Kabinett - Die Regierung schnürt nach zähem Ringen ein großes Migrationspaket – doch in der Union rumort es. Denn die Hürden für den sogenannten Ausreisegewahrsam bleiben hoch.
Berlin. Für den Innenminister ist der Kabinettsbeschluss vom Mittwoch der Beweis, dass die Regierung „total handlungsfähig“ ist. Es gebe, so Horst Seehofer (CSU), mit Blick auf die Gerüchte über ein nahendes Koalitionsende und ein mögliches Jamaika-Bündnis, „keine denkbare Konstellation, in der wir als unionsgeführtes Innenministerium mehr erreichen könnten“.
Tatsächlich gehört das aus drei Teilen bestehende Gesetzespaket zur Migration, das auf den Weg gebracht worden ist, zu den zentralen Vorhaben der Koalition. Gerade Seehofers „Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“ kommt doppelte Bedeutung zu, da die Unionsfraktion dessen Billigung im Kabinett zur Voraussetzung dafür gemacht hatte, dass auch das Einwanderungsgesetz im Bundestag behandelt wird. Der Weg dafür ist nun frei, es soll vor dem Sommer verabschiedet werden.
Inhaltlich ist das Abschiebegesetz für CDU und CSU, die sich intern auf einen härteren Kurs verständigt haben, zentral, während die SPD in Gestalt ihres innenpolitisches Sprechers Burkhard Lischka die strenge Umsetzung bestehender Vorschriften „wichtiger als neue gesetzliche Regelungen“ findet. Das erklärt den Unmut in der Union, der dem eigenen Minister entgegenschlägt, da einige Punkte früherer Fassungen nicht mehr enthalten sind. So hat Justizministerin Katarina Barley (SPD) Seehofer von manchen rechtsstaatlichen Bedenken überzeugt. Nun ärgern sich die Innenpolitiker in der Union, dass die Hürden für den Ausreisegewahrsam relativ hoch bleiben und die neue „Duldung für Personen mit ungeklärter Identität“ wieder in einen festeren Aufenthaltstitel zurückverwandelt wird, wenn Flüchtlinge doch noch bei der Identitätsfeststellung mitwirken.
Dass Flüchtlingsräten keine ursprünglich von Seehofer angestrebte Strafe mehr droht, wenn sie Abschiebetermine an Betroffene verraten, ist den Christdemokraten ebenso ein Dorn im Auge wie der Verzicht auf neue polizeiliche Befugnisse für das Betreten der Wohnung von ausreisepflichtigen Personen.
Letzteres rechtfertigt der Bundesinnenminister damit, dass ein solcher Eingriff in die Länderkompetenzen zu einer Zustimmungspflicht im Bundesrat geführt hätte, was sein Ministerium angesichts einer grünen Sperrminorität in der Länderkammer vermeiden wollte. Wie überhaupt Seehofer Kritik beiseitewischt, da sein Gesetz „ein Vielfaches“ mehr an Abschiebungen erreiche als der Ist-Zustand.
So muss künftig mit Sanktionen rechnen, wer nicht bei der Klärung seiner Identität mitwirkt – diese Personen dürfen keine Arbeit aufnehmen, ihren Wohnsitz nicht verlassen und müssen mit 5000 Euro Bußgeld rechnen. Sie können in Mitwirkungshaft genommen werden, damit sie Behördentermine nicht absichtlich versäumen. Um ein Untertauchen vor der Abschiebung zu verhindern, werden die rechtlichen Hürden für die Sicherungshaft gesenkt. Bisher gibt es bei rund 240 000 vollziehbar ausreisepflichtigen Personen in Deutschland nur rund 480 Abschiebehaftplätze – diese Zahl soll auf rund 1000 verdoppelt werden, durch Neubauten in den Ländern, aber auch durch die vorübergehende Aussetzung des Trennungsgebots, das die Unterbringung von Strafgefangenen und Abschiebehäftlingen im selben Gebäude untersagt. Die Schwelle für die Abschiebung von straffällig gewordenen Asylbewerbern wird gesenkt. Voraussetzung ist nicht mehr ein Jahr, sondern nur noch ein halbes Jahr Freiheitsstrafe.
Die Leistungen für Asylbewerber werden auch angepasst. Wer schon in einem anderen EU-Land einen Schutzstatus erhalten oder beantragt hat, soll in Deutschland nur noch bei der Rückkehr dorthin unterstützt werden oder ein reduziertes Taschengeld erhalten. Während die Union die Novelle des Asylbewerberleistungsgesetzes von SPD-Mann Hubertus Heil positiv sieht, gilt für ein zweites Vorhaben zur beruflichen Integration das Gegenteil. Dass auch abgelehnte Asylbewerber nach neun Monaten noch berufsbezogene Sprachkurse erhalten sollen, findet man in der Union „höchst problematisch“. Im parlamentarischen Verfahren sollen Änderungen erfolgen – ebenso wie beim Rückführungsgesetz, „wo wir uns mehr gewünscht haben“, wie es in der Union heißt.