Christine und Michael Gutwein ließen sich in Backnang von Noch-Oberbürgermeister Frank Nopper trauen. Mit ausreichend Abstand zwischen den Anwesenden sowie Masken beim Eintreten in den Saal fand die Eheschließung unter Einhaltung der Coronaregeln statt. Foto: J. Fiedler
Von Melanie Maier
BACKNANG/OPPENWEILER. Obwohl es nur ein paar Schritte vom Auto bis zum Rathaus waren, schauten die Passanten Christine und Michael Gutwein zweimal hinterher: ein Brautpaar! „Alle haben sich gefreut und uns zugelächelt“, sagt Christine Gutwein, die vor etwas mehr als einer Woche noch Röder hieß. „Bei all den schlimmen Nachrichten war es bestimmt schön, mal wieder ein Stück Normalität zu sehen“, vermutet sie.
„Ganz normal“ habe ihr Hochzeitstag angefangen, berichtet die 43-jährige Rektorin der Grundschule Maubach: Um 5 Uhr rief die Trauzeugin an, weil sie so aufgeregt war, um 7 Uhr kam die Mutter, eine gelernte Friseurin, „und durfte sich an meinen Haaren verkünsteln“. Von der Coronapandemie war für die Braut am frühen Morgen noch nichts zu spüren. Auf dem Weg ins Rathaus kam er dann doch zurück ins Bewusstsein, der Lockdown-Alltag: Zur Trauung, die um 11 Uhr in Backnang durchgeführt wurde, musste die Hochzeitsgesellschaft in getrennten Autos fahren. Dabei war die Gästeliste überschaubar: Neben dem Brautpaar durften nur die Trauzeugen und Michael Gutweins Kinder mit ins Rathaus.
Während der Zeremonie durften die Masken abgesetzt werden.
Hinein ging es selbstverständlich mit Mund-Nasen-Schutz. Für ihren Mann und sich selbst hatte Christine Gutwein vorab passende Masken besorgt: eine weiß, eine schwarz, mit den Aufdrucken „Bride“ und „Groom“, Braut und Bräutigam. Während der Zeremonie durften sie aber abgesetzt werden.
Für (noch) Oberbürgermeister Frank Nopper war es die letzte Trauung, die er in Backnang begleiten durfte. Acht bis zehn Paare jährlich traute er in seiner Zeit im Backnanger Rathaus. Insgesamt kam er auf 83 Trauungen. Dass es nicht noch ein paar mehr geworden sind, liegt an der Coronapandemie. 2020 führte Nopper nur zwei Trauungen durch. „Im vergangenen Jahr haben weniger Paare den besonderen Akt durch den Oberbürgermeister angefordert“, so Nopper.
In seiner Rolle als Standesbeamter fühlt Nopper sich wohl. „Eine Trauung durchzuführen gehört zu den freudvollen Momenten im Leben eines Oberbürgermeisters“, sagt er. Zu Zeiten von Corona sei natürlich alles etwas eingeschränkter. „Es ist schwungvoller, wenn viele Gäste da sind, man hinterher noch ein Glas Sekt mit den Eheleuten trinken kann“, sagt er. Das fehle ihm als Standesbeamten – „aber dem Brautpaar sicher noch mehr“.
Ob er selbst während der Pandemie geheiratet hätte? Darauf hat Nopper spontan keine Antwort. „Eine gewisse Verschiebung in der Hoffnung auf einen späteren Termin ohne Einschränkungen hätte ich wohl in Kauf genommen“, sagt er. „Aber das muss jedes Paar für sich entscheiden.“ Der Romantikfaktor sei bei einer Hochzeit im ganz kleinen Kreis vielleicht sogar größer, weil die Zweisamkeit stärker zur Geltung komme, meint er. „Dafür ist der Fröhlichkeits- und Ausgelassenheitsfaktor geringer.“
Für die Hochzeit im ganz kleinen Kreis haben sich in Backnang im vergangenen Dezember 19 Paare entschieden. Im Vorjahresmonat ließen sich 31 Paare trauen, 2018 waren es jedoch ebenfalls nur 20. Im Januar 2021 wurden zwei Paare getraut, für den Februar sind bisher drei Termine vorgemerkt. „In den Wintermonaten sind aber sowieso nie sehr viele Eheschließungen“, weiß Anita Proppe, Sachgebietsleiterin des Backnanger Standesamts.
