Konzert in Stuttgart
Betörend: So war’s bei Berq im Wizemann
Dieser Musiker ist gerade einmal 20, doch seine Lieder sind durchdacht bis zum letzten Ton und zum letzten Wort: Das zeigt seine Show am Mittwochabend im komplett ausverkauften Wizemann. Kritik und Setlist von einem ungewöhnlichen Konzert.
Von Alexander Ikrat
Berq ist für seine meist jungen Fans wie ein Monolith in bewegten Zeiten: Wie der 20-Jährige Innerstes reflektiert, das gibt vielen Halt. Seine Texte sind hörenswert, einfach in der Wortwahl und trotzdem hintersinnig – und immer mit Gefühl, mit Seele. „Seit heut sind wir nie mehr, Atem schwer, mein Herz liegt quer; Such zu tief im Glas nach dir, wie wär’s? Ich fahr zu dir“, lauten solche Zeilen aus den aktuellen „Pirouetten“, die Berq am Mittwochabend in der mit 1300 Menschen ausverkauften Halle Im Wizemann in Stuttgart als eine von drei Zugaben singt.
Doch was heißt hier Song und was heißt Singen? Berq oder Felix Drautzenberg, wie der gebürtige Hamburger mit bürgerlichem Namen heißt, singt nicht einfach, seine zunächst sonore Stimme erklimmt mühelos mehrere Oktaven fast bis ins Falsett, und in Stuttgart bemüht er sich vom ersten Moment an, seine betörende Kunst auch an den Mann und die Frau zu bringen. „Ihr könnt laut singen!“, stellt Berq nach den ersten Songs fest und fragt: „Aber könnt ihr auch schön singen? Der nächste ist ein besonders schön singender Song!“ Zumindest für „Heimweg“ klappt’s.
Das Kunstvolle verliert live teilweise an Gewicht
So geht das bei Berq. Er tüftelt Texte wie Töne aus bis hin zur Perfektion, weshalb der alte Begriff Liedermacher es besser trifft als der junge Singer-Songwriter. Berq schafft sphärische Stücke mit Dutzenden Tonspuren seiner eigenen Stimme, die aus dem Computer kommen und ebenso vielstimmigen Streichern. Das Kunstvolle, das sich mit charismatischem Timbre auf seinem Debütalbum „Berq“ so wunderbar erschließt, verliert im Wizemann teilweise an Gewicht. Der Sound ist ungewöhnlich laut und Berqs Live-Gesang wird vom Support aus dem Computer manchmal regelrecht weggedrückt.
Das ist den meisten der 1300 an diesem Abend eher egal. Gefühlt vier von fünf vorwiegend weibliche Altersgenossinnen von Berq kennen jede Zeile auswendig und schmettern sie mit, auch wenn die leisen Nuancen live etwas untergehen.
Auf der Bühne punktet Berq noch mit einer anderen, vielleicht überraschenden Herangehensweise; er wirkt hier so gar nicht introvertiert, sondern wie ein guter Freund. Knüpft von Anfang an Kontakt zum Publikum, unterbricht zweimal einen Song, als er über den Knopf im Ohr hört, dass jemand Hilfe braucht (welcher Art, wird nicht aufgeklärt), begrüßt seine Mutter und sogar seinen Opa (um den es in „Tourettes“ mit Berq am E-Piano geht), taucht zu „Blauer Ballon“ überraschend auf einem Hochstuhl im Publikum auf und singt „Echo“ im Duett mit einer Besucherin, die das Stück erstaunlich professionell intoniert.
Zwischen Berq und sein Publikum passt kein Blatt Papier
Wie bei anderen Songwritern passt zwischen Berq und sein Publikum in den nicht ganz eineinhalb Stunden kein Blatt Papier. Dazu braucht es kein Gehabe, keine Pose – nur Zugewandtheit. Im Wizemann wird deutlich, warum der Wahl-Berliner 189.000 Follower auf Instagram und 223.000 auf Tik-Tok hat, wo sein Erfolg begründet wurde. Und wer sich ganz auf die Kunst des jungen Mannes konzentrieren will, hört auf dem Heimweg einfach noch mal in aller Ruhe das Album durch.
Berqs Setlist in Stuttgart
1. Outro
2. Heimweg
3. Licht geht aus
4. 2 Minuten
5. Träumen
6. Schleierkraut
7. Still
8. Wenn du weinst
9. Alleine
10. Vergissmeinnicht
11. Im Wind (Interlude)
12. Blauer Ballon
13. Einmal verliebt (Intro)
14. Einmal verliebt (Outro)
15. Tourrettes
17. Echo
18. Mein Hass tritt dir die Haustür ein
Zugaben:
1. Achilles
2. Pirouetten
3. Rote Flaggen