Straßenfest 2022: Klassische Variante ist der Favorit

Deutliche Signale der Backnanger Stadträte pro Straßenfest vor der entscheidenden Sitzung am heutigen Donnerstag im Gemeinderat. Trotz Corona und Krieg wünscht sich eine Mehrheit eine Rückkehr zur Normalität und trägt auch das Risiko hoher Ausfallkosten mit.

Straßenfest 2022: Klassische Variante ist der Favorit

Die Sehnsucht, endlich wieder ausgelassen zu feiern, ist bei vielen Menschen nach über zwei Jahren Pandemie riesengroß. Archivfoto: A. Becher

Matthias Nothstein

Backnang. Heute ist es so weit. Die Backnanger Stadträte entscheiden in einer Gemeinderatssitzung im Bürgerhaus, ob das 50. Backnanger Straßenfest stattfinden soll und wenn ja in welcher Form. Zur Entscheidung stehen drei Varianten: ein Straßenfest in der klassischen Version, wie es in all den Jahren vor der Pandemie über die Bühne ging, eine Straßenfest-Light-Variante sowie eine Alternative in Form eines Festivals in der Innenstadt und einem Stadion.

Obwohl noch keine Entscheidung getroffen wurde, zeichnet sich bereits vor der Tagung der Stadträte eines eindeutig ab: Die Variante Straßenfest light fällt bei allen Fraktionen durch. Sie hätte zur Folge gehabt, dass einige Areale in der Innenstadt abgesperrt werden und nur Geimpfte, Genesene oder Getestete auf das Veranstaltungsgelände gedurft hätten. In diesem Zusammenhang sprachen einige Stadträte von „Käfighaltung“ und signalisierten unumstößliche Ablehnung, da dies mit dem Charakter des Backnanger Straßenfests nicht vereinbar sei.

Folglich scheint es so, dass bei der heutigen Abstimmung nur noch zwei Varianten im Rennen sind. Und es zeichnet sich ab, dass das Konzept des klassischen Straßenfests auf eine Mehrheit stößt. So erklärt etwa Grünen-Fraktionsvorsitzender Willy Härtner: „Wir sollten die klassische Version voller Überzeugung anpacken und den Menschen die Botschaft vermitteln: Das Straßenfest findet statt!“ Weder die Pandemie noch der Ukrainekrieg taugen für Härtner als Grund, das Fest abzusagen. Im Gegenteil: „Wir leben in einer furchtbaren Zeit. Und eben deshalb sollten wir den Menschen signalisieren, es gibt auch noch etwas anderes. Etliche leben am Rande einer Depression und alle wollen endlich wieder raus und endlich Licht am Ende des Tunnels sehen.“ Ähnlich sieht es Ute Ulfert. Die CDU-Fraktionschefin betont zwar, dass die Entscheidung erst heute Abend fällt, aber sie deutet an, dass ein klassisches Straßenfest seinen Charme hätte, „etwas Zerstreuung könnten wir alle brauchen“. Ulfert räumt ein, dass sie vor vier Wochen noch zuversichtlicher war, dass das Fest stattfinden kann. „Heute bin ich aus zweierlei Gründen zurückhaltender. Erstes gehen die Zahlen der Omikron-Variante immer noch nicht runter. Der zweite Grund ist der Ukrainekrieg. Ich weiß nicht, ob man da so unbekümmert ein Fest feiern kann.“

„Wenn Krieg als Grund für eine Absage taugt, dann dürfen wir nie mehr feiern“

Sehr eindeutig positioniert sich Charlotte Klinghoffer. Die Vorsitzende der BfB-Fraktion will ein klassisches Straßenfest und verkündet: „Wir haben Corona überstanden. Wenn der Gesetzgeber es nicht verbietet, soll das Fest wie früher stattfinden. Und alle, die sich wegen der Pandemie Sorgen machen, die brauchen ja nicht hinzugehen. Aber wir wollen jetzt endlich mal wieder leben, ohne Ängste und Zwänge.“ Auch der Ukrainekrieg ist für Klinghoffer und ihre Fraktion kein Grund, das Fest abzusagen. „Krieg gibt es immer irgendwo auf der Welt, das war in all den Jahren schon so. Wenn das als Grund für eine Absage taugt, dann dürfen wir nie mehr feiern.“

„Wir haben uns schwergetan, eine Entscheidung zu treffen“, räumt Lutz-Dietrich Schweizer ein. Aber schon vor dem Kriegsausbruch ging die Tendenz bei der Christlichen Initiative Backnang eher in Richtung „normales Straßenfest“. Auch auf das Risiko hin, dass die Stadt das Fest im schlimmsten Fall doch noch kurzfristig absagen muss. „Wir würden dieses Risiko auf uns nehmen.“ Seit dem Kriegsausbruch hat sich an der Tendenz zwar nichts geändert, aber Schweizer schlägt nun vor, parallel ein Friedensfest zu planen. Schließlich könnte es sein, dass es aufgrund einer wie auch immer gearteten Entwicklung nicht angebracht ist, das Straßenfest zu feiern. „Dann hätten wir wenigstens etwas anderes. Aber das müsste zu der Weltlage auch passen.“

