Nach der Wahl ist vor der Wahl: Welche Lektionen die Bundestagswahl für die politischen Gewinner und Verlierer im Land mit sich bringt – die wichtigsten Schlaglichter.
Unter dem Bundesadler im Plenarsaal sitzen – dafür haben im Wahlkampf viele Baden-Württemberger gekämpft. Nicht immer mit Erfolg.
Von Bärbel Krauß
Dass die Landes-CDU am Tag nach der Bundestagswahl unabhängig von ihrem Prozentergebnis keine ungetrübte Siegesfreude würde empfinden können, war wegen der Wahlrechtsreform seit langem klar. Die Auszählung hat die Erwartung bestätigt. Zwar hat die CDU im Land die Wahl mit weitem Abstand vor der zweitplatzierten AfD (19,8 Prozent) gewonnen und mit 31,6 Prozent der Zweitstimmen drei Punkte mehr geholt als die Union im Bund. Aber die einstige CDU-Hochburg konnte sich vom Bundestrend nicht abkoppeln: Wie in ganz Deutschland hat die CDU auch im Land nur das zweitschlechteste Ergebnis der Geschichte erreicht, obwohl der künftige Kanzler Friedrich Merz hier stets einen besonderen Rückhalt hatte.
CDU-Wahlsieg mit bitterem Beigeschmack
Das Ergebnis ist bitter für die Partei, auch wenn sie auf Landesebene über die symbolisch wichtige 30-Prozent-Marke gekommen ist: Sechs ihrer Wahlkreiskandidaten haben wahlrechtsbedingt den Einzug ins parlament nicht geschafft, obwohl sie vor Ort die meisten Erststimmen bekommen haben.
Das prominenteste Opfer der Wahlrechtsreform ist Moritz Oppelt, Abgeordneter für den Rhein-Neckar und Bezirkschef der CDU Nordbaden. Er hat in seinem Wahlkreis mit 34,4 Prozent mehr als ein Drittel der Erststimmen geholt – fast sechs Prozent mehr als vor vier Jahren. Trotzdem ist für ihn nach nur einer Legislaturperiode Schluss mit der Arbeit im Bundestag. Stefan Glaser (Lörrach-Müllheim), Christoph Naser (Tübingen), Maximilian Mörseburg (Stuttgart), Alexander Föhr (Heidelberg) und der vor kurzem von den Grünen zur CDU gewechselten Abgeordneten Melis Sekmen (Mannheim) ziehen ebenfalls nicht in den Bundestag ein. Dabei haben die Christdemokraten angesichts der Wahlrechtsreform mit ihren absehbaren Risiken gezeigt, dass sie kämpfen können: In allen 38 Wahlkreisen haben die CDU-Bewerber das Erststimmenergebnis von 2021 verbessert – um mehr als sechs Prozent im Landesschnitt. Stimmenkönigin ist die Generalsekretärin Nina Warken mit 42,8 Prozent der Erststimmen im Wahlkreis Odenwald-Tauber.
AfD im Land auf dem Vormarsch
Die strukturelle Schwäche der CDU in Großstädten und die Kappung von Mandaten sorgt jetzt dafür, dass die Partei aus den fünf größten Städten Baden-Württembergs keinen einzigen Abgeordneten mehr in den Bundestag entsendet. Auf dem Land muss die CDU sich wegen der AfD Sorgen machen. Zwar gab es in keinem Wahlkreis einen Zweikampf, bei dem der AfD-Konkurrent dem CDU-Bewerber ganz dicht auf die Fersen gerückt wäre. Aber in 31 von 38 Wahlkreisen ist die AfD zweistärkste Kraft nach der CDU.
Vor vier Jahren war die AfD in zwanzig Wahlkreisen noch einstellig – das gilt jetzt nur noch im Wahlkreis I in Stuttgart. In Heilbronn, Schwäbisch Hall/Hohenlohe, Pforzheim, Calw, Rottweil-Tuttlingen und Zollernalb hat schon mehr als jeder vierte Wähler die Zweitstimme der AfD gegeben. Joachim Bloch (Rottweil-Tuttlingen) hat mit 27,5 Prozent nicht nur das beste AfD-Erststimmenergebnis im Land, sondern auch in Westdeutschland erzielt. Er lässt damit auch seine Parteichefin Alice Weidel (20,4 Prozent, Bodensee) weit hinter sich.
Linke schafft Fünf-Prozent-Hürde in fast allen Wahlkreisen
Dritte Landessiegerin dieser Wahl ist die Linkspartei. Sie profitiert von der Polarisierung des Wahlkampfs nach dem von Friedrich Merz ausgelösten Streit über die Migrationspolitik und der Abstimmung mit der AfD im Bundestag. Linken-Sprecherin Sahra Mirow (Heidelberg) zieht so erstens mit weiteren fünf Kollegen in den Bundestag; zweitens war die Linke, die im Land bisher keinen Fuß auf den Boden bekommen hat, jetzt flächendeckend erfolgreich: Nur in vier von 38 Wahlkreisen blieb sie unter der symbolischen Marke von fünf Prozent. In sechs Regionen schnitt sie dagegen zweistellig ab.
Strukturelle Schwäche von SPD und Grünen
Wahlverliererin auch im Land ist die SPD, die ihr bisher schlechtestes Ergebnis von 16,4 Prozent vor acht Jahren noch einmal um 2,2 Punkte unterschritten hat und bei 14,2 Prozent landete. Die Unzufriedenheit der Bürger mit der SPD-Regierung unter Kanzler Olaf Scholz bekam auch die Bundesparteichefin Saskia Esken (Calw) direkt zu spüren: Mit 12,9 Prozent der Erststimmen erzielte sie das drittschlechteste Ergebnis im Land.
Bei den Grünen zeigt sich erneut, dass die Partei sich in der Amtszeit von Ministerpräsident Winfried Kretschmann nicht in der Fläche des Landes verankern konnte. Im Land haben die Grünen bei einem Zweitstimmenergebnis von 13,6 Prozent seit der letzten Bundestagswahl sogar noch mehr Wählerstimmen eingebüßt als im Bundesdurchschnitt. Ein wenig besser als im Rest von Deutschland steht die Partei im Land zwar immer noch da. Aber während die CDU-Bewerber seit 2021 alle zugelegt haben, haben die grünen Kandidaten durchgängig verloren. Einzige Ausnahme ist die direkt gewählte Freiburger Abgeordnete Chantal Kopf (Freiburg), die mit 32,5 Prozent die meisten Erststimmen ihrer Partei geholt und knapp vier Prozent zugelegt hat.