Lockerer Austausch am Kaffeetisch: Matthias Göbel, Jana Seemann und Fabian Elsässer (von links) pflegen eine entspannte Arbeitsatmosphäre. Foto: Harro Höfliger
Von Kornelius Fritz
Kernen im Remstal. Mit einem Klischee räumt Fabian Elsässer gleich mal auf: „Einen Tischkicker gibt es bei uns nicht.“ Ein solches Spielgerät gilt als Symbol für die Unternehmenskultur in einem Start-up. Für diesen besonderen Geist, in dem die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen. Für ein Arbeitsumfeld, wo man nicht für den Chef arbeitet, sondern zusammen mit Gleichgesinnten etwas auf die Beine stellt und Spaß dabei hat.
Dieses Ziel verfolgen auch die 20 Beschäftigten von PYNR (gesprochen Pioneer) in Rommelshausen. Zwar ohne Tischkicker, dafür aber mit einer Dartscheibe, die auch fleißig genutzt wird. Die Büroetage am Rand des Gewerbegebiets ist bevölkert von jungen Menschen zwischen 20 und 30. Sie tragen Jeans, Hoodies und Sneaker, einer kommt sogar manchmal in Badelatschen zur Arbeit. Wer das Großraumbüro betritt, dem fällt sofort die offene Küche mit der langen Theke auf. „Hier frühstücken wir oft gemeinsam oder kochen mittags“, erzählt Fabian Elsässer, der das Team leitet. Seinen Nachnamen verrät er übrigens erst auf Nachfrage des Reporters. Auf der Homepage haben nämlich selbst die Chefs nur Vornamen.
Fabian Elsässer: „Wir wollen eine Atmosphäre schaffen, in der man auch Fehler machen darf.“
Das alles wäre nicht wirklich ungewöhnlich, wenn PYNR tatsächlich ein Start-up-Unternehmen wäre, das von jungen Leuten gegründet wurde. In Wahrheit handelt es sich hier aber gar nicht um eine eigene Firma, sondern um eine Abteilung des Maschinenbauers Harro Höfliger aus Allmersbach im Tal. Der taucht hier allerdings nur ganz diskret im Namenszusatz „PYNR by Harro“ auf. Ansonsten grenzt sich der Bereich ganz bewusst von seiner Mutter ab. Dafür gibt es gute Gründe: Harro Höfliger ist zwar als innovatives Unternehmen bekannt, gehört als klassischer Maschinenbauer aber zur sogenannten „Old Economy“. Weil die Maschinen und Anwendungen aber immer digitaler werden (siehe Infotext), braucht das Unternehmen inzwischen auch Softwareentwickler. Doch die zieht es nicht unbedingt zu Harro Höfliger.
„Egal wie innovativ wir sind, wir werden eben als Maschinenbauer wahrgenommen“, weiß Fabian Elsässer. Das machte es schwierig, die umworbenen Fachkräfte für sich zu gewinnen. Selbst Werkstudenten und Praktikanten bewarben sich bisher eher bei Softwarehäusern als bei Harro Höfliger. „Uns war klar, wenn wir diese Leute bekommen wollen, dann müssen wir etwas tun“, erzählt Matthias Göbel. Der Informatiker arbeitet schon seit 2020 bei Höfliger und leitet dort die Softwareentwicklung. Doch der 38-Jährige kennt auch die besondere Atmosphäre in jungen Unternehmen, denn er hat früher selbst zwei Start-ups gegründet. So reifte die Idee, ein sogenanntes „Corporate Start-up“ zu eröffnen, also quasi eine Firma in der Firma. Organisatorisch und räumlich getrennt, aber trotzdem mit der Unterstützung und der Finanzkraft von Harro Höfliger im Rücken.
Nähe zu Stuttgart und den Hochschulen ist positiv
Bei der Suche nach einem geeigneten Standort fiel die Wahl auf Rommelshausen im Remstal. Das liegt näher an Stuttgart und den dortigen Hochschulen, ist aber auch vom Stammsitz in Allmersbach gut zu erreichen. Dort mietete das Unternehmen im vergangenen Herbst eine Büroetage im sogenannten „Pixa-Areal“. Vor dem Einzug machten die Mitarbeiter noch einen Ausflug zu Ikea, um sich dort selbst ihre Büromöbel auszusuchen. Fotos von der Aktion wurden hinterher dann auch gleich bei Instagram gepostet.
