das Gelände der Missionsschule.
2008 wurde er Direktor. Seine Aufgaben seien „zu 95 Prozent Freude und nur zu fünf Prozent Arbeit“, sagt er. Die Ausbildungskonzeption der Schule hat er mit einem Kollegen – insgesamt sind sie zu fünft im Hauptteam – erarbeitet und verfeinert. „Es gibt kein Jahr, in dem wir nicht etwas verändert haben.“ Vor ein paar Jahren wurde die Schule digitalisiert, mit Whiteboards und schnellem Internet ausgestattet. Darüber war Maier in der Pandemie froh, auch wenn der Unterricht nur wenige Wochen online abgehalten werden musste, da die Studierenden ja zusammen wohnen. Dass nun auch die Jahreskonferenz wie gewohnt stattfinden kann, freut ihn besonders.
Am Freitagvormittag ist der Aufbau für die Jahreskonferenz schon in vollem Gange. Fotos: Alexander Becher
Bahnauer Bruderschaft 1906 gründete der Pastor Carl Lange ein Gemeinschaftsbrüderhaus in Vandsburg in Westpreußen. Drei Jahre später siedelte dieses nach Preußisch Bahnau bei Heiligenbeil in Ostpreußen um. Die Bahnauer Bruderschaft ist Träger der Evangelischen Missionsschule.
Weissach im Tal Nach Unterweissach kam die Missionsschule 1948. Zunächst war sie im Gasthaus Lamm untergebracht: im heutigen Rathaus. 1954 wurde das Lehrsaalgebäude eingeweiht, 1966 das Mitarbeiterhaus errichtet. 1974 wurden Wirtschaftsgebäude, Speisesaal und Gästehaus neu gebaut. Seit 1998 dürfen Frauen die Schule besuchen.
Informationen Mehr Infos zur Schule und zur Konferenz: www.missionsschule.de.