Doch auch für die Sommermonate sind bislang erst wenige Termine vorgemerkt: Je vier sind es aktuell im Mai, Juni und Juli. „Das stellt aber keineswegs dar, wie viele Trauungen tatsächlich stattfinden werden, da viele Termine oft auch kurzfristig vereinbart werden“, erklärt Proppe.
Auch in Aspach sind die Zahlen der Eheschließungen während der Pandemie zurückgegangen: Gerade einmal 17 Paare ließen sich 2020 trauen. 2019 waren es noch 37. Im Murrhardter Standesamt ist der Trend gegenläufig: Mit 53 Paaren heirateten 2020 mehr als in den Jahren zuvor, teilt Standesbeamtin Iris Leib mit. Im Januar 2021 fanden schon vier Trauungen statt. Für spätere Monate sind erst fünf Termine reserviert. Aufgrund zahlreicher Nachfragen habe sie aber den Eindruck, viele Brautpaare stünden schon „in den Startlöchern“ und würden abwarten, wie sich die Voraussetzungen entwickeln.
Auch auf das Standesamt in Oppenweiler scheint die Pandemie keine großen Auswirkungen zu haben. 125 Trauungen wurden 2020 im Trauzimmer Belvedere im Wasserschloss durchgeführt, im Jahr zuvor waren es 118. Weil im März 2020 einige Trauungen verschoben werden mussten, stellte Standesbeamtin Antje Welz im August 2020 einen zusätzlichen Samstag für Hochzeiten zur Verfügung.
Den Paaren, die sich meldeten, weil sie nicht sicher waren, ob sie sich momentan trauen lassen sollten, riet sie, „so zu heiraten, dass sie sich auch in vielen Jahren noch gerne an den Tag zurückerinnern“.
Bei den Trauungen, die unter Coronaauflagen stattfanden, sind sowohl die Standesbeamtin als auch die Eheleute kreativ geworden. „Im Sommer haben manche zum Beispiel einen Sektempfang to go gemacht“, erzählt Welz. Die Mutter eines Bräutigams wurde per Skype aus Sardinien zugeschaltet. „Ich habe immer gesagt: Eine Trauung zu Coronazeiten ist nur etwas anderes, das muss nicht schlechter sein“, betont Welz. Und fügt hinzu: Man müsse nur flexibel sein. Nachdem sie ein Paar getraut hatte, übernahm die Standesbeamtin ab und zu auch die Rolle der Hochzeitsfotografin.
Bei Christine und Michael Gutwein werden die Bilder von Jörg Fiedler, dem Fotografen unserer Zeitung, das Hochzeitsalbum schmücken.
Als Erinnerung an die Trauung habe der Bruder ihres Mannes, der Trauzeuge, zudem mit dem Smartphone gefilmt, berichtet Christine Gutwein. Für diejenigen, die nicht mit in den Saal kommen konnten. „Klar, meine und seine Mama hätten sich schon etwas anderes gewünscht“, sagt Gutwein. „Es war schön, dass sie sich wenigstens das Video ansehen konnten.“
Insgesamt sei es aber eine sehr schöne Feier gewesen, das fanden sowohl sie als auch ihr Mann und die Gäste. Mit ihrer Mutter und den Kindern verbrachte das frisch getraute Ehepaar den Mittag und Nachmittag mit griechischem Essen vom Lieferdienst und Kaffee und Kuchen.
Das große Fest mit den Verwandten und Freunden, sagt Christine Gutwein, werden sie und ihr Mann im Sommer nachholen, „wenn das möglich ist“. Mit der Unsicherheit bezüglich der Coronaregelungen geht sie gelassen um. „Sonst verschieben wir es halt noch mal“, sagt Gutwein. Sie hat sich vorgenommen, das Beste aus der Situation zu machen. „Ich sage immer: Diejenigen, die vor Corona geheiratet haben, hatten eine große Feier. Wir haben dafür viele kleine.“
Das Recht auf Eheschließung ist in der deutschen Rechtssprechung relativ hoch angesiedelt. Denn ob ein Paar verheiratet ist oder nicht, hat zahlreiche Auswirkungen auf verschiedene Lebensbereiche. Daher sind Trauungen nach wie vor auch während der Coronapandemie möglich.
Nach der aktuellen Coronaverordnung von Baden-Württemberg dürfen maximal fünf Personen an der standesamtlichen Trauung teilnehmen. Die Kinder der Eheschließenden zählen dabei nicht mit. Allerdings gilt diese Regel nicht pauschal. In Stuttgart etwa ist der Teilnehmerkreis seit dem 2. November bis auf Weiteres auf das Paar beschränkt.