Dass die Softwaresparte nun unter einem eigenen Namen weitgehend unabhängig agieren kann, mache vieles einfacher, erklärt Fabian Elsässer. „Wir können mit dieser Marke leichter Dinge ausprobieren. Das ist auch ein bisschen eine Spielwiese.“ So hat man zum Beispiel an Hochschulen bunt bedruckte Socken und Aufkleber mit den GPS-Koordinaten des Firmensitzes an Studenten verteilt. Auch auf den Social-Media-Kanälen wird fleißig experimentiert: Bei PYNR kann dort auch mal ein Selfie oder ein wackeliges Handyvideo gepostet werden, ohne die eher konservativen Höfliger-Kunden zu verschrecken.
Alle Ausbildungsplätze sind besetzt
Die Rechnung scheint aufzugehen: Tatsächlich tut sich PYNR leichter, junge Leute zu gewinnen. Die Ausbildungsplätze sind alle besetzt, die dualen Studienplätze ebenfalls und ein Team aus Werkstudenten unterstützt nun die Stammbelegschaft. „Wir haben erreicht, was wir uns vorgenommen hatten“, freut sich Fabian Elsässer. Gleichzeitig ist dem 36-Jährigen aber wichtig zu betonen, dass sein Team in Rommelshausen kein Eigenleben führt. Er und die anderen Führungskräfte sind mehrmals in der Woche in Allmersbach, um sich mit anderen Abteilungen auszutauschen und auch um den Verdacht einer Zweiklassengesellschaft auszuräumen. Denn natürlich werden die „hippen Jungen“ im Stammhaus zum Teil auch kritisch beäugt.
„So ganz anders sind wir gar nicht“, versichert Elsässer. Obwohl es zum Beispiel keine festen Arbeitszeiten gibt, seien fast alle Beschäftigten zu den üblichen Zeiten im Büro. Der lockere Umgang ist für die Führungskräfte auch kein Selbstzweck, sondern soll die Eigeninitiative und die Kreativität des Teams fördern. „Wir wollen hier eine Atmosphäre schaffen, in der man auch Fehler machen darf“, erklärt Fabian Elsässer. Denn nur so könnten neue Ideen entstehen. Am Ende müsse sich PYNR aber wie jede andere Abteilung von Harro Höfliger an den Geschäftszahlen messen lassen. Und die werden auch in Rommelshausen nicht an der Dartscheibe verbessert.
Digitalisierung Die Kernkompetenz von Harro Höfliger ist und bleibt der Bau von Sondermaschinen, insbesondere für die Pharmaindustrie. Allerdings werden diese zunehmend um digitale Dienstleistungen ergänzt. Erste Versuche wurden bereits 2017 gestartet. „Wir unterstützen unsere Kunden dabei, ihre Produktionsprozesse zu digitalisieren“, erklärt Fabian Elsässer, Leiter von PYNR by Harro.
Anwendungen Bei den Projekten geht es zum Beispiel darum, Daten an den Maschinen zu erfassen und zu analysieren. So lässt sich feststellen, wenn sich bestimmte Parameter verändern. Das kann ein Hinweis darauf sein, dass eine Wartung nötig ist oder ein Teil ausgetauscht werden muss. „So lassen sich Stillstände und teure Reparaturen vermeiden“, erklärt Vertriebsmanager Falk Pfitzer.
Künstliche IntelligenzDer Fachkräftemangel kann dazu führen, dass die Mitarbeiter, die die HöfligerMaschinen bei den Kunden bedienen, nicht immer ausreichend dafür qualifiziert sind. Auch hier können digitale Lösungen helfen, zum Beispiel indem eine künstliche Intelligenz dem Maschinenführer Empfehlungen zur richtigen Bedienung gibt oder ihn bei Wartungsarbeiten anleitet.