Beim Prozess wegen versuchten Totschlags zeichnet sich ein Ausgleich ab.Foto: David-Wolfgang Ebener
Von Heike Rommel
Fellbach. In einem Landgerichtsprozess gegen einen 20-Jährigen, der sich des versuchten Totschlags mit einem Messer an einem 16-Jährigen schuldig gemacht haben soll, ist ein Täter-Opfer-Ausgleich in Sicht. Der Angeklagte bietet dem Opfer 10000 Euro Schmerzensgeld an.
Doch was war eigentlich los am 7. Januar im Außenbereich eines großen Fellbacher Wohnkomplexes, wo sich die Tat ereignet haben soll? So richtig kommt die Jugendkammer nicht dahinter, warum es zwischen dem Heranwachsenden und dem Jugendlichen Streit gab, der in eine Schlägerei ausuferte, bei dem der 16-Jährige durch einen Messerstich in den Thorax lebensgefährlich wurde. Lebensgefahr sah der Notarzt deshalb, weil der Stich nur einen Zentimeter tiefer hätte gehen müssen, um die Herzkammer zu treffen. „Es bestand Lebensgefahr“, teilte auch ein Polizeibeamter vom Kriminaldauerdienst von seinem Besuch im Stuttgarter Katharinenhospital mit. Die Stichverletzung hätte zu einem Pneumothorax geführt. Wo eine zweite, weitaus harmlosere solche am Unterarm herkam, konnte das Gericht noch nicht klären.
Opfer und Eltern um Verzeihung gebeten
Zum Hintergrund der Tat kam bislang nur so viel heraus, dass es um eine junge Frau gegangen sein soll, die ihre Beziehung mit dem Angeklagten zur Tatzeit bereits beendet hatte. Der Beschuldigte und das Opfer waren vor der Tat befreundet. Zwei weitere Freunde, die auf dem Boden kniend neben dem blutenden 16-Jährigen gesehen wurden, rückten im Zeugenstand nicht damit heraus, wie die Situation zwischen dem 20-Jährigen und dem 16-Jährigen derart eskalieren konnte.
„Mein Mandant möchte sich beim Opfer entschuldigen“, gab der Verteidiger Bernd Kiefer eine Erklärung ab. Dieser bitte auch die Eltern des 16-Jährigen um Verzeihung. Die 10000 Euro Schmerzensgeld leihe dem 20-Jährigen zwar dessen Vater aus, aber der Sohn müsse den Betrag vollständig zurückzahlen. Der 20-Jährige gab vor der Jugendkammer unter Vorsitz von Richter Johannes Steinbach zu, einmal mit dem Messer zugestochen zu haben. Über sein eigenes Verhalten schockiert sei er vom Tatort weggerannt und habe das Schweizer Taschenmesser weggeworfen. „Ich hatte zu keinem Zeitpunkt vor, ihn zu töten“, beteuerte der Angeklagte.
Die Tatwaffe hat die Polizeibisher noch nicht gefunden
Die Polizei suchte mithilfe der Hundestaffel das gesamte Gelände ab und durchwühlte Müllcontainer auf der Suche nach der Tatwaffe, fand das Messer aber nicht. Ein Beamter von der Waiblinger Kriminalpolizei berichtete, der 20-Jährige sei von der Fellbacher Polizei bereits festgenommen worden, als er zum Tatort kam.
Ohne Anwalt habe der Verdächtige nichts sagen wollen und sich bestürzt darüber gezeigt, dass er eine Nacht in der Zelle verbringen müsse, um am Folgetag dem Haftrichter vorgeführt zu werden. Ansonsten habe sich der junge Mann – mit null Alkohol im Blut und auch nicht unter Drogeneinfluss wirkend – sehr ruhig und kooperativ verhalten.
Der verletzte 16-Jährige gab gegenüber der Kriminalpolizei an, wenn er nicht selbst geschlagen hätte, dann hätte der Angeklagte das Messer nicht gezogen.
Hintergründe bleiben vage
Aber war das Motiv wirklich Eifersucht, weil die Ex-Partnerin des Angeschuldigten Handykontakt mit dem Opfer hatte, mit dem es im zarten Teenageralter einmal eine eher kindliche Liebelei gab? Die Jugendkammer konnte die Hintergründe dazu nicht ganz aufdecken. Die Eltern des 16-Jährigen, so der Kriminaloberkommissar aus Waiblingen, hätten auf dem Weg zum Krankenhaus Angst gehabt, dass sie ihren Sohn nicht mehr lebend sehen würden. Die jungen Leute hätten sich stets auf diesem Platz getroffen, wo eine Anwohnerin die Polizei verständigte, als sie draußen lautes Geschrei hörte. Bei der Gelegenheit informierte die Frau die Beamten auch gleich darüber, dass sich ältere Menschen ab dem Nachmittag kaum mehr aus dem Haus auf den Berliner Platz trauten.