Zweieinhalb Jahre Jugendgefängnis für Messerstecher

Richter am Landgericht begründet: Es lag zwar keine Tötungsabsicht vor, aber der 20-Jährige musste mit dem Tod des 16-Jährigen rechnen.

Zweieinhalb Jahre Jugendgefängnis für Messerstecher

Der 20-Jährige musste vom Gerichtssaal gleich wieder ins Gefängnis zurück.

Von Heike Rommel.

Fellbach. Zwei Jahre und sechs Monate Jugendgefängnis lautet das Urteil des Stuttgarter Landgerichts im Prozess eines 20-Jährigen, der in Fellbach einen 16-Jährigen lebensgefährlich mit dem Messer verletzt hat (wir berichteten). Die Tatwaffe ist nach wie vor nicht gefunden worden. Kurz vor der Urteilsverkündung lag allerdings ein Messer im Briefkasten der Eltern des Opfers, was für den Prozess jedoch keine Rolle mehr spielte. Ob es sich dabei überhaupt um die Tatwaffe handelt, ist unklar.

Einfließen ließ der Vorsitzende Richter Johannes Steinbach die Sache mit dem Messer im Briefkasten aber doch noch in den Prozess – zumindest am Rande. Staatsanwalt Timo Kaufmann hakte nach, wer das Messer in den Kasten eingeworfen hatte. Auf das Urteil hatte der Zwischenfall keine Auswirkung mehr.

Auf zweieinhalb Jahre Jugendhaft verurteilte die dritte Strafkammer den 20-Jährigen schließlich nicht wegen versuchten Totschlags (wie von der Anklage gefordert), sondern wegen gefährlicher Körperverletzung. Der Verurteilte, zum Tatzeitpunkt am 7. Januar dieses Jahres mit einer Freundesgruppe unterwegs, die bereits regelmäßig am Berliner Platz und in der Fellbacher Innenstadt Beschwerden von Anwohnern auf sich gezogen hatte, habe nicht vorgehabt, den 16-Jährigen zu töten. Gewusst habe dieser aber schon, dass es lebensgefährliche Folgen haben könne, einem Menschen ein Messer in die Brust zu stechen. Wie es zu dem zweiten Messerstich in die Ellenbeuge des 16-Jährigen gekommen war, konnte vor Gericht nicht mehr aufgeklärt werden.

Die jungen Männer stritten sich wegen ihrer Beziehung zu einer 16-Jährigen

Zur Vorgeschichte des Vorfalls berichtete Richter Johannes Steinbach bei der Urteilsbegründung, der 20-Jährige und der 16-Jährige seien beide in Fellbach aufgewachsen. Die zwei jungen Männer sollen sich um ihre Beziehung zu einer 16-Jährigen gestritten haben. Mit dieser hat der 20-Jährige ein Kind. Die beiden leben aber nicht zusammen. „Erst war sie mit dem 16-Jährigen befreundet, dann mit dem Angeklagten liiert“, blickte Richter Steinbach bei der Beweisaufnahme zurück. Der 20-Jährige habe den Eindruck gehabt, dass sich zwischen dem 16-Jährigen und der jugendlichen Kindsmutter wieder eine romantische Beziehung anbahne. Deshalb habe er den Jüngeren auf den Berliner Platz beordert – mit dem Messer in der Jackentasche, nachdem bereits die Gerüchteküche im Freundeskreis gebrodelt hatte. Richter Steinbach kritisierte das Frauenbild des 20-Jährigen und wies darauf hin, dass eine junge Frau Nachrichten schicken könne, an wen sie wolle.

Zurück zum Tathergang: Vor Ort begrüßte der 20-Jährige seinen „Kontrahenten“ mit Ohrfeigen. Der 16-jährige Hobbyboxer wehrte sich mit Fäusten, woraufhin der 20-Jährige das Messer zog und zustach. Einige Kumpels, die vor Ort waren, halfen dem Verletzten anschließend, vor Gericht schrammten sie als Zeugen aber knapp an Anklagen wegen Falschaussage vorbei.

Was für den 20-Jährigen spreche, sei, dass er nach der Tat von seinem Opfer abließ und einfach nach Hause ging, so der Richter. Er habe nicht wissen können, wie schwer der 16-Jährige verletzt worden war. Letzterer habe das viele Blut selbst erst gesehen, als er seine Winterjacke öffnete. Nach dem Zureden seiner Eltern habe sich der 20-Jährige dann auch widerstandslos von der Polizei festnehmen lassen.

Die Situation auf der Opferseite war derweil: eine lebensgefährliche Verletzung an der Lunge und die Eltern in Todesangst um ihren Sohn, der vermutlich ein Ausbildungsjahr wiederholen muss. Im Zuge eines Täter-Opfer-Ausgleichs hat der 16-Jährige zwar 10000 Euro Schmerzensgeld, aber keine Entschuldigung von dem 20-Jährigen angenommen.

Der 20-Jährige musste vom Gerichtssaal gleich wieder ins Gefängnis zurück

Aus der Sicht des Gerichts ist Letzterer – ohne Berufsausbildung und noch im elterlichen Haushalt lebend – mit seiner frühen Vaterschaft völlig überfordert. Die Verurteilung zu einer Jugendstrafe, wie sie der Fellbacher Verteidiger Bernd Kiefer gefordert hatte (im Fachjargon Vorbewährung genannt), kam für die Kammer aber nicht in Betracht. Sie fand im Fall des 20-Jährigen sowohl schädliche Neigungen als auch eine Schwere der Schuld. Richter Johannes Steinbach riet dem Verurteilten abschließend: Es wäre gut, wenn er im Jugendgefängnis in die Schule gehen und anschließend eine Ausbildung machen würde. Mit dem Urteil bleibt der Haftbefehl des Amtsgerichts Waiblingen in Vollzug. Der 20-Jährige musste vom Gerichtssaal gleich wieder ins Gefängnis zurück.