Brauchtum zum 1. Mai

Warum stellt man einen Maibaum auf?

Bunt geschmückt ragen sie am 1. Mai in die Höhe: Maibäume. Ob als Liebesbeweis oder Dorfschmuck – der alte Brauch steckt voller Geschichte, Rituale und regionaler Unterschiede.

Warum stellt man einen Maibaum auf?

Maibaum in der Konstanzer Altstadt.

Von Katrin Jokic

Der Maibaum ist ein weit verbreitetes Frühlingssymbol in Mitteleuropa. Vor allem in Süddeutschland (Bayern, Baden-Württemberg, Schwaben, Pfalz), aber auch in Teilen Österreichs, der Schweiz, Tschechiens und Ungarns wird zum 1. Mai – teils auch zu Pfingsten – ein geschmückter Baum aufgestellt.

Dabei lassen sich zwei Hauptformen unterscheiden:

Der große Maibaum auf dem Dorfplatz

Der Gemeinschafts-Maibaum ist meist ein hoher, entrindeter Baumstamm – traditionell eine Fichte oder Tanne –, der mit bunten Bändern, Kränzen, Zunfttafeln und Girlanden geschmückt wird. Oft symbolisiert er die Handwerkskunst des Ortes, das Gemeinwesen und den Frühling.

Die Ursprünge reichen vermutlich bis in vorchristliche Zeit zurück, als Bäume als Fruchtbarkeits- und Lebenssymbole galten. Erste dokumentierte Hinweise stammen aus dem 13. Jahrhundert – etwa vom Mönch Caesarius von Heisterbach. Im 16. Jahrhundert ist das „Maibaumstellen“ in Deutschland zunehmend verbreitet, wurde aber zwischenzeitlich als heidnischer Kult von Kirche und Obrigkeit verboten.

Im 19. Jahrhundert erlebte der Brauch eine Renaissance und wurde zur stolzen Dorftradition – inklusive festlicher Prozession, Blasmusik, Bier und Maitanz. In vielen Gemeinden ist das Aufstellen reine Männersache – meist übernimmt es der Junggesellenverein. Inzwischen helfen jedoch oft auch Maschinen, Kräne oder Traktoren mit.

Liebesmaien: Maibäume als Zeichen der Zuneigung

Neben dem Dorfmaien gibt es den romantischen Maibaum – auch „Liebesmai“ genannt. Dabei stellen junge Männer am Vorabend des 1. Mai eine kleine Birke vor das Fenster oder an die Haustür ihrer Angebeteten.

Der Baum ist meist mit Kreppbändern geschmückt, oft ergänzt durch ein Namensherz oder einen Spruch. Die Farben der Bänder haben mancherorts sogar symbolische Bedeutung. Wird der Baum drei Jahre in Folge vor dasselbe Haus gestellt, kann dies als Heiratsantrag gelten – besonders im Rheinland oder in Köln.

Üblicherweise wird der Baum am Monatsende wieder abgeholt – inklusive Belohnung: ein Kuss, ein Bierkasten oder Kuchen von der Familie der Beschenkten. Im Schaltjahr stellen übrigens die Frauen ihren Liebsten einen Baum auf.

Der Reiz des Maibaumstehlens

Ein fester Bestandteil des Maibaum-Brauchtums ist das Stehlen – vor allem des großen Gemeinschaftsbaums. Dabei gibt es regionale Regeln:

Ein gestohlener Maibaum muss ausgelöst werden – meist durch Naturalien wie Bierfässer oder Brotzeiten. Die Rückgabe erfolgt oft feierlich, mit Musik und einem kleinen Umzug. Kommt es nicht zur Einigung, wird der Baum im Diebesdorf aufgestellt – manchmal mit Spottversen versehen.

Ob als Dorftradition oder romantischer Liebesgruß – der Maibaum hat viele Facetten. Er steht für Frühling, Gemeinschaft, Liebe und ein Stück gelebte Kulturgeschichte. Hinter dem einfachen Aufstellen steckt ein vielschichtiger Brauch mit jahrhundertealten Wurzeln – und einem Augenzwinkern Richtung Nachbardorf.