„Olaf Jagger“ im ZDF

Ist der Komiker Olaf Schubert ein Rockstar-Kind?

Der Film „Olaf Jagger“ ist eine sogenannte Mockumentary und hat weit mehr zu bieten, als eine originelle Grundidee.

Die Ähnlichkeit mit Mick Jagger ist frappierend: Olaf Schubert

© Imago /Matthias Wehnert

Die Ähnlichkeit mit Mick Jagger ist frappierend: Olaf Schubert

Von Tilmann P. Gangloff

So ein Nachlass hat schon manche Überraschung offenbart: Man ahnt nichts Böses, räumt den Keller aus und macht eine Entdeckung, die das gesamte bisherige Leben infrage stellt. So erging es auch Olaf Sch., einem weit über die Grenzen seiner Dresdener Heimatstadt hinaus bekannten sächsischen Heiterkeitsverbreiter, als er nach dem Tod der Mutter diverse Tonbänder fand. Eine der Aufzeichnungen dokumentiert ein Interview, das sie 1965 als Redakteurin des ostdeutschen Jugendradios DT64 mit dem damals noch sehr jungen Mick Jagger geführt hat, im westfälischen Münster, beim ersten Konzert der Rolling Stones in der BRD.

Das allein ist schon ein Knüller, zumal Mutter Anne-Marie nie von dieser Begebenheit berichtet hat. Neugierig begibt sich Olaf auf eine Reise in die Vergangenheit. Er sammelt Indiz um Indiz, bis schließlich kein Zweifel mehr bestehen kann: Es gibt begründete Hinweise darauf, dass sein Erzeuger nicht etwa der brave Vater Rolf, sondern einer der berühmtesten Rockmusiker der Welt ist. Was für eine Geschichte! Und wie schade, dass sie erfunden ist, wie sich ganz leicht belegen lässt: Olaf Schubert ist zwar ein vielfach ausgezeichneter Komödiant, aber auch eine Kunstfigur, was dem enormen Unterhaltungswert dieses Films keinen Abbruch tut. „Olaf Jagger“ ist eine sogenannte Mockumentary. Das englische Wort „Mock“ steht für Hohn oder Spott, die entsprechenden Produktionen sind in der Regel so gut gemacht, dass sie täuschend echt wirken. Das gilt auch für das szenische Debüt von Heike Fink (Buch und Regie).

Täuschend echt

Der Film beginnt wie ein klassisches Porträt: Olaf erzählt, er sei schon immer „voll der Rocker“ und bereits als Kind eine Rampensau gewesen, wie grobkörnige Super-8-Aufnahmen unterstreichen. Alle hätten stets gerätselt, woher er das bloß hatte; vom Vater (Franz-Jürgen Zigelski) jedenfalls nicht. Olaf produziert ein Video für seinen „Internet-Quatsch“ und empfiehlt fürs verregnete Wochenende: einfach mal den Keller aufräumen! Er macht sich auch selbst daran, das Untergeschoss seines Elternhauses zu entmüllen und entdeckt das Tonband.

Spannung, Hintersinn und zeitgenössische Aufnahmen machen den Reiz aus

„Olaf Jagger“ hat jedoch weit mehr als die originelle Grundidee zu bieten, denn Schuberts als klassische Recherche in Museen und Archiven angelegte Spurensuche führt ihn an Schauplätze der ostdeutschen Historie, wo er Zeitzeugen trifft. Im Gebäude des ehemaligen Rundfunks der DDR, heute eine Ruine, spricht er mit DT64-Moderatorin Christine Dähn, „City“-Sänger Toni Krahl erzählt ihm, wie sich die Band 1978 beinahe mit den Stones getroffen hätte, und Hartmut König, vor langer Zeit Liedermacher und später der letzte stellvertretende Kulturminister der DDR, beschreibt die Bedingungen, unter denen eine ostdeutsche Journalistin damals in den Westen reisen konnte.

Diese Ebene des Films wäre auch ohne den Handlungsauslöser spannend, zumal Fink die Gespräche mit vielen zeitgenössischen Aufnahmen illustriert. Endgültig preiswürdig wird die Doku-Parodie durch eine doppelte Meta-Ebene: In Münster will Schubert sich unter anderem mit zwei Stones-Groupies treffen; auf dem Weg dorthin hört er im Autoradio ein Interview, in dem ihn die WDR-Moderatorin Sabine Heinrich nach den bisherigen Ergebnissen seiner Nachforschungen befragt. Das ist alles ein großer Spaß, aber eben auch mehr als das, weil sich die fiktive Biografie aus lauter echten Details zusammensetzt: Im ehemaligen Ministerium für Staatssicherheit nimmt Schubert Einblick in Anne-Maries Stasi-Akte. In der zweiten Hälfte geht dem Film dann jedoch leider die Geschichte aus. Trotzdem erfreut „Olaf Jagger“ durch eine enorme Liebe zum Detail, viele großartige Einfälle und einen famosen Hauptdarsteller.

„Olaf Jagger“ ZDF, 3.1. 23.30 Uhr.

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Erstellt:
2. Januar 2025, 13:14 Uhr

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