Die Handelspolitik der USA schürt Verunsicherung an den internationalen Finanzmärkten. Sollten Anleger Aktien und ETFs jetzt verkaufen? Oder auf ein Schnäppchen setzen? Droht gar eine neue Finanzkrise? Börsenexperten geben Auskunft.
Sorgenvoller Blick: Ein Aktienhändler beobachtet am Montag an der Frankfurter Börse, wie der Dax nach unten rauscht.
Von Daniel Gräfe
Die US-Zölle auf Importe aus der ganzen Welt und die Angst vor Gegenmaßnahmen und einem Handelskrieg haben die Börsen weltweit auf Talfahrt geschickt. Bleibt es bei den Zöllen und reagieren die wichtigsten Handelspartner mit Gegenzöllen, wird das nach Ansicht der meisten Experten die Weltkonjunktur abwürgen. Anleger sind verunsichert: Was sollen sie mit ihrem Depot machen? Wie sicher sind ihre Anlagen noch? Ist eine Änderung in Sicht? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wie sieht es aktuell an der deutschen Börse aus?
Der deutsche Leitindex Dax stürzte am Montag in den ersten Handelsminuten um rund zehn Prozent ab, stabilisierte sich dann aber bis zum Nachmittag schnell bei einem Minus von rund fünf Prozent. In der vergangenen Woche hatte der Dax mit mehr als acht Prozent den größten Verlust in einer Handelswoche seit Frühjahr 2022 eingefahren, als russische Truppen in die Ukraine einmarschierten.
Wie ist die Entwicklung an anderen Börsen?
Auch die Börsen in Japan und China verzeichneten hohe Kursverluste. In den USA eröffnete die Wall Street am Nachmittag (MEZ) mit Kursverlusten. Der weltweite Dow Jones Industrial startete mit gut minus drei Prozent in den Handel. Der amerikanische Aktienmarkt hatte am vergangenen Donnerstag den größten Wertverlust seit der Coronapandemie eingefahren.
Was belastet die Kurse?
Vor allem die hohen, weltweiten Zölle, die US-Präsident Donald Trump jüngst angekündigt hat. Sie belasten die Weltwirtschaft wie auch das Wachstum in den USA selbst, die nach Meinung vieler Ökonomen in eine Inflation und Rezession rutschen könnten. Zudem hat China drastische Gegenzölle angekündigt, auch die EU erwägt eigene Strafzölle. Ein Handelskrieg könnte aber zu einer weltweiten Wirtschaftskrise führen.
Wie weit könnten die Kurse noch fallen?
„Das hängt von den Launen des Weißen Hauses ab“, sagt Berndt Fernow, Aktienstratege der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Von den möglichen Szenarien sei bisher immer der schlimmste Fall eingetreten. Fernow glaubt nicht, „dass dieser Montag schon der Tiefpunkt war. Wir treten in eine neue internationale Welthandelsordnung ein. Da müssen die Börsen erst ein neues Gleichgewicht finden.“ Zudem seien die Börsenkurse weltweit zuletzt sehr hoch gewesen. „Deshalb sind die Kurse noch immer nicht so günstig.“
Wie lange könnte es bis zum Tiefstand dauern?
Bei bisherigen Kursrutschen habe es häufig zwei, drei Monate gedauert, bis die Kurse vom Höchst- auf einen Tiefstand fielen, sagt Fernow. Nach diesem Muster könnten die Kurse ungefähr ab Mitte Mai ihren Tiefstand erreicht haben. „Dieser Weg setzt voraus, dass die meisten Anleger ihre Meinung ändern müssen. Das dauert eine gewisse Zeit.“
Wie weit sind die Kurse früher schon gefallen?
An den Börsen ging es in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder steil bergab. Als vor 25 Jahren in Deutschland die Internetblase platzte, gingen die Kurse in der Spitze bis zu 70 Prozent nach unten. Steil bergab ging es auch infolge der Finanzkrise 2008, infolge der Coronapandemie und nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine.
Was sollten Anleger jetzt tun?
Erst einmal Ruhe bewahren. Kursrutsche wie derzeit seien nicht ungewöhnlich, betont Niels Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale-Baden-Württemberg. „Wer in die Aktienmärkte investiert, kann kurzfristig Geld verlieren, dafür winken deutlich höhere Renditen.“ Wer langfristig investiere, sollte so einen Börsencrash einfach aussitzen. Ohnehin solle man sein Geld möglichst breit investieren wie in den ETF MSCI World oder MSCI All Country World – und das mit einem Anlagehorizont von mindestens fünf Jahren.
Was ist, wenn ich jetzt Geld aus Aktien brauche?
Wer kurzfristig Geld brauche, solle es gar nicht am Aktienmarkt anlegen, betont Nauhauser. Es kann aber auch sein, dass Anleger nach Jahrzehnten das angesparte Geld für die Rente nutzen wollen, sagt LBBW-Aktienstratege Fernow. „Hier kann man durchaus etwas abbauen. Wer zum Beispiel im Dax investiert hat, hat noch immer den Stand wie zu Jahresanfang und dürfte damit meist im Gewinn liegen.“
Ist der Crash ein guter Zeitpunkt für Börsen-Neueinsteiger?
„Es gibt nicht den perfekten Zeitpunkt zum Ein- oder Ausstieg, weil man die Zukunft nicht vorhersagen kann“, sagt Nauhauser von der Verbraucherzentrale. „Aber bislang war jeder Crash im Rückblick eine gute Kaufgelegenheit. Meist haben sich die Aktienkurse binnen fünf Jahren wieder erholt, nur selten dauerte es auch mal zehn Jahre – warum sollte es dieses Mal anders sein?“ Es sollten aber keine Einzelaktien sein. Man sollte sein Geld langfristig in breit gestreute Fonds anlegen. Man solle sich zuerst überlegen, wie viel Geld man investieren wolle, rät Fernow von der LBBW. „Das sollte man aber in mehreren Schritten anlegen, weil man nie den günstigsten Zeitpunkt finden kann.“
Sollte man jetzt alle Aktien verkaufen und später einfach wieder kaufen?
„Nein, das ist unsinnig, da man ja nicht weiß, ob die Kurse kurzfristig fallen oder steigen werden“, sagt Nauhauser. „Ich würde davon also ganz und gar abraten.“ Er empfiehlt eine langfristige Strategie. „Nur wer langfristig breit gestreut mit günstigen Kosten investiert, kann darauf hoffen, die guten Renditen des Aktienmarkts von immerhin rund 7,5 Prozent pro Jahr einzufahren.“