Wie bereits bei Klinghoffer und Härtner spielt auch bei Schweizer Corona nicht die ausschlaggebende Rolle. „Wegen Corona sehen wir kein Risiko. Zwar wissen wir nicht, wie die Lage im Sommer ist, aber wir sind optimistisch. Wenn wir so vorsichtig sein wollen, dass es kein Risiko gibt, dann können wir gar nichts mehr machen. Wir müssen jetzt eine Entscheidung treffen.“ Auch Härtner bezieht Position, „wir können die Entscheidung nicht mehr verschieben, wir müssen jetzt hü oder hott sagen“. Auch der Grünen-Chef lässt Corona nicht als Absagegrund gelten: „Wenn in allen Fußballstadien so viele Menschen zusammen stehen, dann kann man auch das Straßenfest stattfinden lassen.“

Ansteckungsgefahr ist bei Omikron-Variante sehr groß

Für SPD-Fraktionschef Heinz Franke spielt hingegen Corona noch immer eine große Rolle. Die Konzentration vieler Menschen auf engstem Raum stellt für ihn ein enormes Risiko dar, zumal die Ansteckungsgefahr bei der Omikron-Variante sehr groß ist. Er fragt sich: „Was wäre wohl, wenn hinterher rauskommt, dass sich das Virus in unserem Raum stark verbreitet hat, weil Backnang ein Straßenfest der konventionellen Art gefeiert hat? Das wäre dann wohl keine so gute Botschaft.“ Franke erinnert an den „sehr erfolgreichen Kultursommer“ des vergangenen Jahres. Dieser ähnelt im Grundsatz der Alternativvariante „Modell Festival“. Franke: „Wenn wir den Kultursommer 2021 etwas aufmotzen, dann könnte daraus auch in diesem Sommer etwas Gutes werden.“ Die Vorteile wären laut Franke, dass die Standorte in der Innenstadt und im Stadion auseinandergezogen wären und das Infektionsrisiko so minimiert werden könnte. Franke: „Und im nächsten Jahr könnte dann das 50. Straßenfest gefeiert werden, dann aber so richtig, es sei denn, uns kommt dann die Covid-Variante sechs oder sieben in die Quere.“ Sollte die Festival-Variante jedoch im Gemeinderat keine Mehrheit erhalten, würde sich Franke für ein herkömmliches Straßenfest aussprechen, „die Light-Version schließe ich komplett aus“. Auch Franke drängt auf eine Entscheidung: „Es ist höchste Zeit. Wenn es nach uns gegangen wäre, hätten wir diese schon vor Wochen gefällt.“

Eine unmissverständliche Absage erteilte auch Klinghoffer der Light-Variante. „Das erinnert mich an Käfighaltung und ist ein Unding.“ Sollte jedoch die Festival-Variante zum Zug kommen, so dürfte auch diese keinesfalls „Straßenfest“ heißen. Klinghoffer: „Das darf nicht zu unserem Jubiläums-Straßenfest werden, sonst fühlen sich die Bürger veräppelt.“ Dies ist exakt auch die Auffassung von Ute Ulfert: „Das darf nicht unser neues Straßenfest-Format werden.“

Straßenfest klassisch oder light oder eine ganz andere Alternative

Varianten Das Kultur- und Sportamt hat drei Szenarien erarbeitet, wie das Straßenfest beziehungsweise eine Alternativveranstaltung umsetzbar wäre.

Straßenfest klassisch Die Planung geht davon aus, dass es keine pandemiebedingten Einschränkungen gibt. Die Kosten würden sich auf 316000 Euro belaufen, die Einnahmen etwa auf 181500 Euro. Bei einer Absage bis acht Wochen vor der Veranstaltung belaufen sich die Ausfallkosten auf 63200 Euro, bei einer Absage später als zwei Wochen vor dem Fest gar auf knapp 190000 Euro.

Straßenfest light Die Planung sieht abgezäunte 3-G-/2-G-Areale vor, da eine Absperrung mit Zugangskontrollen in der gesamten Innenstadt aus rechtlichen Gründen nicht möglich ist. Die Liste der Nachteile ist lang. So besteht etwa ein hoher personeller und infrastruktureller Mehraufwand für Einlasskontrollen. Zudem sind Schlangenbildungen beim Anstehen für den Zugang in die Areale unvermeidbar. Auch der Charme und Charakter des Backnanger Straßenfests als verbindendes Element geht verloren. Das finanzielle Risiko ist zudem noch höher. So würde die Absage acht Wochen vor dem Fest schon 71000 Euro kosten, die kurzfristige (zwei Wochen) sogar 212400 Euro.

Festival-Alternative Da es auch im Juni noch gewisse Zugangsbeschränkungen geben könnte und ein Straßenfest mit abgezäunten Arealen nicht dem gleichkommt, was sich viele Besucher gerade von einem Jubiläums-Straßenfest erhoffen, schlägt die Verwaltung ein Alternativmodell vor. Das 50. Straßenfest würde demnach erst nächstes Jahr stattfinden. In diesem Jahr würde hingegen ein Backnanger Open-Air-Festival-Sommer sowohl in der Innenstadt als auch in einem Stadion an verschiedenen Tagen angeboten werden. Standorte könnten nicht nur die Bühne auf dem Marktplatz sein, die für das classic-ope(r)n-air-Wochenende ohnehin gebraucht wird, sondern auch der Willy-Brandt-Platz, das Technik-Forum, der Stiftshof oder das Jugendzentrum. Ob zudem das Etzwiesenstadion oder das Karl-Euerle-Stadion genutzt werden soll oder kann, steht noch zur Diskussion. Die Ausfallkosten fallen bei der Festival-Alternative am geringsten aus, nämlich 58200 Euro beziehungsweise 174600 Euro.