Schöner Wohnen mit Designertischen

Was der Esstisch über Ihr Leben verrät

Wer will sich da noch auf die olle Couch setzen? All diese neuen Tische im XXL-Format laden nicht mehr nur zum Essen ein. Imposante Tische sind Statussymbole für Leute mit reichlich Wohnraum und vielen guten Beziehungen. Ein Überblick

Was der Esstisch über Ihr Leben verrät

Steht in einem Loft in Berlin-Kreuzberg, das von Batek Architekten für eine Familie umgebaut wurde: Ein rosa Tisch von Designer Moritz Bannach.

Von Tomo Pavlovic

Letztens in einem preisgekrönten Architektenhaus in Zürich. Drei Stockwerke, viel Platz – und doch sucht man vergebens ein klassisches Wohnzimmer. Wenn das Ehepaar und die Tochter gemeinsam Zeit und Raum teilen wollen, dann treffen sie sich auf der obersten Etage mit der offenen Wohnküche und einer spektakulären Sicht auf die Stadt. Mit ein bisschen Wetterglück erkennt man in der Ferne sogar die Alpen.

Und natürlich lässt man sich am langen Tisch auf einem der sechs Stühle der „Serie 7“ vom dänischen Designer Arne Jacobsen nieder. Der Bauherr sagt: „An diesem Ort findet das eigentliche gemeinschaftliche Familienleben statt. Alle anderen Räume sind nur Rückzugsorte.“

Welchem Raum in einer Wohnung oder einem Haus die größte Bedeutung zugeschrieben wird, hängt letztlich von den Einkommensverhältnissen ab. So war es zweifellos die Küche, die im Zuge der Industrialisierung in den Arbeiterwohnungen des 19. Jahrhunderts als zentraler Versammlungsort für die ganze Familie diente.

Hier wurde gekocht, gegessen, gewaschen und gebügelt, die Küche war der Arbeitsplatz der Ehefrau und Mutter. Am Küchentisch wurden nicht nur Mahlzeiten verspeist, er diente gleichzeitig als Arbeitsplatte, Bügelbrett und Schreibtisch für Schulaufgaben.

Als in den 1920er Jahren die großstädtische Enge und Wohnungsnot mit modernen Siedlungen bekämpft und das Wohnen revolutioniert wurde, rückte die Küchenarbeit der Hausfrau in den Hintergrund, war auf einmal das Wohnzimmer der Treffpunkt der bürgerlichen Familie. Später, mit dem Einzug des Fernsehers, bildete der niedrige Couchtisch vor einer möglichst gemütlichen Sofalandschaft nebst Schrankwand den Lebensmittelpunkt in der Wohnung.

Weniger Wände

Seit einiger Zeit lösen sich die funktionalen Zuordnungen auf. Was früher typisch für die unteren sozialen Klassen war, nämlich die multifunktionale Wohnküche in bäuerlichen Häusern oder Arbeiterwohnungen, wird heute romantisiert. Die Grundrisse öffnen sich, die Wohnräume haben vor allem in neuen Gebäuden tendenziell weniger Wände. Küche, Esszimmer und Wohnzimmer verschmelzen nahtlos miteinander.

In Zeiten, in denen rasant steigende Mieten und Immobilienpreise selbst für die vergleichsweise gut verdienende Mittelschicht kaum noch zu bezahlen sind, gilt das Eigenheim mit einer offenen Wohnküche und einem langen Tisch mittlerweile als Statussymbol.

Es stimmt, dass kinderreiche Familien und Lebensgemeinschaften mittlerweile eine Seltenheit sind, weshalb es absurd scheint, dass man Tische in der Wohnung parkt, die länger als Kleinwagen sind. Doch wer einen Tisch mit einem Dutzend Sitzplätzen besitzt, an dem bei Bedarf auch das letzte Abendmahl nachgespielt werden könnte, der prahlt mit seinem Sozialkapital: mit guten Freundschaften und festen Beziehungen. Individualismus ist gut, Gemeinschaft ist besser. Auch dieser Wertewandel spiegelt sich in unserer Wohnung.

