Neue Technik für die Kläranlage

Sanierungsphase der Abwasserbehandlungsanlage: Gemeinderat Sulzbach an der Murr erkundigt sich über Renovierungsstand

Die dreistufige Kläranlage aus den 70er-Jahren wird seit 2013 schrittweise renoviert. Zur Halbzeit des zehnjährigen Sanierungskonzepts machten sich die Sulzbacher Gemeinderäte vor Ort ein Bild vom Stand der Dinge.

Ingenieur Matthias Strobel (rechts) erklärt, was an der Kläranlage bis jetzt saniert wurde. Foto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Ingenieur Matthias Strobel (rechts) erklärt, was an der Kläranlage bis jetzt saniert wurde. Foto: A. Becher

Von Ute Gruber

SULZBACH AN DER MURR. Als die große Metallschnecke anläuft und das gesammelte Abwasser der Sulzbacher und Spiegelberger aus dem Rückhaltebecken in die Kläranlage fördert, steigt der wohlbekannte Mief nach verstopftem Abfluss den Gemeinderäten in die Nase. „Wird hier tatsächlich das Zeug aus dem Klo mit dem Regenwasser von der Straße gemischt?“, wundert sich Katja Erkert, die sich für die gezeigten Abläufe inte ressiert. Das sei sogar wichtig für die Funktion der Anlage, erklärt Diplom-Ingenieur Matthias Strobel, der die Baumaßnahmen betreut und die Räte durch die Anlage führt. Durch das ressourcenschonende Wassersparen heutzutage  fehle in Trockenzeiten sogar Wasser als Transportmedium für Fäkalien und Konsorten. Auch jetzt sind die beiden gewaltigen, bereits sanierten Sammelbecken auf der gepflegten Anlage staubtrocken.

Unten an der Schnecke hat sich ein hartnäckiger Klumpen gebildet. „Das sind diese Vliestücher, die man heute überall hat. Die gehören eigentlich nicht ins Abwasser, sondern in den Müll“, weiß Bürgermeister Dieter Zahn. „Das müssen die nachher von Hand rausfummeln.“ Ob fürs Gesicht oder für das untere Ende der Wirbelsäule: Im Gegensatz zum klassischen Toilettenpapier lösen sich Vliestücher im Wasser nicht auf.

Sand setzt sich nach unten

und das Fett nach oben ab

Nach dem Geröllfang geht es weiter zur mechanischen Reinigungsstufe mit der  Rechenanlage: Ein Band mit unzähligen Gummifingern taucht durch die trübe Brühe, fischt grobe Bestandteile heraus und wirft sie in einen Container. Plastik folie, Watte, Latexhandschuhe, Karottenscheibchen, ein Federball und die obligatorischen Vliestücher finden sich hier.

Im anschließenden Kanal, dem Sandfang, setzt sich im ruhigen Wasser der Sand nach unten und das Fett nach oben ab. Beides wird entnommen. In diesem Bereich befindet sich laut Strobel der nächste Sanierungsabschnitt. Einerseits soll die in die Jahre gekommene Rechenanlage erneuert, andererseits eine Sandwaschanlage neu installiert werden. „Der gewaschene Sand kann dann im Wegebau sinnvoll verwertet, statt wie bisher teuer entsorgt werden“, rechtfertigt der Bauingenieur die geplante Investition. Auch das herausgefischte Plastik werde nach dem Waschen in der Entsorgung günstiger.

Im sieben Meter tiefen Trichter des folgenden Absetzbeckens wird der Schlamm schon mal abgesaugt und geht zur Trocknung in die Presse. „Damit ist schon ein Drittel der Belastung raus aus dem Wasser. Vor allem Organisches.“

Die inzwischen deutlich homogenere Brühe wandert weiter ins sogenannte Belebungsbecken, wo sie mithilfe von bereitwilligen Bakterien biologisch gereinigt wird. Vor allem Stickstoffverbindungen wie Ammonium und Nitrat werden abwechselnd durch aerobe und anaerobe Prozesse in unschädlichen Luftstickstoff umgewandelt. Dazu wird für die aeroben Helferlein phasenweise kräftig Luft ins Wasser gemischt.

