„Turmschatten“ mit Heiner Lauterbach

Was taugt die Sky-Serie „Turmschatten“?

Er ist Täter und Opfer zugleich: Sky Deutschland hat den Roman „Turmschatten“ zu einer Hochspannungs-Thrillerserie verarbeitet– mit Heiner Lauterbach, der zwei Neonazis den Prozess macht, nach seinen eigenen Regeln.

So wirbt Sky für die Thriller-Serie: Heiner Lauterbach als Zamir (hinten), Klaus Steinbacher als Neonazi Karl.

© obs/Sky Deutschland

So wirbt Sky für die Thriller-Serie: Heiner Lauterbach als Zamir (hinten), Klaus Steinbacher als Neonazi Karl.

Von Tilmann P. Gangloff

Er nennt sich „Vollstrecker“, weil er angeblich nur den Willen der Mehrheit ausführt, aber in Wirklichkeit ist Ephraim Zamir Staatsanwalt, Richter und Henker in einer Person: Der deutsche Jude macht zwei Neonazis für den Tod seiner Adoptivtochter verantwortlich, und deshalb sollen sie sterben. Ein Livestream überträgt den „Prozess“ im Internet, ein Privatsender sorgt für noch mehr Reichweite: Zamir zählt die Anklagepunkte auf, die beiden können sich verteidigen, das Volk stimmt ab.

Die Sache hat einen gewaltigen Haken: Die Männer repräsentieren zwar ein Deutschland, wie es dunkler kaum sein könnte, aber Esther haben sie nicht auf dem Gewissen.

„Turmschatten“: Die Besetzung ist herausragend

Die Sky-Serie basiert auf Peter Grandls komplexem Roman „Turmschatten“, der Autor hat die Vorlage gemeinsam mit Christian Limmer adaptiert; Hannu Salonen hat das Drehbuch mit enormer Intensität umgesetzt. Ihre Spannung verdanken die sechs Folgen neben der fesselnden Handlung vor allem der preiswürdigen Bildgestaltung (Felix Cramer). Endgültig zu einer herausragenden Produktion wird die Serie durch die Besetzung. Sie hat entscheidenden Anteil daran, dass die beiden zentralen Figuren nicht eindeutig gut oder böse sind.

Heiner Lauterbach verkörpert Zamir als leibhaftigen „Zorn Gottes“. Seine Motive sind nachvollziehbar, aber er ist auch ein kaltblütiger Killer. Klaus Steinbacher wiederum suggeriert mit seinem Spiel geradezu die Hoffnung, Karl Rieger möge sich als potenzieller Aussteiger erweisen. Er ist trotz seiner faschistischen Parolen und des Hakenkreuzes auf dem Rücken kein dumpfer Schläger, sondern ein kluger Kopf. Das gilt auch für den Anführer der dunklen Seite: Kommunalpolitiker Thielen (Michael Roll) sitzt für eine nationalistische Partei im Stadtrat, gibt sich in der Öffentlichkeit staatstragend und ist eine beunruhigend aktuelle Figur. Der Roman spielt 2010. Limmer („Oktoberfest 1900“) und Grandl haben die Handlung ins Jahr 2005 vorverlegt; andernfalls wäre es wenig glaubwürdig, dass Zamir, der als Kind den Holocaust überlebt hat, fit genug ist, um die beiden nicht mal halb so alten Neonazis zu überwältigen. Geschickt platzierte Rückblenden erklären die Motive der Beteiligten.

Der frühere Mossad-Agent Zamir hat mehrere Racheaktionen durchgeführt; „Zorn Gottes“ hieß die Vergeltung für die palästinensischen Morde während der Olympischen Spiele 1972 in München. Auch SEK-Anführer Schuster (Murathan Muslu) und Einsatzleiterin Koch (Anja Herden) bringen eine gemeinsame Vorgeschichte mit. Eine junge Journalistin (Sina Reiß) ergreift die Chance ihres Lebens und hält das Land mit ihrem Livebericht in Atem, und im TV-Studio wird eine erfahrene Kollegin (Désirée Nosbusch) vom Senderchef zurückgepfiffen, als sie dem Stadtrat allzu unbequeme Fragen stellt.

Handlungsorte: ein Turm wie ein Hochbunker und ein TV-Studio

Trotzdem bewegt sich „Turmschatten“ auf dünnem Eis. Die hartnäckige Holocaust-Leugnung Riegers folgt zwar der rechtsextremistischen Legende, aber er wird nun mal mehr und mehr zum Sympathieträger. Der charismatische Nationalist Thielen schließlich entspricht exakt den heutigen rechtsextremistischen Abgeordneten, die das verhasste System von innen zerstören wollen, sich öffentlich aber gern als Opfer inszenieren. Auf diese Weise ergibt sich eine interessante Parallele zu Zamir, der ebenfalls gleichzeitig Täter und Opfer ist.

Eine weitere wichtige Rolle spielt der Handlungsort: Der ehemalige Agent lebt in einem mittelalterlich anmutenden Turm, bei dem es sich in Wirklichkeit um einen Hochbunker handelt – die reinste Festung. Parallel zur Belagerung des Gebäudes wird das TV-Studio zum zweiten zentralen Schauplatz, zumal die Journalistin den Faschisten mit einem Überraschungsgast konfrontiert. Jenseits der politischen Ebene ist „Turmschatten“ vorzüglich gemachtes Spannungsfernsehen, zumal die Handlung mehrfach durch eigenmächtige Entscheidungen in eine andere Richtung katapultiert wird.

Turmschatten: auf Sky Atlantic und Sky Wow

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Erstellt:
15. November 2024, 14:32 Uhr

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