Erbstücke oder Ikea-Möbel

Und weil es wie immer auch auf das Aussehen und die Verarbeitung ankommt und Tischdecken nicht ganz so cool sind, sollte der Kauf eines Tisches wohlüberlegt sein. Wessen Budget knapp ist, nimmt mit einem Erbstück aus den Esszimmern von verstorbenen Großtanten vorlieb oder kauft einen Tisch von Ikea.

Wer allerdings ein Faible für Designklassiker hat und Gäste beeindrucken möchte, der stellt beispielsweise eine Handvoll „Tulip Armchairs“ um den dazugehörigen Tisch des Möbelherstellers Knoll International auf. Der finnische Designer Eero Saarinen gestaltete 1953 seine an Tulpenformen erinnernden Möbel, die als Ikonen gelten. Bei Vitra gibt es noch andere Exemplare, die garantiert nicht aus der Mode kommen: eindrucksvolle, filigran gebaute Esstische von Charles und Ray Eames, Jean Prouvé oder Jasper Morrison.

Tische wie Skulpturen

Tische mit hohem Wiedererkennungswert kommen von Designern wie Konstantin Grcic („Pallas“) oder auch Moritz Bannach („Elio“, „Abbondio“). Letzterer lebt und arbeitet in Berlin. Moritz Bannach hat seine Manufaktur 2018 gegründet, sein Markenzeichen sind große, skulptural wirkende Tische mit starken Farbakzenten.

„Wir sehen unsere Möbel nicht nur als reine Gebrauchsgegenstände, sondern sie sollen auch einen ästhetischen Mehrwert erzielen“, sagt der Designer, wobei er die Beobachtung teilt, dass die Grundrisse immer großzügiger und die Wohn- und Essbereiche zu Einheiten werden. „Der Esstisch stellt in gewisser Weise das Zentrum des alltäglichen Zusammenlebens dar“, sagt Moritz Bannach, der mit namhaften Interior-Designerinnen und Architekten wie Stephanie Thatenhorst und Patrick Batek zusammenarbeitet.

Bierzeltgarnitur für Sparsame

Doch so ein It-Piece mit dreieinhalb Meter Länge kann schon mal ins Geld gehen. Zur Not tut’s auch eine Bierzeltgarnitur, die für 100 Euro im Handel zu haben ist. Die beiden Bänke und der Tisch können notfalls mithilfe des Klappmechanismus zur Seite gestellt werden. Hauptsache, Tisch.

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Den extravaganten Tisch „Elio“ des Berliner Designers Moritz Bannach gibt es in so vielen Farbkombination, dass es schwer ist. . .

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. . . sich zu entscheiden. Monochrom sieht er ebenfalls sehr gut aus. Die farblich starken Möbel eignen sich hervorragend für loftartige Behausungen und passen gut zu Industrieschick.

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Filigran: Tisch mit einer Platte aus Massivholz zu einem Gestell aus Stahl, das in einer Vielzahl von Farben bunt pulverbeschichtet ist. Der Hersteller Küchenkind aus Augsburg ist vom 10. bis 12. März auf der Blickfang Design Messe in der Stuttgarter Liederhalle vertreten.

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Ein Werk des Münchner Designers Konstantin Grcic für Classicon: der Tisch „Pallas“. Auch typisch für unsere Zeit: möglichst unterschiedliche Stühle, die man mit Designer-Tischen kombiniert.

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Nordischer Landhausstil. Holztisch mit farblich passenden Stühlen von Ikea.

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Ein Tisch wie aus der Schule.

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Tisch mit Bank für mehr Gemeinschaftsgefühl von Jansson Hafenholz. Der Hersteller ist vom 10. bis 12. März auch auf der Blickfang Design Messe in der Stuttgarter Liederhalle vertreten.

