Architektur-Ausstellung in Stuttgart

Aus dem Dornröschenschlaf erweckt – preisgekrönte Umbauten im Land

Ausgediente Reithallen werden zu Treffpunkten für die Bürgerschaft, Lagerhallen erstrahlen als Kunstorte – gelungene Umbauten in Deutschland und der Schweiz sind in der Raumgalerie in Stuttgart zu entdecken.

Preisgekrönter Umbau: Alte Reithalle in Achern in Baden-Württemberg.

© db/Patrick Moehrle

Preisgekrönter Umbau: Alte Reithalle in Achern in Baden-Württemberg.

Von Nicole Golombek

Architektur ist Baukultur, manchmal auch Baugeschichte – und gelegentlich Zeugnis großer Politik sowie dank der Weitsicht einer privaten Bauherrschaft ein preiswürdiges Projekt. Die ehemalige Reithalle in Achern, etwa 18 Kilometer südwestlich von Baden-Baden, ist ein solches schon fast allzu bedeutungsbeladenes Gebäude. Jetzt hat sie schon die zweite Architekturauszeichnung erhalten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb die siegreiche französische Armee in der Gegend, die Besatzer bauten 1946 eine Reithalle für die Offiziersausbildung. 1994 verabschiedeten sich die französischen Nachbarn mit einem großen Fest aus Achern, ein Jahr später kaufte der Bund das Gebäude.

Engagierte Bauherren retten eine Halle

Nach Kunstausstellungen, einem Brand und langen Jahren Nichtnutzung wurden Astrid und Gerold Weber die neuen Besitzer und beschlossen, den Backsteinbau behutsam sanieren zu lassen. Neben Wohnungen finden sich dort nun Geschäfte, eine Markthalle, ein Café. Das mutige Bauherrenpaar wird ebenso wie der Architekt stets mitgenannt, wenn wieder eine Auszeichnung vergeben wird.

Nach dem Staatspreis Baukultur des Landes Baden-Württemberg 2024 in der Sparte Gewerbe- und Industriebau zeichnete nun die Jury des Wettbewerbs „Respekt & Perspektive - Bauen im Bestand“, ausgelobt von der Deutschen Bauzeitung, den Umbau des Gebäudes durch das Büro Michael Welle Architektur aus Offenburg mit dem ersten Preis aus.

Gelobt wurde folgendermaßen: „Wohnungen, Büros, eine kleine Markthalle und ein Café beleben hier nicht nur das Gebäude, sondern bilden darüber hinaus einen Identifikationspunkt für das umliegende Neubauquartier. Mit dem Baudenkmal ging man dabei vorbildlich um und tauschte nur das Nötigste an Substanz aus.“

Lagerhalle wird Kunsttempel

Auch deshalb waren die Jurys vermutlich so beeindruckt, weil hier ein lange Zeit leer stehendes Baudenkmal von engagierten Bürgern wieder belebt wurde. Ob ein Großinvestor das Gebäude erhalten hätte? Ob er, wie die Bauherrschaft, nicht die maximale Fläche ausgenutzt und stattdessen den Charakter der Halle erhalten hätte? So oder so, gelungen ist es, einen guten Treffpunkt für die Menschen vor Ort und für Architekturreisende zu schaffen.

Das trifft auch auf den zweiten Hauptsieger zu, das Kunsthaus Baselland in Münchenstein in der Schweiz, rund 150 Kilometer südlich von Achern. Buchner Bründler Architekten aus Basel haben eine ehemalige Lagerhalle in ein Haus für moderne Kunst verwandelt.

Die Jury lobte auch den gestalterischen Ansatz:„Drei Betontürme durchstoßen das Dach, verweisen in ihrer skulpturalen Qualität zeichenhaft auf den Inhalt des Gebäudes und sorgen städtebaulich dafür, dass sich die alte flache Halle gegen ihre mehrgeschossige neue Nachbarbebauung behaupten kann.“

Schon mal erste Eindrücke von den beiden Arbeiten sammeln lassen sich in Stuttgart in der Raumgalerie, da sind noch bis Ende Januar 2025 die Reit- und die Kunsthalle neben sieben weiteren Umbauten (für die Anerkennungen ausgesprochen wurden) in Bild und Text ausgestellt, darunter der „Mehrzweckraum Luise19 in Werder“ von undjurekbrüggen aus Berlin, der es auf die Shortlist zum DAM-Preis 2025 geschafft hat.

Die preisgekrönten Beispiele zeigen eindrücklich, wie Umwidmung das Land- und Stadtbild prägt und aufwertet. Abreißen und neu bauen ist eben nicht immer die bessere Alternative.

Info

PreisDer db-Wettbewerb der db deutsche bauzeitung wird seit 2014 alle zwei Jahre vergeben und ist mit 10 000 Euro dotiert.

Anerkennungenwerden ebenfalls ausgesprochen, bei der diesjährigen Runde „Respekt und Perspektive - Bauen im Bestand“ gleich siebenfach: für eine „Umgenutzte Scheune in Nesslau“, durch Studio Noun aus Zürich, den „Kornversuchsspeicher“ in Berlin von AFF Architekten aus Berlin, die „Gellert-Schule in Basel“ von MET Architects aus Basel. Der „Mehrzweckraum Luise19 in Werder“ von undjurekbrüggen aus Berlin. Eine Anerkennung gab es zudem für die„Wohnbebauung Tellis in Aarau“ von Meili, Peter & Partener Architekten aus Zürich, die „Hyparschale in Magdeburg“ von gmp Architekten von Gerkan, Marg und Partner (Hamburg/Berlin) sowie das „Ehemalige Gemeindezentrum in Bad Kissingen“ von Schlicht Lamprecht Kern Architekten aus Schweinfurt mit Tragraum Ingenieure aus Bad Kissingen.

AusstellungDie ausgezeichneten Projekte sind bis zum 29. Januar 2025 in der Raumgalerie Stuttgart (Ludwigstraße 73, www.dieRaumgalerie.de) zu sehen (Öffnungszeiten: Mo-Do 11-19, Fr 14-19, Sa 13-18 Uhr) und vom 13. bis 17. Januar 2025 auf dem db-Stand auf der Messe BAU in München (Eingang West).

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Erstellt:
30. Dezember 2024, 08:16 Uhr

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