Viele Verstöße im Gastgewerbe enthüllt

Gewerkschaft und Linke verlangen vom Zoll noch mehr Mindestlohnkontrollen – Etliche Stellen sind aber noch unbesetzt

Von Matthias Schiermeyer

Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit soll personell stark ausgebaut werden. Schon jetzt stellt sie immer mehr Tricksereien fest – das ist auch eine Folge der höheren Kontrolldichte.

StuttgartDer Druck auf die Wirtschaft wächst, wenn auch nur langsam: Seit Einführung des gesetzlichen Mindestlohns im Jahr 2015 ist die Zahl der durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) überprüften Arbeitgeber bundesweit um fast 23 Prozent auf 53 491 gestiegen. Dies entspricht aber nicht einmal zwei Prozent aller Betriebe. Gleichzeitig hat sich die Zahl der einge­leiteten Verfahren wegen der Nichtgewährung des Mindestlohns auf 2740 verdreifacht. Dies hat die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion bekannt gegeben, die unserer Zeitung ­­­­­­­­ vorliegt.

Anders als sein Vorgänger Wolfgang Schäuble (CDU) sorgt Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) dafür, dass die Finanzkontrolle Schwarzarbeit immer wichtiger wird. An diesem Montag findet im Bundestag eine Anhörung zum neuen Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch statt, das der Zollverwaltung einen Personalaufbau und erweiterte Kompetenzen bringen soll.

Die FKS erhöht den Druck bisher vor allem durch Schwerpunktkontrollen. Den Regierungsangaben zufolge wurden im Vorjahr bundesweit 14 881 dieser Aktionen durchgeführt, die 2303 Ordnungswidrigkeitenverfahren und 1159 Strafverfahren auslösten. Speziell im Hotel- und Gaststättengewerbe hatte fast jede Kontrolle Konsequenzen: Bei 1527 Prüfungen wurden 915 Ordnungswidrigkeitenverfahren und 373 Strafverfahren eingeleitet – das ist eine Quote von 84 Prozent. Dies sei „Lohnraub“, sagt Linksfraktionsvize Susanne Ferschl. „Einige Arbeitgeber haben jegliche Wertevorstellung von fairer Bezahlung über Bord geworfen“. Es müsse dringend mehr Kontrollen in dem Bereich geben, mahnt sie und verlangt auch ein Verbandsklagerecht für Gewerkschaften, weil Beschäftigte mit einem befristeten Vertrag oder Minijob sich schwertäten, ihren Arbeitgeber zu verklagen.

Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) rügt, dass der Zoll in Baden-Württemberg 2018 lediglich fünf Prozent aller Hotels, Pensionen und Gaststätten überprüft hätte. Insgesamt wurden 7324 Arbeitgeber auf Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung kontrolliert – etwa 1400 von ihnen im Gastgewerbe. Über alle Branchen hinweg deckte der Zoll Gesetzesverstöße in 3,9 Prozent aller Betriebe im Land auf – bei den Hotels oder Restaurants waren es schon 7,6 Prozent.

Somit lobt NGG-Chef Guido Zeitler den Finanzminister: „Es ist gut, wenn die Finanzkontrolle Schwarzarbeit mehr Personal bekommt und künftig schon bei Verdacht aktiv werden kann“, sagte er unserer Zeitung zum Vorhaben von Scholz, bis 2026 mehr als 10 000 statt wie bisher 7900 Kontrolleure aufzubieten. „Das muss aber auch zu einer höheren Kontrolldichte führen, um schwarzen Schafen wirksam das Handwerk zu legen.“ Zugleich warnt Zeitler die Politik davor, die Dokumentationspflichten für die Arbeitgeber zu lockern, wie es die Wirtschaft fordert. „Nur mit der genauen Arbeitszeiterfassung können die Beamten überhaupt fündig werden“, betont der NGG-Chef.

Insgesamt will Scholz sogar 6000 neue Stellen zur Verfügung stellen, denn bis 2030 soll die Finanzkontrolle Schwarzarbeit um weitere 3500 Dienstposten wachsen, um den Mehraufwand zu bewältigen. Das Problem ist, dass neues Personal schwer zu finden ist und immer mehr Zöllner in Ruhestand gehen. Zudem muss Nachwuchs erst ausgebildet werden. Viel mehr Schlagkraft ist vorerst also nicht zu erwarten. Von den aktuell 7900 Planstellen waren zu Jahresbeginn lediglich 6600 besetzt. Immerhin wächst die Zolleinheit in Baden-Württemberg besonders stark: auf derzeit 828 Kräfte. Noch mehr FKS-Kontrolleure gibt es nur in Nordrhein-Westfalen (1358) und Bayern (1047). Mit dem neuen Gesetz gegen illegale Beschäftigung setzt die Bundesregierung der FKS einen weiteren Schwerpunkt. Denn neben dem Kampf gegen Mindestlohnverstöße und Scheinarbeitsverhältnisse wird vor allem der Sozialleistungsmissbrauch in den Fokus gerückt.„Im Bereich des Kindergeldes hat seit mehreren Jahren die missbräuchliche Beantragung in organisierter Form zugenommen“, heißt es im Gesetzentwurf. Eine Anreizwirkung für einen Zuzug aus anderen EU-Staaten sei möglich.

Daher erhält die FKS zusätzliche Kompetenzen. Verbessert wird der Datenaustausch mit Jobcentern, Familienkassen, Finanzämtern und Strafverfolgungsbehörden. Auch erhält der Zoll den automatisierten Zugriff auf das Fahrzeugregister des Kraftfahrt-Bundesamtes und andere Befugnisse von Polizei und Staatsanwaltschaften.