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Wiederverwertetes Holz, das aus dem Hafen stammt. Immer wieder werden im Hafengebiet sogenannte Duckdalben erneuert. Zumeist sind sie aus Hartholz und haben Jahrzehnte im Wasser verbracht. Sie sind schwer und riesig. Weiterverarbeiten kann man sie, wenn man es schafft, sich ein mobiles Sägewerk zu organisieren und dieses historische Holz in bis zu 6 cm dicken Schwarten auftrennt, . . .

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. . . dann lassen sie sich wie von Jansson Design in einzigartige Tische verarbeiten.

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Schöne Maserung: Eichenholztisch „Karl“ von Bewusst Besonders aus Mietingen. Vertreten auch auf der Blickfang Design Messe (10.-12. März) in Stuttgart.

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IIonische „Tulip Armchairs“ samt Tisch von Eero Saarinen für Knoll International.

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Auch nur ein mächtiger Fuß: „Brigde“-Tisch von den Stuttgarter Designern Jehs+Laub für Mobimex/Davis.

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Metallschönheit: Tisch „Hiroki“ von Philipp Mainzer für E15. Gibt es auch mit Marmortischplatte.

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Auch sehr beeindruckend: Tisch „Pli“ von der französischen Designerin Victoria Wilmotte 2017 für Classicon entworfen, erhältlich in Bronze und Grün lackiert. Die Faltungen, von denen Pli seinen Namen bezieht, sollen den Edelstahlfuß fast wie einen überdimensional geschliffenen Edelstein erscheinen lassen.

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Der aus Baden-Württemberg stammende Designer Sebastian Herkner hat den „Bell“ Tisch mit dem gläsernen Fuß zuerst als Beistelltisch entworfen. Weil das Produkt so erfolgreich war, gibt es inzwischen auch eine Esstisch-Variante.

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Da sollte keinesfalls eine üppige Tischdecke drüber, die die aufwändig schönen Tischfüße verdecken könnte. Die Tische werden als Einzelstücke gefertigt. Hauptbestandteil ist massives Holz aus heimischen Wäldern. Der Hersteller Hammer Objects . . .

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. . . ist ebenso wie Laik Design aus Fürstenfeldbruck mit den Tischen in verschiedenen Farben namenes „ilaik“ auf der Blickfang Designmesse in Stuttgart (10.-12. März) vertreten.

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Dies ist die kurze Version, und . . .

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. . . so sieht der Tisch aus, wenn er ausgezogen ist und Platz für eine große Gruppe bietet. Dank seiner patentierten Lamellenstruktur zieht man ihn mit einer Bewegung einfach um die Hälfte aus – ohne Einlegeplatte und ohne Klappmechanismus. Ziemlich praktisch.

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Auch die Tische von Benjamin Thut sind auch ausziehbar. Sie sind durch die raffinierte Tragkonstruktion in der Länge variabel. Diese Konstruktion besteht aus massiven Holzstreben, Holzfüßen und Aluminium Verbindungsteilen. Eine von Thut Möbel entwickelte Verbundplatte, die mit Linoleum belegt ist, wird mittels Magneten auf der Unterkonstruktion platziert. Die schmalen Holzstreben gleiten ineinander und lassen sich stufenlos herausziehen. So entsteht ein Tisch in der Länge 96-174 cm und 140-262 cm. Und . . . Die große Variante des Tisches misst 192-264 cm mit einem Auszug und mit zwei 192-348 cm. Der Tisch lässt sich stufenlos vergrößern. Bei der großen Version entsteht eine Festtafel für bis zu zwölf Personen.

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. . . die große Variante des Tisches misst 192-264 cm mit einem Auszug und mit zwei 192-348 cm. Der Tisch lässt sich stufenlos vergrößern. Bei der großen Version entsteht eine Festtafel für bis zu zwölf Personen.

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Klapptische sind freilich keine neue Erfindung. Schon 1926 entwarf Eileen Grey mit „Lour Perou“ einen Tisch, der sich aufklappen und dadurch verlängern lässt. Der Klassiker ist immer noch im Programm von Vitra.