Zuerst die Frau, dann erst deren Tochter getötet

Tag sieben im Allmersbacher Doppelmordprozess: Spurensicherer der Kripo berichten von Chatverläufen und Blutspurenbildern.

Zuerst die Frau, dann erst deren Tochter getötet

Foto: A. Becher

Von Florian Muhl

ALLMERSBACH IM TAL/STUTTGART. An diesem siebten Verhandlungstag am Stuttgarter Landgericht kommt die sogenannte Spusi, die Spurensicherung der Kriminalpolizei, zu Wort. Ein Beamter von der Kriminalpolizeidirektion Waiblingen, der als Zeuge gehört wird, hat sich um die Auswertung der beiden Mobiltelefone des Angeklagten gekümmert. Ein Kollege von ihm hatte sich die Tatorte in jenem Wohnhaus in Allmersbach im Tal intensiv angeschaut, in dem in der Nacht zum 21. Juni vergangenen Jahres eine 41-jährige Frau und deren neunjährige Tochter getötet wurden.

Vor der Eröffnung des Verfahrens an diesem Tag einigen sich Verteidiger, Anwälte und der vorsitzende Richter Norbert Winkelmann darauf, nicht alle Fotos und Videos, die die Spurensicherung von den Tatorten erstellt hat, auch öffentlich zu zeigen. „Wir verzichten darauf, dass die Familie das nicht zur Kenntnis nehmen muss“, erklärt Winkelmann. Als Nebenkläger sitzen nämlich die Eltern und der Bruder der Getöteten im Verhandlungssaal wie auch der Vater des getöteten Mädchens.

Immer wieder während des Verhandlungstags blicken die Verwandten der beiden Opfer der Bluttat in Richtung des Angeklagten. Doch der Mann, der zur Tatzeit 36 Jahre alt war, würdigt sie keines Blickes. Der gelernte Industriemechaniker aus Mundelsheim, dem zur Last gelegt wird, seine ehemalige Freundin und deren Tochter getötet zu haben, wendet sich die ganze Zeit in Richtung Gericht ab und neigt sich unentwegt weit nach vorn, manchmal sogar so extrem, dass sein Kopf hinter dem Tisch verschwindet. Manchmal scheint es, als lege er seine Stirn auf dem Tisch auf. Dann wieder schlägt er die Hände vors Gesicht und schüttelt leicht den Kopf. Seine Gedanken lassen sich nicht lesen. Ein Wort von ihm ist die ganze Zeit nicht zu hören. Weder als ihn der vorsitzende Richter zu Beginn der Verhandlung fragt: „Wollen Sie heute noch etwas erklären?“

Und auch nicht, als ihn Winkelmann fragt, ob er nicht auch nach vorne kommen wolle, um sich die Fotos und Videos von den Tatorten anzuschauen, die sich nicht öffentlich die Prozessbeteiligten anschauen. Kommentarlos lehnt der Angeklagte die Frage beziehungsweise Aufforderung des vorsitzenden Richters ab.

Der erste Zeuge, ein Kripobeamter der Ermittlungsgruppe Wacholder, hatte die beiden Mobiltelefone der IT-Abteilung der Polizei zur Auslesung der Speicher übergeben. Die meisten der Daten konnten offensichtlich rekonstruiert werden, sogar gelöschte Nachrichten. Der Beamte hatte von diesen Daten einen Zeitstrahl angelegt. So konnten die Prozessbeteiligten sehen: Wer hat wann an wen welche WhatsApp-Nachricht geschrieben beziehungsweise Sprachnachricht versandt.

WhatsApp-Nachricht „Ich bin Amok gelaufen“ wurde rekonstruiert.

So habe der Angeklagte in der Tatnacht an einen Personenkreis von fünf Frauen und Männer geschrieben: „Ich bin Amok gelaufen“ und die namentlich genannte Frau und deren Tochter „haben es offensichtlich nicht überlebt“. Die Reaktionen von Einzelnen aus diesem Kreis seien gewesen: „Was machst du für Sachen?“, „Alles klar bei dir?“ und „Sag’ mal, was machst du?“.

An einen ähnlichen Personenkreis habe er geschrieben: „Ich habe es nicht geschafft, meine Frau zu erlösen.“ Von seiner damals 38-jährigen Ehefrau, mit der er zwei Kinder hat und die in Gaildorf wohnt, lebt der Angeklagte getrennt. Der Polizeibeamte zitiert dann auch noch etliche böse und verletzende Sprachnachrichten des Angeklagten an die 41-jährige ehemalige Lebensgefährtin.

Ein zweiter Polizeibeamter schildert penibel genau, was die Beamten in dem Haus, in dem Mutter und Tochter zwei Stockwerke bewohnt haben, vorgefunden haben. Auch wenn auf das Zeigen der schlimmsten Fotos und Videos verzichtet wird, setzen allein schon die Schilderungen den Prozessbeobachtern sehr zu. Für einige Zeit verlässt ein Teil der Nebenkläger den Gerichtssaal. Richter Winkelmann sagt, dass er das hier in der Art durchziehen müsse. Er wisse, dass es bisweilen für Angehörige schwer zu ertragen sei, sich die Schilderungen anzuhören. Es bestehe deshalb jederzeit die Möglichkeit, den Saal zu verlassen. „Das hier ist keine Mutprobe“, sagt er.

Deutlich wird anhand der Erläuterungen des Zeugen, dass sich der Täter wohl in der Küche bedient hat und dort zwei Messer, die Tatwaffen, aus einer Schublade geholt hat. Mit einem speziellen Verfahren der Blutanalysen der aufgefundenen Spuren sei auch festgestellt worden, dass zunächst die Frau getötet worden sei und danach deren Tochter.