Es ist, wie die Verantwortlichen sagen, „der große Wurf“: Am 1. April kommt der neue VVS-Tarif. Das Verbundfahren wird dann für viele Fahrgäste um bis zu 30 Prozent billiger. Grundlage dafür ist eine Neueinteilung der Tarifzonen, bei der aus ehemals 52 einzelnen Zonen und Sektoren fünf Ringe werden. Für den Rems-Murr-Kreis bedeutet das künftig: vier statt elf Zonen.
Auf den meisten Strecken sinken dank der Tarifzonenreform die Ticketpreise – zum Beispiel für die Fahrt von Backnang zum Flughafen um 2,40 Euro.
Von Armin Fechter
BACKNANG. Einfacher und übersichtlicher sollte das ganze System werden, das war ein Hauptziel der Reform, die etwa Landrat Richard Sigel als historisch bezeichnet. Immerhin hat es in der über 40-jährigen Geschichte des Verkehrs- und Tarifverbunds Stuttgart (VVS) keine andere Umstellung in dieser Größenordnung gegeben. Die Strategen haben dabei an mehreren Schrauben gedreht:
In Stuttgart werden die beiden Zonen 10 und 20 zur neuen Zone 1 zusammengelegt, die das gesamte Stadtgebiet umfasst. Davon profitieren alle, die innerhalb von Stuttgart unterwegs sind oder aber von außen in die Landeshauptstadt hineinfahren. Ferner fallen die Sektorengrenzen in den einzelnen Ringen weg, und die beiden Außenringe 60 und 70 werden zur neuen Zone 5 vereinigt. Letzteres nutzt insbesondere Fahrgästen vom Rand des VVS-Gebiets, also beispielsweise aus Großerlach und Murrhardt.
Die neue Einteilung hat zur Folge, dass die Zahl der Zonen im Rems-Murr-Kreis von elf auf nur noch vier sinkt. Backnang, das derzeit auf der Grenze der Zonen 53/54 liegt, gehört künftig in die Ringzone 4. Damit wird das Verbundfahren für viele Fahrgäste günstiger, weil sie für weniger Zonen zahlen müssen.
„Den neuen VVS-Tarif kann man auf einen einfachen Nenner bringen: einfach, günstig und umweltfreundlich“, erklärt VVS-Geschäftsführer Horst Stammler. „Wir versprechen uns davon, dass noch mehr Menschen den VVS nutzen und so der Autoverkehr in der Region spürbar zurückgeht. Die Preise werden für viele Fahrgäste um 25 bis 30 Prozent günstiger. Manche Stammkunden sparen sogar mehr als 200 Euro im Jahr.“
Spürbare Ersparnisse nicht nur für Fahrgäste, die nach Stuttgart wollen
Von Backnang aus braucht man für die Fahrt nach Stuttgart künftig kein Ticket über fünf Zonen mehr, das 6,50 Euro kostet, es reichen vielmehr vier Zonen für 5,30 Euro. Das ist, wie der VVS vorrechnet, eine Ersparnis von 18 Prozent. Wer von Backnang nach Schorndorf fahren möchte, braucht sogar nur noch ein 3-Zonen-Ticket statt ein 5-Zonen-Ticket. Weil die Sektorengrenzen wegfallen, sinkt der Preis für eine Fahrt von 6,50 auf 4,20 Euro (35 Prozent). Fahrgäste aus der ehemaligen 70er-Zone – Großerlach, Murrhardt, Welzheim – profitieren von der Zusammenlegung der Zonen 60 und 70 zur neuen Ringzone 5. Wer beispielsweise von Großerlach zum Flughafen will, befährt künftig nur noch fünf statt acht Zonen und spart 24 Prozent, weil das Ticket nur noch 6,50 statt der bisherigen 8,60 Euro kostet.
Spürbare Ersparnisse gibt es auch für Inhaber von Jahrestickets. Für die Strecke Großerlach–Waiblingen sind bisher im Monat 139,17 Euro fällig, künftig sind es 119,17 Euro, also 20 Euro weniger. Und bei der Strecke Murrhardt–Stuttgart ergibt sich sogar eine Ersparnis von 45 Euro im Monat – der Preis sinkt von 184,17 auf 139,17 Euro.
Aber nicht für alle Strecken ergibt sich mit der Reform eine unmittelbare Ersparnis. Wer beispielsweise von Backnang nach Waiblingen fährt, zahlt weiterhin die gewohnten 4,20 Euro. Aber: Es ergibt sich zumindest kein Nachteil. Das war aber auch eine politische Maßgabe im Vorfeld: Niemand sollte durch die Reform schlechter gestellt werden. „Fahrgäste, die keinen unmittelbaren Preisvorteil haben, profitieren aber auf jeden Fall davon, dass sie zum gleichen Preis weiter fahren können als früher“, sagt Stammler, „außerdem profitieren alle davon, dass es 2019 keine Tariferhöhung gibt.“ Auch das ein Novum in der über 40-jährigen Verbundgeschichte.
Backnangs Oberbürgermeister Frank Nopper freut sich über die Neuerungen: „Die VVS-Tarifreform lichtet den Tarifdschungel und lässt viele Tarifzonen entfallen – der öffentliche Nahverkehr wird einfacher und preisgünstiger. Und für die Stuttgartpendler wird der Backnanger Bahnhof attraktiver.“ Auch Christoph Jäger urteilt: „Die Tarifzonenreform ist tatsächlich eine Reform, nicht nur ein Reförmchen.“ Der Großerlacher Bürgermeister hat im Kreistag immer wieder gefordert, dass von der Reform auch die Menschen in den Verbundlandkreisen und in den äußeren Ringen des Verbundgebiets profitieren sollen und nicht nur Stuttgarter. Jäger: „Und das ist eingetreten.“ Nicht zu unterschätzen sei die gelungene Vereinfachung. „Ich kann mir durchaus vorstellen, dass diese neue Übersichtlichkeit dem ein oder anderen Nutzer den Einstieg wirklich leichter macht“, erklärt Jäger.
Die Kosten der Tarifzonenreform sind enorm. Sie betragen mehr als 42 Millionen Euro pro Jahr und werden von der öffentlichen Hand getragen. Diese Kosten entstehen, weil viele Fahrgäste künftig weniger Zonen befahren und einen geringeren Fahrpreis entrichten müssen. Für die Verkehrsunternehmen entstehen damit Mindereinnahmen, die ausgeglichen werden müssen. Die Finanzierung wird aufgeteilt. Einen dicken Brocken übernimmt das Land: Das Verkehrsministerium hat zugesagt, die Tarifreform aus Gründen der Luftreinhaltung über einen Zeitraum von sechs Jahren mit insgesamt 42 Millionen zu unterstützen. Die Landeshauptstadt und die vier Verbundlandkreise Esslingen, Ludwigsburg, Böblingen und der Rems-Murr-Kreis haben vereinbart, die verbleibenden Kosten unter sich aufzuteilen, und zwar im Verhältnis von 45 Prozent für Stuttgart und 55 Prozent für die Verbundlandkreise. Unter den Verbundlandkreisen gehen die Anteile wiederum nach der Einwohnerzahl. Auf den Rems-Murr-Kreis entfallen danach etwa vier Millionen Euro pro Jahr.
Die rund 900 Fahrkartenautomaten im VVS-Gebiet werden in der Nacht vom 31. März auf 1. April umgestellt. Das funktioniert wie bei einem Update am heimischen PC: Die alten Daten werden deinstalliert und die neuen aufgespielt – gerade so wie beim ganz gewöhnlichen Tarifwechsel, der sonst immer zum 1. Januar vorgenommen wird.