„Tradition, die einfach Spaß macht“

Der dreiwöchige Rummel ist in vollem Gange: Vier Schläge beim Fassanstich läuten das Spektakel ein. Laut dem Veranstalter strömen mehr als 250 000 Besucher am Osterwochenende auf das Frühlingsfest.

Von Petra Mostbacher-Dix

Stuttgart - Vier Schläge bei bestem Sonnenschein – die Party steigt. Drei Schläge mehr als im vergangenen Jahr brauchte Finanzbürgermeister Thomas Fuhrmannn, um den Zapfhahn durch die Wand des Bierfasses zu treiben. So sticht er die erste Tonne des 85. Stuttgarter Frühlingsfests im Wasenwirt-Festzelt an. Vor dem reihen sich um 11.30 Uhr schon Schlangen jungen Publikums in mehr oder weniger bayerischer Tracht.

Um eine Person ohne Lederhosen und Dirndl zu finden, muss man schon ganz genau suchen, das ist auch Moderator Jens Zimmermann aufgefallen, der nur lobende Worte dafür findet: „Das zeigt, dass wir uns hier auf Europas größtem Schaustellerfest befinden.“ Über 8000 Menschen arbeiten auf dem und rund ums Frühlingsfest, im vergangenen Jahr haben rund 1,4 Millionen Menschen das Frühlingsfest besucht. Das erhofft man sich dieses Jahr noch zu toppen. Der wichtigste Faktor, das Wetter, sieht zumindest bis zur Mitte der kommenden Woche vielversprechend aus.

Die Eröffnungsansprache hält Finanzbürgermeister Fuhrmann wie vorab fest versprochen kurz und knackig: „Habt viel Vergnügen, habt viel Spaß und Prost!“, lässt er verlauten und nimmt einen großen Schluck Bier.

Auf dem Festgelände beginnt das große Rummel-Vergnügen: „Hau drauf, Hubby!“ Fünf Mitzwanziger in Lederhosen und Trachtenwesten feuern einen der ihren an. Der schwingt den Hammer auf einen „Hau den Lukas“ – das Gewicht schießt bis zur Hälfte der Skala, fast zum Wort „Playboy“. Die Lacher sind ihm gewiss. Die Truppe zieht weiter über das 85. Stuttgarter Frühlingsfest. Obschon es am Sonntagnachmittag windet, frischer wird und nieselt, füllt sich der Wasen. Je näher der Abend rückt, umso mehr Dirndl-Mädels und Janker-Burschen bilden Schlangen vor den Bierzelten.

Am Nachmittag? Sonnenstrahlen! Vor allem Familien mit Babys, Kindern und Teenagern erkundeten Fahrgeschäfte, Leckereienbuden und Marktstände. „Mit Polizeiauto und Pferd, Märchen und Eisenbahn“, beschrieb da der „fast sechs Jahre“ alte Marco – mit Opa und Oma und Schwester Laura aus dem Remstal hergefahren – seine Lieblingskinderkarusselle. Wegen ihrer Kleinen kam auch eine Stuttgarter Familie am Ostersonntag. „Sonst hätten wir keine Zeit mehr gefunden“, so die Mutter. Ihre Tochter zeigte glücklich einen Plüschelefanten, den sie bei einem der Greiferspiele ergattern konnte. Mit Papa sei sie Wilde Maus gefahren.

Eine Familienachterbahn, die mögen auch Marc und Karim. „Und Alpen Coaster und Euro-Coaster“, schwärmen die Sechstklässler. Überkopffahrten? Da locken etwa das Looping-Karussell „Infinity“, der „Transformer“, der einen um mehrere Achsen wirbelt, oder der Riesenpropeller V-Maxx. „Ach ne, lieber Wildwasserbahn, Musikexpress oder Polyp“, meint Marc. Karim ergänzt: „Nochmals Büchsenwerfen, Kegeln, Torwand, Boxautos.“ Bei Autoskootern ist was los. Flaneure stauen sich am Fortress Tower, dem 80 Meter hohen Freifallturm. „May I have your attention“ sagt eine weibliche Stimme, den Countdown startend. „Ten, nine, eight ...“ Wie kommen die, die dort oben noch lustig mit den Beinen baumeln, unten an? Kreischend und lachend! „Geil“, ruft jemand beim Aussteigen. Ein Frauenquartett aus Schwetzingen und Waiblingen – von der Oma bis zur Enkeltochter – empfiehlt die Klassiker, den Cannstatter Wellenflug und das Riesenrad. Ein Trio aus Backnang indes die Geister Villa und das Haunted Mansion. „In der Mansion spielen echte Menschen mit!“ Wie Raphael Käfer, er gibt den Horrorclown in der Geisterbahn. „Sonst habe ich einen Schreibtischjob, das ist mein Hobby“, lacht er, bleckt verwesende Zähne. „Maske? Mache ich selbst.“

Weniger gruselig geht es im Bierkarussell zu. Dort goutieren Steffen, Andrea, Gaby und Peter aus Nagold ihre Kaltschalen, während sich ein Teil der Verwandtschaft noch auf dem Gelände tummelt, bevor alle das Festzelt ruft. Sie sind sich einig: „Das Frühlingsfest ist Tradition, die einfach Spaß macht.“ Apropos Bierkarussell, das dreht sich sanft im „Albdorf“, wo Kulinarisches aus dem Ländle offeriert wird, zudem Kunst, Live-Musik und Lebenshilfe. So steht „Komme als Fragender und gehe als wissender Freund“ auf dem Wagen von Madame Odessa alias Renee Traber. Sie stammt aus der berühmten Artisten- und Schaustellerfamilie, liest aus Händen und Karten. „Das Stuttgarter Frühlingsfest ist mein Saisonauftakt, der Schluss der Hamburger Weihnachtsmarkt.“ Viele Stammkunden habe sie, zunehmend kämen junge Menschen. „Meistens wegen der Liebe. Mir ist es wichtig, den Menschen Hoffnung mitzugeben.“ Kaum später erklingt live in der Albdorf-Lounge „Those were the days, my friend, we thought they’d never end“. Auch in den Bierzelten ist das Partyende längst nicht in Sicht.

Die Veranstaltungsgesellschaft in.Stuttgart ist zufrieden mit dem ersten langen Frühlingsfest-Wochenende: „Mehr als 250 000 Menschen kamen an den ersten drei Festtagen auf den Cannstatter Wasen“, so deren Geschäftsführer Andreas Kroll – und das trotz der zwischenzeitlichen Regenschauer am Ostersonntag.