Bundesfamilienministerin Lisa Paus hat erstmals konkrete Zahlen für die Höhe der Kindergrundsicherung für Bedürftige genannt. Diese liegen deutlich höher als das bisherige Kindergeld.
Ein Kind isst Nudeln von einem Teller. Die Kindergrundsicherung gehört zu den zentralen sozialpolitischen Vorhaben der Koalition aus SPD, Grünen und FDP. Diverse Leistungen vom Kindergeld über den Kinderzuschlag bis hin zur finanziellen Unterstützung für Klassenfahrten und Freizeit sollen darin gebündelt werden.
Von dpa/Markus Brauer
Bundesfamilienministerin Lisa Paus hat eine Einschätzung abgegeben, wie hoch die geplante Kindergrundsicherung im Fall von armutsgefährdeten Kindern ausfallen könnte.
Die #Kindergrundsicherung ist ein erster Schritt, aber 2,4 Mrd. Euro werden nicht ausreichen, um #Kinderarmut zu bekämpfen. Höhere Investitionen in Kinder zahlen sich für ihre Bildung und Entwicklung sowie langfristig für die ganze Gesellschaft aus. (neu) https://t.co/svpALgQdZ3 — Bertelsmann Stiftung (@BertelsmannSt) August 28, 2023
Zwischen 530 und 636 Euro für jedes Kind
Für diese könnten sich 2025 Leistungen von 530 Euro für die Kleinsten bis 636 Euro für die ältesten Kinder ergeben, sagte die Grünen-Politikerin. Dabei ist demnach die angekündigte Regelsatzerhöhung beim Bürgergeld um etwa zwölf Prozent für 2024 und eine angenommene weitere „moderate“ Erhöhung um drei Prozent im Folgejahr berücksichtigt.
„Das ist ein guter Betrag, um Kindern ein Stück weit mehr Teilhabe und Chancengerechtigkeit zu verschaffen“, betonte Paus. Bei den Beträgen handelt es sich demnach um die Summe aus dem zukünftigen Kindergarantiebetrag und dem Kinderzusatzbetrag.
Bündelung sozialer Leistungen für Kinder
Die Ampel-Koalition will in der Kindergrundsicherung bisherige Leistungen wie das Kindergeld, Leistungen aus dem Bürgergeld für Kinder oder den Kinderzuschlag bündeln. Es soll ab 2025 für alle Kinder einen sogenannten Garantiebetrag geben. Dieser löst das heutige Kindergeld (250 Euro pro Monat) ab.
Obendrauf kommt je nach Bedürftigkeit ein Zusatzbetrag, nach Alter gestaffelt und je nach Einkommenssituation der Eltern. Je weniger sie verdienen, desto höher soll er ausfallen. Der bisherige Bürgergeld-Anteil für Kinder soll darin aufgehen.
Erhöhung des Bürgergeldes 2024
Beim Bürgergeld fließen aktuell für Kinder unter sechs Jahren 318 Euro im Monat, für 14- bis 17-Jährige 420 Euro. Sozialminister Hubertus Heil hatte am Dienstag (29. August) angekündigt, dass die Sätze 2024 auf 357 Euro für Unter-Sechsjährige und 471 Euro für 14- bis 17-Jährige steigen sollen.
Die Einführung einer Kindergrundsicherung hatte die Ampel schon in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart. Zwischen Grünen und FDP hatte sich allerdings ein Dauerstreit darüber entwickelt, wie viel Geld der Staat nun für die Kindergrundsicherung ausgeben soll und ob Leistungen erhöht werden sollen oder nicht. Erst in der Nacht zum Montag gab es eine Einigung.
Antrag auf Kindergrundsicherung komplett online
Für die Beantragung der ab 2025 geplanten Kindergrundsicherung sollen Familien von Anfang an auf Amtsgänge oder Gänge zum Briefkasten verzichten können. Bereits mit dem Inkrafttreten soll demnach „eine vollständige digitale Abwicklung“ möglich sein, wie aus dem Gesetzentwurf des Familienministeriums zur Kindergrundsicherung hervorgeht.
