Fast zur selben Zeit wie die „Viking Sky“ hatte in der Karibik ein zweites Kreuzfahrtschiff einen Ausfall am Motor. Beide wurden von derselben Werft gebaut. Wie kam es zu den Vorfällen?
Frage: Was ist passiert?
Antwort: Die „Viking Sky“ der Reederei Viking Ocean Cruises war auf dem Weg von Stavanger nach Tilbury, als sie vor der norwegischen Küste in Seenot geriet. Das Kreuzfahrtschiff hatte 915 Passagiere und 458 Besatzungsmitglieder an Bord. Fast 500 Gäste wurden per Hubschrauber an Land gebracht. Die restlichen knapp 900 Menschen trafen am Sonntagnachmittag in Molde ein, nachdem es das Schiff mithilfe von Schleppern in den Hafen der Stadt geschafft hatte.
Frage: Gab es schon mal so eine Evakuierungsaktion aus der Luft?
Antwort: Ja, aber noch nie wurden so viele Menschen per Hubschrauber gerettet. Grund für die außergewöhnliche Maßnahme war das Wetter: In sehr stürmischer See kann man die Rettungsboote nicht zu Wasser lassen. Sie wären in den acht Meter hohen Wellen gegen die Bordwand geschleudert und zerstört worden. Glück im Unglück: Norwegen verfügt über eine große Zahl an zivilen Hubschraubern. Die in Bergen und Stavanger stationierte Flotte versorgt sonst die Bohrinseln in der Nordsee. Die bis dahin größte Luftrettung auf See fand 1991 beim Untergang der „Oceanos“ vor Südafrika statt. Piloten der South African Defense Force retteten damals 225 Menschen.
Frage: Wie konnte der Antrieb ausfallen?
Antwort: Experten können sich das nur schwer erklären. Die „Viking Sky“ wurde 2017 in Dienst gestellt. Gebaut hat es die italienische Werft Fincantieri am Standort Ancona. Es erfüllt – wie alle Kreuzfahrtschiffe – die seit 2010 geltende Richtlinie „Safe return to port“. Dieser Sicherheitsstandard der Internationalen Maritimen Organisation legt fest, dass jedes Passagierschiff mit einer Länge von mehr als 120 Metern über zwei komplett getrennte Antriebseinheiten verfügen muss. Fällt eine aus, soll die andere dafür sorgen, dass das Schiff sicher den nächsten Hafen anlaufen kann. Dazu gibt es Notfallsysteme, welche die Energieversorgung sicherstellen – damit Funkgeräte, Beleuchtung, Toilettenspülungen und so weiter funktionieren. Selbst bei einem kompletten Stromausfall sollte ein dieselelektrisch betriebenes Schiff noch fahrtüchtig sein. Denn die Motoren sind Selbstzünder, die mit Druckluft gestartet werden.
Frage: Wie geht es mit der „Viking Sky“ weiter?
Antwort: Die nächste geplante Reise wurde abgesagt. Diese Tour hätte am heutigen Dienstag in Amsterdam starten sollen und wäre via Hamburg und durch den Nord-Ostsee-Kanal unter anderem nach Kiel gegangen. Stattdessen bleibt das Schiff im Hafen von Molde, wo es repariert wird. Gutachter der zuständigen Klassifizierungsfirma Lloyd’s Register aus London wollen das Schiff nun untersuchen. Auch der Motorenhersteller MAN hat vier Ingenieure nach Norwegen geschickt, die bei der Aufklärung helfen sollen. Bislang wisse MAN nicht, warum mindestens drei der vier Motoren ausgefallen seien, sagte ein Sprecher in Augsburg. Auch die Polizei in Norwegen hat routinemäßig Untersuchungen eingeleitet.
Frage: Kommt so etwas öfter vor?
Antwort: Fast gleichzeitig zu dem Notfall auf der „Viking Sky“ gab es ein ähnliches Problem auf der „Nieuw Statendam“. Das 2666 Passagiere fassende Schiff wurde im November 2018 ebenfalls von Fincantieri am Standort Marghera gebaut. Es gehört der Reederei Holland America Line und befindet sich zurzeit in der Karibik. Am Samstag fiel auf dem Weg von Saint Thomas nach Half Moon Cay/Bahamas ein Dieselmotor aus. Die „Nieuw Statendam“ hatte Glück. Ruhige See und gutes Wetter erlaubten es, dass das Schiff sicher nach Port Everglades zurückfuhr. Im Februar gingen auf der „Carnival Victory“ – im Jahr 2000 am Fincantieri-Standort Monfalcone gebaut – für mehrere Stunden die Lichter aus. Das Schiff war auf einer viertägigen Karibiktour und gerade auf dem Weg von Mexiko nach Kuba. Für die Unannehmlichkeiten, unter anderem durch den Ausfall der Klimaanlage, bekamen die Passagiere 50 US-Dollar Bordguthaben. Bereits im Oktober 2018 gab es ein ähnliches Problem mit demselben Schiff, damals auf dem Weg von Miami nach Key West. Auch hier endete die Sache glimpflich.
Dramatischer ging es im Februar 2013 auf der „Carnival Triumph“ zu. Nach einem Brand im Maschinenraum war das Schiff manövrierunfähig. Es dauerte fünf Tage, bis es aus dem Golf von Mexiko nach Mobile im US-Bundesstaat Alabama abgeschleppt werden konnte. 4229 Passagiere mussten ohne funktionierende Toiletten und richtige Verpflegung ausharren. Auch dieses Schiff lief bei Fincantieri vom Stapel, im Jahr 1999.
Frage: Sind nur Schiffe einer bestimmten Werft betroffen?
Antwort: Nein. Im Oktober 2018 kam es beispielsweise an Bord der „Aida Aura“ auf dem Weg von Madeira zu den Kapverdischen Inseln zu einer technischen Störung. Laut Reederei führte diese „zur Unterbrechung der elektrischen Versorgung in einzelnen gastronomischen Bereichen“ und für einige Tage zu einem „eingeschränkten Angebot“ – sprich kalte Küche. Die „Aida Aura“ wurde 2002 von der STX Werft in Wismar hergestellt.
Laura Calzolari, Sprecherin der in Triest ansässigen Werft, wies gegenüber unserer Zeitung Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Zwischenfällen zurück: „Fincantieri ist verantwortlich für die Zusammenführung unterschiedlicher Systeme an Bord eines Schiffes. Dabei werden verschiedene Komponenten verwendet: Motoren, Schalttafeln oder Umwandler. Diese beziehen wir von Zulieferern hauptsächlich in Europa, die weltweit führend in ihrem jeweiligen Sektor sind und die auch andere führende Werften beliefern.“
Dies bestätigt Günther Kolbe, Sprecher der Meyer-Werft in Papenburg: „Ein technisches Problem kann auch auf einem unserer Schiffe auftreten. Der Hersteller übernimmt zwar eine Garantie für die Anlagen, ist aber nicht verantwortlich dafür, wie der Kunde später mit der Anlage umgeht, ob etwa Wartungsintervalle eingehalten werden oder die Bedienung stimmt.“
Frage: Wie oft werden die Schiffe kontrolliert?
Antwort: Trotz der genannten Vorfälle muss man sich als Passagier wenig Sorgen machen. Die deutsche Sektion der Cruise Line International Association (Clia) weist darauf hin, dass eine Kreuzfahrt „eine der sichersten Reiseformen“ sei. Ein durchschnittliches Schiff durchlaufe jährlich Dutzende von angekündigten und unangekündigten Sicherheitsinspektionen. Gleichzeitig werde – wann immer möglich – „versucht, schlechtes Wetter zu meiden“.