Rätselhafte Gewitterphänomene

Woher stammt das Gammaglühen in Gewittern?

Gewitter erzeugen nicht nur Blitze: Ihre Wolken glühen und brodeln auch im Gammastrahlen-Bereich. Das für unsere Augen unsichtbare flackernde Gammaglühen kann sich über Stunden und tausende Quadratkilometer erstrecken, wie Forscher jetzt erstmals nachgewiesen haben.

Woher stammt das Gammaglühen in Gewittern?

Könnten wir Gammastrahlen sehen, würden Gewitterwolken von oben brodelnd leuchten und glühen. Mit einem umgebauten Spionageflugzeug haben Forschere dieses flackernde Gammaglühen nun erstmals nachgewiesen.

Von Markus Brauer

Große Gewitterstürme schießen Ströme von Antimaterie ins Weltall. Das haben Astronomen schon vor einigen Jahren mit dem fliegenden Gammastrahlen-Observatorium „„Fermi Gamma-ray Space Telescope“ (FGST) der US-Raumfahrtbehörde Nasa beobachtet. „Dieses Signal ist der erste direkte Beleg dafür, dass Teilchenstrahlen aus Antimaterie in Gewittern erzeugt werden“, betonte damals „Fermi“-Forscher Michael Briggs von der Universiät von Alabama in Huntsville.

Elektromagnetische Felder in Gewittern

Gewitter erzeugen ein starkes elektromagnetisches Feld, das wie ein gigantischer Teilchenbeschleuniger Elektronen nach oben schleudert. Treffen diese nahezu lichtschnellen Elektronen auf Luftmoleküle, werden sie abgelenkt und gebremst und geben dabei Strahlung ab. Wegen der hohen Geschwindigkeit der Elektronen entsteht energiereiche Gammastrahlung.

 

 

Diese Lichtteilchen haben typischerweise Energien von 20 bis 40 Millionen Volt und können direkt als Terrestrischer Gammablitz wissenschaftlich nachgewiesen werden. Vermutlich sind die kurzen, intensiven Energieentladungen auch an der Entstehung klassischer Gewitterblitze beteiligt.

Zur Info: Ampere, Volt, Spannung

 

 

Energiereiches Phänomen in der Astronomie

Forscher gehen davon aus, dass sich täglich rund 500 solcher Gammablitze weltweit ereignen – fast alle unbemerkt. Einige hat jedoch der im Jahr 2008 in die Erdumlaufbahn gestartete Gammastrahlen-Satellit „Fermi“ registriert. „Fermi“ fahndet eigentlich nach Gammastrahlenausbrüchen aus dem Kosmos.

Gammastrahlen gehören zu den energiereichsten und zugleich rätselhaftesten Phänomenen der Astronomie und entstehen vermutlich unter anderem bei extremen Sternexplosionen, so genannten Hypernovae, oder wenn zwei Neutronensterne miteinander verschmelzen. Neutronensterne sind kollabierte Überreste ausgebrannter Sonnen.

 

 

Zufällige Entdeckung der Gammablitze aus dem Weltall

 

 

Gammablitze in Gewitterwolken

Warum und wann in Gewitterwolken diese terrestrischen Gammablitze entstehen und welche Gammastrahlen-Emissionen sie freisetzen, haben Forscher um Nikolai Østgaard von der norwegischen Universität Bergen jetzt genauer untersucht. Die Studie ist im Fachmagazin „Nature“ erschienen.

A view from a retrofitted spy plane soaring at 20 kilometers up revealed storms glowing and flickering in gamma rays, high-energy light invisible to the eye. https://t.co/EAHH3xbY9M — Science News (@ScienceNews) October 2, 2024

Spannungen von einer Milliarde Elektrovolt freigesetzt

Die Ladungsunterschiede in einer Gewitterwolke können enorme Spannungen von mehr als einer Milliarde Volt erzeugen. Diese entladen sich in Blitzen, die die umgebende Luft in Sekundenbruchteilen in ein Plasma verwandeln. Dabei werden im Extremfall sogar Antimaterie sowie energiereiche Röntgen- und Gammablitze freigesetzt.

 

 

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) in Offenbach definiert Blitze als „Funkenüberschlag großen Ausmaßes zwischen Wolken mit entgegengesetzter Ladung oder zwischen Wolken und der Erdoberfläche“. Die unglaublich Energie, die in Blitzen gespeichert ist, entlädt sich binnen Zehntelsekunden.

