Joan as Police Woman in Schorndorf

Schongang im Alleingang

Die amerikanische Musikerin Joan Wasser, bekannt als Joan as Police Woman, hat in der Schorndorfer Manufaktur musiziert.

Joan Wasser, hier bei einem Konzert in Rom Anfang April

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Joan Wasser, hier bei einem Konzert in Rom Anfang April

Von Jan Ulrich Welke

Vor zwanzig Jahren hätte es fast mal geklappt. Im Juli 2005 gastierten Antony and the Johnsons in der Schorndorfer Manufaktur, aber kurz vor dieser Tour verließ Joan Wasser die Band jenes Menschen der sich heutzutage Anohni nennt, in der sie zuvor sechs Jahre spielte. So also verging die Zeit in der schon über ein Vierteljahrhundert währenden weltumspannenden musikalischen Karriere der Amerikanerin, ohne dass sie bisher auch nur ein einziges Mal in der Region Stuttgart aufgetreten wäre.

Aber irgendwann ist immer das erste Mal, und so steht sie hier nun am Samstagabend

leibhaftig auf der Bühne. Schauplatz ist abermals die Manufaktur, der Saal ist bestens gefüllt, und die Verblüffung ist sogleich groß. Denn Joan Wasser hat ihre Karriere – und mittlerweile ein dutzend hoch gelobte Alben - mit ihrem Bandprojekt gemacht, das auf den seltsamen Namen Joan as Police Woman hört, auf der Schorndorfer Bühne ist sie nun jedoch mutterseelenallein. Es handelt sich folglich um einen Soloabend. Das allerdings wurde vorab nicht kommuniziert, und auch wenn den Veranstalter ausdrücklich keine Schuld trifft (die Programmhefte waren längst gedruckt, als dem Manufaktur-Booking das mitgeteilt wurde), empfinden dies zumindest einige Besucher, die logischerweise ein Bandkonzert erwartet hatten, als eine gewisse Mogelpackung.

Mit dabei hat die studierte Violinistin auch nicht etwa ihr Streichinstrument, sondern nur eine einzige E-Gitarre sowie einen Drumcomputer. Letzterer kommt bei einem der 17 Songs zum Einsatz, die sie an diesem Abend serviert, bei einem weiteren – eine zugegebenermaßen hübsche Idee – begleitet sie sich am Klavier mit ihrer vom Band eingespielten Geige selbst.

Am Klavier der Manufaktur eröffnet sie den Abend auch mit den ersten fünf Stücken. Die klassische Ausbildung an der Bostoner Musikhochschule hört man ihrem feinen Pianospiel deutlich an, dennoch ist ihr Spiel recht reduziert, und es wirkt vor allem sehr gesittet. Bisweilen bricht es auch etwas eruptiver aus ihr heraus, aber diese Momente bleiben rar. Ähnlich möchte man auch über die Konzertpassagen urteilen, die sie an der E-Gitarre bestreitet; ihrer eigentlichen Verortung im Alternativegenre wird sie an beiden Instrumenten nicht wirklich gerecht. Wer sich auf diese Weise in Szene setzt, muss sich zudem an anderen messen lassen. Zieht man in den Piano-Passagen des Konzerts etwa den sich aufdrängenden Vergleich mit Tori Amos, zieht Joan Wasser deutlich den Kürzeren; und misst man sie in ihren Gitarrenpassagen an ihrem erklärten Vorbild Joni Mitchell, geht ehrlich gesagt auch dieser Vergleich zu Joan Wassers Ungunsten aus.

Was jenseits dieser vielleicht etwas unfairer Vergleiche bleibt, ist ihre über allen Zweifeln stehende, wirklich herausragend gute Singstimme. Sie ist das große Pfund von Joan Wasser, glasklar und mit klangschönem Timbre erklingt ihr Mezzosopran in der Manufaktur, schön fügt sich ihr Gesang auch jederzeit zur Musik. Zusammen mit der angenehm leutseligen Art, in der sie ihre Stücke anmoderiert und mit vielen warmen Worten nicht geizt, ergibt sich so ein an und für sich runder Konzertabend. Ein bisschen mehr künstlerische Brüche und ein bisschen mehr Mut zum Wagnis seitens jener Frau, die einst dem Klassikorchester mit dem Statement „Beethovens Symphonien sind schon eine Million Mal gespielt worden und ich werde es bestimmt nicht besser machen“ den Rücken kehrte und sich Punk und Indie zuwandte, hätten dem Auftritt allerdings echt gut getan.

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Erstellt:
27. April 2025, 01:08 Uhr

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