Als chemische Reinigungsstufe wird je nach gemessenem Phosphatgehalt des ankommenden Abwassers Eisenchlorid zugesetzt, wodurch der gelöste Phosphor ausfällt und als Schlamm zu Boden sinkt.

„Das Wasser ist jetzt eigentlich schon sauber“, erläutert der Spezialist den Räten, die ungläubig auf die zwar inzwischen geruchsneutrale, aber dennoch dunkelgraue Flüssigkeit starren. „Alles Unerwünschte ist im Schlamm gebunden.“

Augenscheinlich wird dies im runden Nachklärbecken, das nun auch ein vorschriftsmäßiges Geländer bekommen hat, wo ein Metallarm wie ein riesiger Uhrzeiger langsam seine Runde dreht, dabei den abgesetzten Schlamm nach unten abzieht und das nun tatsächlich glasklare Wasser darüber in die Murr leitet. Hier werden von den Klärwärtern täglich Rückstellproben entnommen und alle zwei Tage Proben im eigenen Labor auf Kennwerte wie Chemischer Sauerstoffbedarf (CSB), pH-Wert, Stickstoffverbindungen und Phosphorgehalt untersucht. „Sechsmal im Jahr probt auch das Landratsamt“, erzählt Thomas Kuhnle, der seit 15 Jahren mit Sachverstand diese Anlage betreut. „Unangemeldet, natürlich.“ Beanstandungen hat es dabei schon lange keine mehr gegeben.

3,1 Millionen Euro sind

insgesamt eingeplant

Der Schlamm wiederum wird getrocknet und zu pechschwarzen Fladen gepresst, die eigentlich ein hervorragender Pflanzendünger sind. Trotzdem werden sie wegen der Rückstandsproblematik in  Baden-Württemberg inzwischen generell nicht mehr auf Felder ausgebracht, sondern gehen komplett in die Verbrennung. „Zu Gerbereizeiten waren die Schwermetalle das Problem“, erläutert Strobel, „heute sind es die Medikamente im Abwasser der Haushalte.“

Früher führten die hohen Phosphatgehalte in Waschmitteln zu einer Eutrophierung der Gewässer mit explosionsartigem Algenwachstum. Durch die Möglichkeit der Ausflockung ist dies seit den 90er-Jahren laut Kuhnle kein Problem mehr.

Da Phosphat ein wichtiger Pflanzennährstoff ist und die globalen Phosphatvorkommen zur Neige gingen, werde von Regierungsseite laut Klärwärter Kuhnle ein zentrales Recycling der Verbindung aus der Klärschlammasche geplant.

Zuletzt begibt man sich nochmals in das zentrale Betriebsgebäude, wo 2013 die auf zehn Jahre angelegten Sanierungsmaßnahmen mit dem Anbau von Labor- und Umkleideräumen begonnen hatten. Im geräumigen Cockpit der Anlage ist es drückend heiß – trotz der vor fünf Jahren an der  großen Fensterfront eingebauten Jalousien. Schuld daran ist die jüngste Neuerwerbung: das Herzstück, der nagelneue Schaltschrank.

Dieser ist zwar deutlich kompakter als sein raumfüllender Vorgänger, ermöglicht eine zentrale Steuerung und Überwachung aller Funktionen und drosselt durch bedarfsgerechte Steuerung sowohl Stromverbrauch wie Verschleiß deutlich, produziert aber mehr Abwärme. „Da müssen wir uns noch was einfallen lassen“, stellt Bauamtsleiter Martin Hübl fest. 3,1 Millionen Euro sind insgesamt eingeplant, mit seither 1,4 ausgegebenen Millionen liegt man trotz steigendem Baukostenindex noch einigermaßen im Kostenrahmen (1,3 Millionen). Das kameraüberwachte elektrische Zufahrtstor und die Maschinenhalle sind schon seit vier Jahren fertig. Auf deren marodem Dach waren zuletzt „schon Bäumchen gewachsen“.

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Erstellt:
7. Juni 2018, 06:00 Uhr

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