Sie wählen den Pfarrer, lesen im Gottesdienst aus der Bibel, müssen sich aber auch um weltliche Dinge wie Immobilien und Finanzen kümmern. In den evangelischen Gemeinden werden morgen die Kirchengemeinderäte neu gewählt. Renate Szameitat aus Großaspach hat dieses Ehrenamt 27 Jahre lang ausgeübt und sagt: „Die Arbeit war für mich sehr erfüllend.“
27 Jahre lang hat Renate Szameitat die Arbeit an der Großaspacher Julianakirche mitgestaltet. Bei der morgigen Wahl tritt die Kirchengemeinderätin nun nicht mehr an. Foto: J. Fiedler
Von Kornelius Fritz
ASPACH. „Ich habe mich früh für Jesus Christus entschieden. Das ist der rote Faden in meinem Leben“, erklärt Renate Szameitat. Schon in Niedersachsen, wo sie aufgewachsen ist, war sie in der Kirche aktiv. Nach dem Umzug nach Backnang vor fast 50 Jahren schloss sie sich zunächst der Liebenzeller Gemeinschaft an, 1980 ging es dann mit der Familie nach Großaspach, wo sie gleich Mitglied im Kirchenchor wurde. Trotzdem hat sie gezögert, als sie 1984 gefragt wurde, ob sie für den Kirchengemeinderat kandidieren möchte. „Ich habe überlegt, ob ich mir das zutraue“, erinnert sie sich. Außerdem hatte sie Zweifel, ob sie als „Reigschmeckte“ überhaupt gewählt würde. Doch aus der Gemeinde bekam sie viel Zuspruch und bei der Wahl die nötigen Stimmen. Es sollte nicht bei einer Wahlperiode bleiben: Mit Unterbrechungen war die heute 71-Jährige insgesamt 27 Jahre in dem Gremium aktiv.
Ihr Engagement sieht Renate Szameitat, die bis zur Rente die Cafeteria im Pflegeheim Staigacker geleitet hat, als Beitrag, um die frohe Botschaft der Bibel weiterzugeben: „Wir sind Botschafter an Christi statt“, zitiert sie aus dem Korintherbrief. Die Themen, mit denen sich ein Kirchengemeinderat beschäftigen muss, sind allerdings oft sehr weltlich. Da geht es um neue Böden im Kindergarten, die Toiletten im Gemeindehaus oder um die energetische Sanierung des Pfarrhauses. In Großaspach steht in Kürze auch eine Renovierung der Julianakirche an – ein Millionenprojekt.
Jede Sitzung endet mit einem Gebet
Der Kirchengemeinderat tagt einmal im Monat, die Sitzungen dauern bis zu drei Stunden. Doch damit ist die Arbeit noch nicht getan: Die vierfache Mutter war außerdem Mitglied in der Verbandsversammlung der Diakoniestation, hat ihre Gemeinde in der Bezirkssynode und im Kirchenbezirksausschuss vertreten und beim Mittagstisch der Gemeinde geholfen. Und natürlich sollte ein Kirchengemeinderat auch regelmäßig im Gottesdienst präsent sein. Zum Teil übernehmen die Ehrenamtlichen dort auch Aufgaben, etwa die Schriftlesung oder das Austeilen des Abendmahls.
Alles in allem schätzt Renate Szameitat den Zeitaufwand auf etwa drei Stunden pro Woche, doch sie hat diese Zeit gerne investiert. Denn der Kirchengemeinderat habe einiges bewegt: So hat die Gemeinde etwa ein monatliches Kirchencafé und den wöchentlichen Mittagstisch ins Leben gerufen, Gottesdienste im Grünen organisiert und eine „Kirche für kleine Leute“. Oder ganz neu das „Projekt M“, eine Veranstaltungsreihe mit Musik und Gästen, die auch Menschen erreichen will, die nicht zu den regelmäßigen Kirchgängern gehören.
Auch für Personalfragen ist der Kirchengemeinderat zuständig: Pfarramtssekretärin, Chorleiter, Organist, Mesner, Kirchenpflegerin, Erzieherinnen – die Gemeinde beschäftigt eine ganze Reihe von Mitarbeitern. Der wichtigste ist natürlich der Pfarrer. Renate Szameitat hat während ihrer Zeit als Kirchengemeinderätin drei Pfarrer mit ausgewählt. „Dabei haben wir immer ein gutes Händchen gehabt“, sagt sie rückblickend. Zwei ehemalige Großaspacher Pfarrer sind später sogar zu Dekanen aufgestiegen.
Bisweilen geht es im Kirchengemeinderat auch um Grundsätzliches. So wurde in Großaspach vor einiger Zeit über die Frage diskutiert, ob der Pfarrer auch Verstorbene beerdigen darf, die aus der Kirche ausgetreten sind, wenn die Angehörigen dies wünschen. Man einigte sich auf einen Kompromiss: Eine geistliche Begleitung der Hinterbliebenen ist im Einzelfall möglich – allerdings ohne Talar und Glockengeläut. Ein anderes Thema, das die evangelischen Christen zurzeit beschäftigt, ist die öffentliche Segnung homosexueller Paare. Neuerdings darf der Kirchengemeinderat diese mit einer Zweidrittelmehrheit zulassen. Auch in Großaspach wurde darüber schon diskutiert, allerdings noch keine Entscheidung getroffen, auch weil es bisher keine konkrete Anfrage gab.
Nicht immer sind sich die Kirchengemeinderäte einig, manchmal wird auch kontrovers diskutiert. Die Atmosphäre im Gremium hat Renate Szameitat trotzdem als positiv empfunden: „Es wurde immer an der Sache diskutiert und nicht an Personen“, erzählt sie. Und wenn die Mehrheit entschieden hatte, dann wurde das Ergebnis von allen akzeptiert. Schließlich fühlt sich der Kirchengemeinderat dem Geist Gottes verpflichtet: Jede Sitzung beginnt deshalb mit einer Andacht und endet mit einem Gebet.
Für Renate Szameitat geht ihre Zeit als Kirchengemeinderätin mit der morgigen Wahl zu Ende. „Es ist wichtig, auch loslassen zu können“, findet sie, und mit knapp 72 Jahren sei dieser Zeitpunkt für sie gekommen. Umso mehr freut es sie, dass es der Gemeinde wieder gelungen ist, neue, junge Kandidaten für die Wahl zu gewinnen – die Jüngste ist gerade mal 23 Jahre alt. „Die werden bestimmt viel auf die Beine stellen“, ist die erfahrene Kirchengemeinderätin überzeugt.