Anlauf zum Endspurt – mit Tim Suton

Der Lemgoer rückt für den verletzten Martin Strobel nach

Von Jürgen Frey

Abschied - Der verletzte Balinger Martin Strobel packt schweren Herzens die Koffer, sein Nachrücker steht schon fest.

Köln Christian Prokop wirkte gelöst, er lächelte und machte auch mal ein Späßchen. Der Handball-Bundestrainer war nach dem Einzug ins WM-Halbfinale von einer Last befreit und hatte am handballfreien Dienstag nur einen sehnlichen Wunsch: Abschalten. Entspannen. Runterkommen. Beim Joggen tankte er Energie für den bevorstehenden Turnier-Endspurt. Und in der Hotel-Sauna wollte er auch noch schwitzen. „Hoffentlich ist die eingeschaltet“, sagte Prokop und grinste. Die Auszeit vor dem Hauptrunden-Abschluss gegen Europameister Spanien an diesem Mittwoch (20.30 Uhr/ARD) hatten er und die Mannschaft sich verdient.

Zuvor musste noch eine wichtige Entscheidung getroffen werden: Wer ersetzt Pechvogel Martin Strobel? Wer ersetzt den Spielmacher von Zweitligist HBW Balingen-Weilstetten, der sich beim 22:21 gegen Kroatien so schwer am Knie verletzt hatte? Die Wahl fiel auf Tim Suton. Das war keine Riesenüberraschung, da der Spieler vom TBV Lemgo Lippe schon im 18-Mann-Kader stand, mit dem Prokop die letzten Lehrgänge vor der WM absolvierte. „Tim hatte damals schon die Absicherungsrolle für Martin Strobel übernommen und überzeugt“, begründete Prokop seine Wahl. Suton ist zwar erst 22 Jahre alt, doch er bringt viel Raffinesse, Kreativität und Spielwitz mit. „Er hat das typische Jugo-Gen“, sagt der Ex-Göppinger Bundesliga-Trainer Velimir Petkovic, der dessen 2016 verstorbenen Vater Goran Suton einst aus Kroatien als Kreisläufer zum Club HC Wernau holte. Daraus erklärt sich auch der Geburtsort von Tim Suton, Kirchheim/Teck.

Zuvor war auch über eine Nominierung von Tobias Reichmann als zweitem Rechtsaußen spekuliert worden, da Patrick Groetzki gegen Kroatien einen ganz schwachen Tag erwischte und ihm kein einziger Treffer gelang. „Wir messen Patrick nicht nur an seiner Wurfeffizienz“, verteidigte Prokop den Linkshänder von den Rhein-Neckar Löwen. Gegen Spanien werde Groetzki 30 Minuten spielen. Das zeigt: Die Kräfte werden mit Blick auf das Halbfinale am Freitag verteilt. Es geht im letzten Hauptrundenspiel „nur“ noch um den Gruppensieg. Was nicht heißt, dass es gegen Spanien zu einem belanglosen Schaulaufen ­kommen soll.

Doch im Vordergrund steht natürlich schon das Halbfinale, in dem es in Hamburg entweder gegen Dänemark, Norwegen oder Schweden geht. Martin Strobel führt die Reise dagegen in den OP-Saal. Zuvor hatte sich der Balinger beim letzten gemeinsamen Essen mit einer hochemotionalen Rede von seinem Team verabschiedet. „Er hat sich für die geile Zeit bedankt und uns alles Gute gewünscht“, sagte Prokop. DHB-Vizepräsident Bob Hanning gestand, dies sei für ihn „einer der bewegendsten Momente im Sport“ gewesen: „Ich bin rausgegangen und habe ein paar Tränen verdrückt.“ Ab jetzt folgen hoffentlich nur noch Freudentränen.