Mehr Mehrweg statt Einweg bei Weinflaschen
Eine württembergische Initiative hat ein Mehrwegsystem für 0,75-Liter-Weinflaschen jüngst in Düsseldorf auf der Fachmesse „Pro-Wein“ vorgestellt. Ein Riesenschritt in Richtung Nachhaltigkeit im Weinbau.
Von Florian Muhl
Rems-Murr. Für Bierflaschen gibt’s Flaschenpfand, auch Sprudelflaschen erkennt der Pfandautomat und schreibt ein Paar Cent gut, bei Wein akzeptiert er fast alle Literflaschen. 0,75-Liter-Weinflaschen spuckt er wieder aus. Dafür gibt’s kein Pfandgeld zurück. Das heißt, diese Flaschen landen günstigstenfalls im Glascontainer und erhöhen den Müllberg. Mehrwegflaschen aus der Region sind laut Umweltbundesamt die umweltfreundlichsten Getränkeverpackungen. „Nach der Reinigung der Flaschen und Gefäße werden diese erneut gefüllt und dem Warenkreislauf wieder zugeführt. Glasmehrwegflaschen können bis zu 50-mal wiederbefüllt werden“, teilt das Amt mit. Aus diesem Grund hat dieser Tage eine württembergische Initiative auf der Fachmesse Pro-Wein in Düsseldorf ein Mehrwegsystem für 0,75-Liter-Weinflaschen vorgestellt. Dort präsentierte Werner Bender, Vorstand der eigens gegründeten Wein-Mehrweg eG, die neu designte Flasche. Sie ist dunkelgrün, hat einen ungewöhnlich langen Flaschenhals und einen robusten Stoßrand. Derzeit sind zehn Württemberger Weingärtnergenossenschaften Mitglied in der Wein-Mehrweg eG: unter anderem die Genossenschaftskellerei Heilbronn, die Lauffener Weingärtner, die Württemberger Zentralgenossenschaft, die Heuchelberg Weingärtner und das Collegium Wirtemberg aus Stuttgart.
„Wir machen da vorerst definitiv nicht mit“, sagt Joachim Schöffler von der Weingärtnergenossenschaft (WG) Aspach auf Anfrage unserer Zeitung. Auf der Fachmesse seien gleich zwei Systeme aus Württemberg vorgestellt worden. „Mit zwei verschiedenen Flaschen ein Pfandsystem zu eröffnen, ist relativ schwierig“, erklärt Schöffler. „Von daher ist das Wein-Mehrweg-System unserer Meinung nach noch nicht reif für den Markt und das wird noch ein Weilchen dauern, bis es dann so weit ist.
Gewünscht wird eine deutschlandweite oder besser noch eine EU-weite Regelung
„Ich sag schon lang, da brauchen wir ein Pfandsystem, weil eine Menge Flaschen draufgeht. Aber dann braucht man einfach eine deutschlandweite, wenn nicht sogar eine EU-weite Regelung, um das System vernünftig zu gestalten“, sagt Schöffler. Er findet den Vorstoß in Sachen Mehrwegsystem dennoch gut. „Es war relativ überraschend, dass Lösungen schon auf der Pro-Wein vorgestellt wurden, weil Ende letzten Jahres hat da noch kein Mensch davon geredet und innerhalb von zwei Monaten ist das quasi hochgekommen, bis zum Jahresende sieht vielleicht alles wieder ganz anders aus.“
Marco Holzwarth vom gleichnamigen Weingut in Kleinaspach hat zwar von dem jüngst vorgestellten Pfandsystem schon gehört, sich aber damit noch nicht befasst. Von Kollegen habe er gehört, dass noch Vorbehalte bestehen würden. Trotzdem will er sich der Idee nicht verschließen. Im Gegenteil: „Das wäre natürlich auch für uns eine enorme Kosteneinsparung. Im Literbereich ist es ja schon so. Bei über 40 Cent liegt aktuell eine 0,75-Liter-Weinflasche im Einkauf.“ Diese seien momentan auch teilweise gar nicht mehr zu bekommen. „Wenn das alles mal funktionieren wird mit dem Spülen und man sich auf eine Flasche einigt, dann wäre das natürlich super.“
Bislang sind nur wenige Betriebe im Boot
„Im Prinzip ist das eine positive Entwicklung und schon längst überflüssig“, sagt Christoph Kern, schränkt aber gleich seine Aussage etwas ein: „Ob es in diesem relativ kleinen Maßstab funktionieren wird, muss man prüfen“, so der Geschäftsführer Wilhelm Kern GmbH in Kernen-Rommelshausen, die die Weine der WG Aspach und auch von Holzwarth ausbaut. Seines Wissens seien bislang nur die zehn oder zwölf größten Betriebe in Württemberg mit im Boot. „Dieser Pool wird zu klein sein für ein flächiges Mehrwegsystem. Der Handel wird es mitmachen, wenn das Ganze eine kritische Größe überschreitet.“ Da müsse man jetzt noch ein paar Betriebe für das Thema begeistern müssen.
