Am Backnanger Marktbrunnen haben sich rund 160 Menschen zu einer Mahnwache für den Frieden versammelt. Fotos: T. Sellmaier
Von Bernhard Romanowski
Backnang/Murrhardt. Die Kriegssituation in der Ukraine lässt auch die Menschen an Rems und Murr nicht unberührt. In Backnang versammelten sich am Samstag über 160 Menschen am Marktbrunnen. Josef Klein, seine Frau Monika Schwartz und Gerlinde Wengert aus Weissach im Tal hatten kurzfristig am Freitag noch zu der Aktion aufgerufen. „Mahnwache für den Frieden anlässlich des Kriegs in der Ukraine“, so das Motto des Treffens, wie Josef Klein im Gespräch mit unserer Zeitung sagte. „Die Teilnehmerschaft war breit gestreut. Ich kannte viele nicht. Es waren auch Murrhardter dort sowie Vertreter der Parteien und ebenso Oberbürgermeister Maximilian Friedrich.“ Klein lobte das kooperative Verhalten des Backnanger Ordnungsamt: „Die Unterlagen wurde aufgrund der Kurzfristigkeit per Kurier zugestellt.“
Redebeiträge waren ursprünglich nicht geplant. Doch die aus Rumänien stammende Backnangerin Tamea Müller, die in der Flüchtlingsarbeit tätig ist und betreute Treffen für Kriegskinder und -enkel anbietet, schilderte die Situation in ihrer Heimatstadt Sighetu Marmației, wo nun täglich Tausende Flüchtlinge aus der Ukraine auf der Suche nach Sicherheit ankommen und von den Rumänen versorgt werden. Margret Schatz trug am Marktbrunnen ein Gedicht vor, in dem das Thema Frieden behandelt wird. Laut Josef Klein wurde gestern vielfach der Wunsch geäußert, die Mahnwache kommenden Samstag zu wiederholen, dann möglichst mit Mikro und Lautsprecher für Wortbeiträge. Klein: „Ich bin dankbar, dass so viele gekommen sind.“
In Murrhardt trafen sich gestern Nachmittag etwa 20 Personen zu einer spontanen Friedens- und Solidaritätskundgebung am Stadtgarten. Darunter einige Mitglieder des Freundschaftsvereins Murrhardt–Chuhuiw-Maliniwka um die Initiatorin Natascha Schneider und den Vorsitzenden Christian Schweizer. „Es beteiligten sich auch einige Freunde, Stadträte und dankenswerterweise auch Bürgermeister Armin Mößner“, so Schweizer. Natascha Schneider hatte ein Plakat der ukrainischen Flagge mit einem roten Herzen gestaltet mit der Aussage: „Wir sind mit euch mit unseren Herzen“. Bernd Herrmann aus Marbach am Neckar hielt ein rotes Herz aus Holz hoch mit der Botschaft: „Unsere Herzenskraft für euch – wir sind alle eins“. Es kam zu einem regen Informations- und Meinungsaustausch, was die Einwohner in Murrhardt tun können, um die Menschen in der Ukraine zu unterstützen. Bürgermeister Mößner erläuterte, dass es dazu genau geregelte Verfahren gibt, und empfahl abzuwarten, bis Flüchtlinge ankommen und welche konkreten Hilfsmaßnahmen dann ergriffen werden können, wenn die Lage sich beruhigt. Christian Schweizer erinnerte an die Aktivitäten des Freundschaftsvereins mit zahlreichen gegenseitigen Besuchen von Murrhardtern in der Ukraine und von den Freunden in der Walterichstadt. Dies sei nun eine Verpflichtung, auch in Zukunft die Völkerfreundschaft weiter zu pflegen und sich mit aller Kraft für den Frieden zu engagieren. Natascha Schneider betonte, jetzt solle man Solidarität zeigen, indem man so weit wie möglich die Kontakte zu den Freunden und Verwandten in der Ukraine weiter aufrechterhält. „Wir können gemeinsam mit- und füreinander beten und singen.“ Wenn Flüchtlinge kommen, gelte es diese mit allem Notwendigen zu unterstützen. Stadtrat Andreas Winkle erklärte seine Bereitschaft, humanitäre und finanzielle Hilfe mit zu organisieren.
Anschließend erfuhren einige Mitglieder des Freundschaftsvereins topaktuelle Nachrichten per Internettelefonie über die aktuelle Situation in Kiew von Aleksander Gamagin. Er war Offizier in der ukrainischen Armee und hat jetzt eine wichtige Funktion im Zivilschutz. Gamagin berichtete, dass im Stadtzentrum von Kiew relative Ruhe herrsche, aber in den Vororten russische Truppen zum Stehen gekommen seien. Es gebe schwere Luftangriffe. Gamagin hat auch noch Verbindung zu Freunden in Chuhuiw, die gestern noch unverletzt waren. „Die Männer sind im Kampfeinsatz, die meisten Frauen und Kinder können und wollen das Land nicht verlassen, sondern wollen ihre Männer unterstützen“, so der Ukrainer.
Auch in Murrhardt solidarisieren sich Menschen mit der Ukraine. Foto: privat
Tamea Müller schildert die Situation an der rumänisch-ukrainischen Grenze.
Mitorganisator Josef Klein (mit Warnweste) hat die Mahnwache zusammen mit Monika Schwartz und Gerlinde Wengert kurzfristig organisiert und angemeldet.
Das Herzsymbol ist oft zu sehen.
Zusage zur Unzeit Ein Brief aus Russland traf am Donnerstag im Landratsamt Rems-Murr-Kreis ein. Darin nimmt die Verwaltungsspitze des Bezirks Dmitrow die Einladung an, den Partnerkreis Rems-Murr im Sommer mit einer Delegation zu besuchen. „ Mich hat allerdings sehr verwundert, dass diese Zusage auf eine vor Wochen ausgesprochene Einladung ausgerechnet heute kam, an dem Tag, an dem sich ein dunkler Schatten über die bisher guten Beziehungen zu Russland gelegt hat“, so die Reaktion von Landrat Richard Sigel, die er auch den Kreispolitikern schriftlich mitteilte.
Appell gegen Krieg „Der Angriff von Russland auf die Ukraine wird auch die seit Jahrzehnten bestehende Freundschaft belasten. Ich appelliere an Sie, dass auch Sie sich dafür einsetzen, dass dieser Konflikt schnell beigelegt wird. Der Krieg in Europa muss enden, bevor es zu größeren Verlusten auf beiden Seiten kommt“, schrieb der Landrat den Russen zurück. Die Wappenfarben des Rems-Murr-Kreises sind Blau und Gelb und auch daher seien die Gedanken bei den Menschen in der Ukraine. Sigel: „So wichtig mir die partnerschaftliche Beziehung ist, das Treffen im Sommer wird auch von der weiteren Entwicklung in der Ukraine abhängig sein.“
Provokation Das Schreiben aus Russland empfinde er unter diesen Umständen schlicht als unpassend, fast schon als Provokation, so der Landrat. Unter diesen Umständen könne sicher kein Partnerschaftstreffen mit Russland stattfinden.