Einem Ärzteteam der Stellenbosch University in Südafrika gelingt eine extrem komplizierte Operation: Sie transplantieren einem 21-Jährigen erfolgreich den Penis eines Verstorbenen. Der Patient sei wohlauf und „das Organ voll funktionstüchtig“. Am 14. März 2015 wird der OP-Erfolg publik gemacht.
Anatomisches Modell des männlichen Geschlechtsorgans.
Von Markus Brauer/AFP/dpa
Südafrika scheint ein erfolgreiches Pflaster für Weltklasse-Chirurgie zu sein. Am 3. Dezember 1967 führt ein südafrikanisches Transplantationsteam unter der Leitung von Christiaan Barnard (1922-2001) die weltweit erste Herztransplantation bei einem Menschen am Groote Schuur Hospital in Kapstadt durch. Der Patient Louis Washkansky überlebt die Operation 18 Tage.
Dezember 2014: Medizinischer Durchbruch in der Urologie
47 Jahre später gelingt Ärzten aus dem Staat am Kap der Guten Hoffnung erneut ein medizinischer Durchbruch – in der Urologie. Im Dezember 2014 nehmen sie die erste langfristig erfolgreiche Penis-Transplantation der Welt an einem 21-Jährigen in Kapstadt vor.
14. März 2015: OP-Erfolg wird publik gemacht
Der Patient sei nach der neunstündigen OP wohlauf und das Organ voll funktionsfähig, erklären die Mediziner bei der Vorstellung der Premiere am 14. März 2015. „Wir haben bewiesen, dass es möglich ist. Wir können jemandem ein Organ geben, das genauso gut ist wie das, was er hatte“, erklärt der Chirurg Frank Graewe von der Universität Stellenbosch.
Bereits im Jahr 2006 hatten Ärzte in China eine Penis-Transplantation vollzogen. Chirurgisch war der Eingriff ein Erfolg. Doch mussten die Mediziner dem Mann das Organ nach zwei Wochen wegen „schwerer psychologischer Probleme des Patienten und seiner Frau“ wieder abnehmen.
„Diese Operation ist ein weiteres großartiges Beispiel dafür, wie medizinische Forschung, technisches Know-How und patientenorientierte Pflege zusammenspielen können, um das menschliche Leid zu lindern“, erklärt der Chef der Urologie der Universität Stellenbosch, André van der Merwe. „Sie demonstriert, was durch die effektive Partnerschaft von akademischen Institutionen und staatlichen Gesundheitsbehörden erreicht werden kann.“
Verpfuschte rituelle Beschneidung
Dem Patienten war drei Jahren zuvor nach einer Infektion infolge einer schlecht ausgeführten rituellen Beschneidung der Penis amputiert worden. In einer neunstündigen Operation am Tygerberg-Krankenhaus in Kapstadt erhielt er das Organ eines verstorbenen Spenders.
Immer wieder kommt es bei den in Südafrika verbreiteten Initiationsriten zu Infektionen bis hin zum Verlust des Organs. Einem Untersuchungsbericht zufolge starben zwischen 2008 und 2013 insgesamt 486 Jungen und junge Männer an den Folgen von Komplikationen bei den rituellen Verstümmelungen.
Bei den rituellen Eingriffen, die auf dem Land oft ohne Ärzte durchgeführt werden, wird die Vorhaut beschnitten und der Penis dann mit sehr eng sitzenden Bandagen abgebunden. Dadurch kann die Blutzufuhr unterbrochen werden. „Manche verlieren daher den ganzen Penis“, erläutert van der Merwe. Das Ziel sei es gewesen, dem Patienten das normale Urinieren und Geschlechtsverkehr wieder zu ermöglichen, so der Urologe.
Juni 2015: Mit Spenderorgan ein Kind gezeugt
Im Juni 2015 wird eine weitere Nachricht bekannt: Der Südafrikaner hat mit dem transplantierten Spenderorgan ein Kind gezeugt. Die Freundin des inzwischen 22-jährigen Patienten sei im vierten Monat schwanger, berichtet André van der Merwe. Die Schwangerschaft zeige den langfristigen Erfolg des Eingriffs vom Dezember 2014.
Der Patient berichtete ihm demnach von der Schwangerschaft. Er habe die Partnerin aber nicht selbst gesehen oder untersucht, fügt van der Merwe hinzu. Das Geschlecht des Babys wisse er auch nicht. Die Hoden des Mannes hatten die Beschneidung unversehrt überstanden.
Ein äußerst komplexer Eingriff
Eine Penis-Transplantation ist besonders hinsichtlich Durchblutung und Nervenversorgung ein äußerst komplexer Eingriff. Die Gefäße, die dabei genäht werden müssen, sind sehr klein und fein und die Fäden sind deutlich dünner als ein Haar. Die Ärzte müssen die Strukturen präparieren und dann mikro-chirurgisch wieder vereinen, so dass sie wieder funktionsfähig sind.
Aus medizinischer Sicht ist eine solche Operation, auch wenn sie erfolgreich ist, umstritten. Es besteht immer die Möglichkeit einer Abstoßungsreaktion. Die Patienten müssten ein Leben lang immunsuppressive Medikamente nehmen, die das Risiko einer Krebserkrankung erhöhten.
Mai 2016: Penis und Hodensack werden in den USA transplantiert
Im Mai 2016 transplantieren Chirurgen der Klinik an der Johns Hopkins Universität in Baltimore einen neuen Penis mitsamt Hodensack. Die 14-stündige Operation sei an einem US-Soldaten ausgeführt worden, der in Afghanistan verletzt worden war, teilt das Ärzte-Team mit. Die Transplantation solle auch den „Sexualfunktionen des jungen Mannes fast zum Normalzustand zurückverhelfen“, erklärt der Direktor für plastische Chirurgie, W.P. Andrew Lee.
Der Soldat bittet um Anonymität, gibt aber eine kurze schriftliche Erklärung ab. „Eine solche Verletzung ist irrsinnig, es ist nicht leicht, sie zu akzeptieren“, erklärte er. „Als ich aufgewacht bin, habe ich mich endlich wieder normal gefühlt.“
April 2017: Zweite erfolgreiche Transplantation in Südafrika
Am 21. April 2017 führt ein Operationsteam der Stellenbosch University und des Tygerberg Academic Hospital unter Leitung von André van der Merwe eine zweite Penis-Transplantation durch. In einem neuneinhalbstündigen Eingriff transplantieren die Ärzte erfolgreich einen Penis auf einen 40-jährigen Mann, der 17 Jahre zuvor seinen Penis verloren hatte – ebenfalls in einer verpfuschten traditionellen Beschneidung.
Die Stellenbosch University ist damit das einzige medizinische Zentrum der Welt, das zwei Penis-Transplantationen erfolgreich abgeschlossen hat.