„«Dazu zählt die elektronische Übermittlung der Antragsdaten und Nachweise sowie die Authentifizierung und die elektronische Zustellung des Bescheids in ein Nutzerkonto“, heißt es darin weiter. „Alle Arbeitsschritte“ sollen elektronisch und online möglich sein. Wer keine digitalen Zugänge hat, soll Anträge aber auch weiterhin analog stellen können.
Was ist die Kindergrundsicherung?
Bei der Kindergrundsicherung geh es um das Minimum an Mitteln, das Kinder benötigen, um materiell abgesichert zu sein und das ihnen gleichzeitig ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht – also etwa Kino, Sportverein oder Musikunterricht.
Dieses Existenzminimum wird auf Basis von Statistiken berechnet. Daran sind dann etwa Bürgergeldsätze und andere staatliche Leistungen ausgerichtet. Im Koalitionsvertrag hatte sich die Ampel vorgenommen, das soziokulturelle Existenzminimum neu zu definieren. Darauf pocht Paus in der Hoffnung, dass am Ende höhere Leistungen für Kinder stehen. Die möglichen Kosten dafür sind offen.
Was beinhaltet die Kindergrundsicherung?
In der Kindergrundsicherung sollen bisherige Leistungen wie das Kindergeld, Leistungen aus dem Bürgergeld für Kinder oder der Kinderzuschlag gebündelt werden. Durch mehr Übersichtlichkeit und mithilfe einer zentralen Plattform sollen auch viele Familien erreicht werden, die bisher wegen Unkenntnis oder bürokratischer Hürden ihnen zustehende Gelder nicht abrufen.
„Künftig wird es nur eine Anlaufstelle für alle Kinderleistungen geben“, heißt es in dem Papier. Zuständig sein soll demnach der „Familienservice der Bundesagentur für Arbeit“. Die Familienkassen sind bereits heute etwa für die Auszahlung des Kindergelds zuständig.
Wie viel kostet die Kindergrundsicherung?
Für die geplante Kindergrundsicherung werden im Jahr ihrer Einführung 2025 zunächst rund 2,4 Milliarden Euro Mehrkosten veranschlagt. Das geht aus einem Einigungspapier der Ampel-Koalition vor.
Aus Regierungskreisen heißt es, dass bei steigender Inanspruchnahme der Leistungen der Kindergrundsicherung die Kosten in den Folgejahren auch auf bis zu 6 Milliarden Euro ansteigen könnten.
Wann werden die Leistungen der Kindergrundsicherung erhöht?
Zu möglichen konkreten Erhöhungen von Leistungen im Zusammenhang mit der Einführung der Kindergrundsicherung trifft das Papier keine Aussagen. Durch eine Neuberechnung des soziokulturellen Existenzminimums würden sich aber Regelbedarfe in der zweiten Säule der Kindergrundsicherung – dem sogenannten Zusatzbetrag – erhöhen. Konkrete Daten lägen hierzu erst nach Berechnungen durch das Statistische Bundesamt vor.
Wer ist von Kinderarmut betroffen?
Die Zahl der Kinder mit deutscher Staatsbürgerschaft, die mit ihren Eltern auf Bürgergeld – also aufsozialstaatliche Grundsicherung – angewiesen sind, ist in den vergangenen acht Jahren deutlich um mehr als ein Drittel gesunken. Das geht aus aktuellen Daten der Bundesagentur für Arbeit hervor.
2015 hatten noch 1,57 Millionen solcher Kinder von den damaligen Hartz-IV-Bezügen gelebt, bis März diesen Jahres sank die Zahl auf 1,03 Millionen, die auf das seit 1. Januar 2023 eingeführte Bürgergeld angewiesen sind.