Auf die sogenannte Hauptentladung folgen weitere Teilentladungen im Abstand von hundertstel bis tausendstel Sekunden. Durch die explosionsartige Erhitzung der Luft im sogenannten Blitzkanal (innerhalb von Mikrosekunden auf rund 30000 Grad) entsteht dem DWD zufolge der nachfolgende Donner.

 

 

Altes Spionageflugzeug liefert neue Daten

Mithilfe eines umgebauten Spionageflugzeugs aus dem Kalten Krieg, das inzwischen von der Nasa genutzt wird, konnten die Wissenschaftler ganz neue Daten erheben. „Dadurch können wir über die Spitzen der Gewitterwolken hinwegfliegen“, erklärt Østgaard.

Dafür überflog das Team mehrere große Gewitter in der Karibik und Mittelamerika in rund 20 Kilometer Höhe. Das Messflugzeug zeichnete dabei das Geschehen in den Gewitterwolken und an ihrer Oberseite mit fünf verschiedenen Gammastrahlendetektoren, 30 Photometern sowie mehreren Sensoren für elektrische Felder, Radargeräten und Radiometern auf.

 

 

Gammaglühen über 9000 Quadratkilometer

„Wir haben festgestellt, dass tropische Gewitter über dem Ozean und der Küste über Stunden hinweg Gammastrahlen emittieren“, berichten Østgaard und seine Team. Dieses Gammaglühen kann sich über tausende von Quadratkilometern erstrecken und ist nicht selten. Bei neun von zehn Messflügen würde das Gamma-Glühen beobachtet.

„Wie es aussieht, erzeugen nahezu alle größeren Gewitter die ganze Zeit hindurch Gammastrahlen in verschiedenster Form“, berichtet Koautor Steve Cummer von der Duke University in Durham (US-Bundesstaat North Carolina).

 

 

Dabei zeigte sich: Die Gammastrahlung entlädt sich nicht nur in kurzen Blitzen Vielmehr ähnelt es einem dynamischen Flackern oder Brodeln, wie die Wissenschaftler berichten. „Dabei folgen viele wiederkehrende Strahlungs-Peaks von jeweils einige Millisekunden Dauer aufeinander.“ Bei diesen Strahlungsspitzen steigt die Intensität der Gammastrahlung abrupt und kurzzeitig um das bis zu 30-Fache.

„Brodelnder Kessel voller Gammastrahlung“

„Die Bewegungsmuster und das Verhalten dieser gammaglühenden Gewitterwolken ähneln denen eines riesigen, brodelnden Kessels voller Gammastrahlung“, erläutert Erstautor Martino Marisaldi von der Universität Bergen. Dabei wechseln die Ausgangsgebiete des Gammaglühens innerhalb der Wolke ständig.

Insgesamt registierten Østgaard und seine Kollegen bei ihren zehn Messflügen mehr als 500 solcher Gammastrahlen-Nester. Jedes diese Areale erzeugte dabei mehrere Sekunden lang diese sich wiederholenden starken Gammastrahlenspitzen, bevor es wieder abebbte und dann später wieder aufflammte.

 

 

Woher kommt das Gammaglühen in Gewittern?

Anders als die bisher bekannten Gammablitze ist das jetzt neuentdeckte Gammaglühen weder mit normalen Blitzen noch mit Radioemissionen verknüpft. „Das spricht dafür, dass die Blitzentladungen nicht an der Entstehung des flackernden Gammaglühens beteiligt sind“, resümieren Østgaard und seine Kollegen.

 

 

Doch wie werden Gewitterwolken zum brodelnden Gammakessel? „Wir müssen dieses flackernde Gammaglühen als ein neuartiges Phänomen einstufen“, stellen die Forscher fest. Sie vermuten, dass dieses Phänomen eine Art ein „Missing Link“ (Bindeglied) zwischen ultrakurzen Gammablitzen und schwachem Gammaglühen darstellt.

So könnte sich das lang anhaltende Gammastrahlen-Flackern aus dem schwachen Gammaglühen entwickeln und immer intensiver und pulsierender werden. Am anderen Ende dieser Entwicklung stehen dann möglicherweise die einzelnen kurzen Gammablitze (mit dpa-Agenturmaterial)