„Ich hab davon gehört, dass das Dreiviertelsystem jetzt auch aufs Pfandsystem umgestellt werden soll, da ist es schon lang Zeit dafür“, sagt Andreas Schwarz. Der Chef von Weinbau Schwarz in Allmersbach am Weinberg weist aber darauf hin, dass derzeit noch verschiedene Verschlusssysteme von Weinflaschen im Umlauf sind. Auch das Thema müsse letztlich geregelt sein. Weinbau Schwarz ist ein kleiner Betrieb, der alles allein macht, vom Anbau über den Ausbau und die Abfüllung bis hin zum Verkauf.
Auf die Flaschen kommt’s an, auch auf dem Band
Die Abfüllanlage läuft bei Weinbau Schwarz nicht auf Band. Da spiele es keine Rolle, wenn die gespülten Flaschen ein wenig unterschiedlich sind, je nach Charge. „Wenn einer aber eine Bandanlage hat, die etwas empfindlich ist, dann kann es durchaus sein, dass wenn eine Flasche, die nicht sauber durchläuft, das Band ins Stocken geraten kann. Da gibt’s mittlerweile viele Weinbaubetriebe, die machen da nicht lange rum, die nehmen nur noch Neuglas.“
Werner Bender kennt all diese Vorbehalte. Trotzdem ist der Vorstand der Wein-Mehrweg eG optimistisch, dass sich das System durchsetzen wird. Zwar seien es derzeit nur zehn Mitgliedsunternehmen. Aber Bender macht folgende Rechnung auf: „Von den bundesweit 100000 Hektar Rebflächen hat Württemberg 11000, davon haben die Mitgliedsbetriebe 5200 Hektar. Das bedeute, dass hinsichtlich der Rebflächen bereits fünf Prozent der Weinbauer hinter unserem Mehrwegpfandsystem stehen.“ Es sei bereits getestet worden, dass die eigene Flasche spülbar und auch befüllbar sei. Zudem habe der größte Anbieter von Pfandflaschenautomaten getestet und festgestellt, dass die Flaschen darin erkannt werden. „Wenn alles gut geht, werden die Flaschen produziert und wir können sie Mitte des Jahres in die Betriebe bringen.“
Teillösung Die Fellbacher Weingärtner machen nicht mit beim neuen Mehrwegsystem der Wein-Mehrweg eG. Wenn Vorstand Thomas Seibold ein Pfandsystem für die 0,75-Liter-Abfüllungen einführt, dann will er, dass es natürlich dem Umweltgedanken Rechnung trägt, berichtet die Waiblinger Kreiszeitung. Er will aber auch, dass es ihm das Leben und Arbeiten nicht schwerer macht. Und das System der Wein-Mehrweg eG stellt ihn noch nicht komplett zufrieden. So gut es sei, sagt Seibold, es sei „nur ein Einstieg, eine Teillösung“.
Flaschendesign Das fängt beim banalsten, aber elementarsten Teil an: der Flasche. Die Flasche von Wein-Mehrweg ist bislang ausschließlich grünlich-bräunlich. Weiß- oder Roséweine will Thomas Seibold in diese Flasche nicht abfüllen. Das passe nicht.
Überangebot Würde er dennoch einsteigen, hätte er neben dem alten Liter-Flaschen-Pfandsystem noch das neue Pfandsystem und aber auch noch die alten Einwegflaschen für all die Weine, die er nicht in den neuen Mehrwegflaschen sehen will. Wenn Seibold zwei Mehrwegsysteme hätte und dazu noch die Einwegflaschen, dann müsste er viel mehr Flaschen vorrätig halten.
Platzmangel Das nächste Problem sei der Platz: Mehrwegflaschen kommen nicht in Kartons, sondern in Kunststoffkisten. Auf dass das Ganze als Gesamtheit wieder zurückgegeben wird. Die Kästen aber sind sperriger als die Kartons. Es gehen viel weniger auf eine Europalette. Es braucht also mehr Europaletten.