Stumme Zeugen der Vergangenheit

Manfred Tegenkamp und seine Frau Angelika Szöke haben über 400 Kleindenkmale in Althütte erfasst und dokumentiert. Sein Wissen um Grenzsteine und Brunnen hat er in Vorträgen und bei Wanderungen weitergegeben. Dafür erhielt er jetzt den Kulturlandschaftspreis 2020.

Stumme Zeugen der Vergangenheit

Angelika Szöke und ihr Mann Manfred Tegenkamp, hier beim Wassertretbecken beim Spielplatz Steinbachtal in Althütte. Foto: J. Fiedler

Von Annette Hohnerlein

ALTHÜTTE. Die großen, bedeutenden Denkmale haben ihre Lobby. Sie werden touristisch vermarktet und sind meist gut in Schuss. Anders sieht es bei den Kleindenkmalen aus, den alten Brunnen, Grenzsteinen, Haussteinen oder Backhäusern. Sie führen oft ein Schattendasein, obwohl auch sie Bestandteil unserer Kulturlandschaft sind und oft einiges über das Leben unserer Vorfahren erzählen können.

Angelika Szöke las 2008 in einem Zeitungsartikel einen Aufruf des Landesdenkmalamtes, in dem freiwillige Helfer zur Erfassung von Kleindenkmalen gesucht wurden. „Das wäre doch was für uns“, sagte sie zu ihrem Mann Manfred Tegenkamp, der sich – nach anfänglichem Zögern – auf die Sache einließ. „Ein Hintergrund war sicherlich, dass wir dadurch die nähere Heimat etwas besser kennenlernen können. Wir waren zum damaligen Zeitpunkt seit neun Jahren Reing’schmeckte aus Paderborn“, erläutert Tegenkamp in seinem Bewerbungsschreiben.

Leider blieben die beiden bei ihrem Projekt allein, weitere Mitstreiter meldeten sich auch nach einen Aufruf im Gemeindeblatt von Althütte nicht. Aber sie erhielten Unterstützung von Bürgermeister Reinhold Sczuka, der ihnen Flurkarten zur Verfügung stellte, auf denen die Gemeindegrenze verzeichnet ist. „Die laufen wir jetzt ab, um alle Grenzsteine zu finden“, nahmen sich Szöke und Tegenkamp vor, als ihnen klar wurde, dass die Mehrzahl der örtlichen Kleindenkmale zu dieser Kategorie gehört. Von April bis September 2010 waren sie an vielen Samstagen im Gelände unterwegs, um möglichst alle Steine zu finden, die auf der äußeren Gemeindegrenze und auf der Grenzlinie zwischen den ehemals selbstständigen Gemeinden Sechselberg und Althütte stehen.

Das Hirschgeweih auf dem Stein deutet auf das Herzogtum Württemberg hin

Ein besonders schönes Exemplar von 1727 steht beim Wassertretbecken am Spielplatz Steinbachtal. „Das Hirschgeweih auf dem Stein deutet darauf hin, dass es sich nicht um einen Privatwald, sondern um einen Besitz des Herzogtums Württemberg handelt“, erläutert Angelika Szöke. Ihr Mann ergänzt: „Die Rille auf der Oberseite, die sogenannte Weisung, zeigt den Verlauf der Grenze an. In der Regel stehen Grenzsteine immer dort, wo die Grenzlinie eine Biegung macht.“ In früheren Jahrhunderten sei es immer wieder vorgekommen, dass jemand einen Grenzstein um ein Stück versetzte, um etwa einen großen Baum oder ein Stück Acker dem eigenen Land zuzuschlagen. Denn die Bauern in der Gegend waren arm, von der Grundstücksgröße hing die Existenz ihrer Familie ab. Die Grenzsteinverrücker wurden als Verbrecher bestraft. Szöke erzählt von einer Sage, nach der diese Übeltäter nach ihrem Tod keine Ruhe fanden, sondern den verschobenen Stein für immer und ewig auf ihrem Rücken schleppen mussten.

Auf 344 solcher Grenzsteine stieß das Ehepaar auf seinen Wanderungen. Außerdem fanden die beiden 33 Haussteine oder -inschriften, 25 Brunnen und Quelleinfassungen, neun Backhäuser und 21 weitere Kleindenkmale wie historische Kilometersteine oder Verkehrsschilder. Eines der ältesten Fundstücke ist ein Hausstein aus dem Jahr 1678. „Toll, dass man aus dieser Zeit noch etwas findet“, freut sich Angelika Szöke. „Es ist beeindruckend, wie viel Arbeit sich die Leute gemacht haben.“

Im Zuge ihrer Recherchen erfuhren die Eheleute von einem tragischen Unfall, der sich im Jahr 1880 beim Forsthaus Schöllhütte ereignet hat. Dort kamen drei junge Männer ums Leben, die bei Reparaturarbeiten in einem Brunnen Sumpfgas eingeatmet hatten und erstickten. Manche Denkmale bleiben rätselhaft, wie die Schnitzarbeit an einer alten Scheune im Voggenhof. Sie zeigt ein Herz mit der Jahreszahl 1790, darauf ein Reichsapfel. Alte Inschriften entdeckten die beiden Heimatforscher zum Beispiel am Gasthof Lamm in Waldenweiler, die Zeichnung einer Krone fanden sie im Vorraum der Gaststätte „Schöne Aussicht“ in Lutzenberg.

Wenn Tegenkamp und Szöke ein solches historisches Kleinod entdeckt hatten, wurde dieses fotografiert und vermessen, die geografische Position per GPS bestimmt und der Zustand beschrieben. Alle diese Daten trug Manfred Tegenkamp in Erfassungsbögen ein. Die komplette Dokumentation mit über 1000 Fotos wurde im Oktober 2010 an den Koordinator des Projekts beim Landratsamt übergeben. Eine Ausfertigung erhielt auch die Gemeinde Althütte für ihr Archiv, sodass sich interessierte Bürger jederzeit dort informieren können.

Bei mehreren Wanderungen informierte Tegenkamp über die kleinen Schätze

Manfred Tegenkamp wollte aber auch dafür sorgen, dass das Thema mit dem Abschluss seiner Forschungen nicht wieder in der Versenkung verschwindet. Um die Öffentlichkeit für Kleindenkmale in ihrer näheren Umgebung zu sensibilisieren, hielt er Vorträge an der Volkshochschule Backnang, beim Schwäbischen Albverein, beim Heimatkulturverein Althütte und beim Seniorennachmittag der evangelischen Kirchengemeinde Althütte. Außerdem berichtete er in der Schriftenreihe „Geschichte und Geschichten aus unserer Heimat Weissacher Tal“ über seine Arbeit. Bei mehreren Wanderungen öffnete er den Teilnehmern die Augen für die Schätze in ihrer näheren Umgebung.

Für seine Arbeit erhielt Manfred Tegenkamp den mit 500 Euro dotierten Kulturlandschaftspreis 2020 in der Kategorie Kleindenkmale, der jährlich vom Schwäbischen Heimatbund und dem Sparkassenverband Baden-Württemberg verliehen wird. 2020 konnte keine Preisverleihung stattfinden, daher wurde sie kürzlich in kleinem Rahmen in der Kreissparkasse Waiblingen nachgeholt.

Geführte Wanderung

Tags des Schwäbischen Waldes Am Sonntag, 19. September, findet die nächste Wanderung mit Manfred Tegenkamp zu den Althütter Kleindenkmalen statt, im Rahmen des „Tags des Schwäbischen Waldes“.