Buchtipp Architektur in Vorarlberg
Wo coole Holzhäuser überall stehen
Ein neues Buch zur Architektur in Vorarlberg präsentiert eindrucksvoll die Vorteile des ökologischen Holzbaus und der regionalen Handwerkskunst. Nach der Lektüre will man umziehen.
Von Tomo Pavlovic
Wer in einem anstrengenden Gespräch mit Architekten aus welchen Gründen auch immer die Stimmung schlagartig heben möchte, der sollte das Wörtchen Vorarlberg aussprechen. Man sagt einfach „Vorarlberg“ und wartet ab, bis die Glückshormone ihre Wirkung entfalten und die Augen zu glänzen anfangen. Ach ja, im Vorarlberg gibt’s Gebäude, von denen man bei uns nur träumen kann.
Dass es so ist, wundert niemanden, der schon einmal im schönen Vorarlberg Urlaub gemacht hat: denn das österreichische Bundesland im Südwesten der Alpenrepublik im Allgemeinen und der Bregenzerwald im Besonderen bestechen durch eine außergewöhnliche Dichte an sehenswerten, architektonisch gelungenen Bauten.
Architektonische Wow-Effekte im Bregenzerwald
Architektur und Baukultur in Vorarlberg erfahren international große Wertschätzung, Leute vom Fach wie architekturbegeisterte Laien fahren regelmäßig in diesen immer noch in Teilen sehr ländlich geprägten Teil Österreichs, um auf privaten Studienexkursionen mit dem Kopf im Nacken staunend festzustellen, welchen hohen Stellenwert ganz offensichtlich gute Architektur in einer Region haben kann. Besonders ihr ökologischer Anspruch und ihre kulturelle Wirkung setzen Maßstäbe.
Das Buch „Architektur in Vorarlberg“ versammelt architektonische Positionen und die spannendsten Gebäude aus den Jahren seit 2000. Es gibt einen umfassenden Überblick über die Fortführung einer Entwicklung, die von den 1960er-Jahren an in Vorarlberg eingesetzt hat. Dokumentiert werden 50 herausragende Projekte – von Dornbirn bis ins Montafon und vom Bregenzerwald bis ins Rheintal.
Ökologische Wohlfühlhülle
Die Fotoauswahl überzeugt, auch weil es nicht um eine vordergründige, werbefreundliche Ästhetisierung toller Bauten vor idyllischer Bergkulisse gehen soll. Man konzentriert sich vielmehr auf die Illustration der ästhetischen Qualitäten eines Bauwerks, vor allem auf die Materialität. Holz als bevorzugter Baustoff wird unprätentiös und dennoch ziemlich perfekt als ökologische Wohlfühlhülle inszeniert und in den großzügigen Fotostrecken geradezu spürbar.
Die Vielfalt der präsentierten architektonischen Typologien reicht dabei vom Biomasseheizwerk zur Bergkapelle und vom geförderten Wohnungsbau zur Schule in Holzbauweise. Essays beleuchten die Hintergründe der Vorarlberger Baukultur, die Verdienste bekannter Architektinnen und Architekten wie Bernardo Bader oder Anna Heringer werden angemessen in Bild und Wort präsentiert.
Eine nicht zu unterschätzende Leistung der beiden Autorinnen – Kunsthistorikerin Verena Konrad sowie Chefredakteurin des Architekturmagazins Detail Sandra Hofmeister – ist der kritische, distanzierte Unterton, der in nahezu allen Textbeiträgen mitschwingt.
Im Interview mit der Dornbirner Architektin mit Expertise beim Umbauen von Altbauten Julia Kick wird deutlich, dass es selbst im architektonisch scheinbar progressiven Vorarlberg noch reichlich Luft nach oben gibt, wenn es etwa um das Reizthema Bauen im Bestand geht. Reizthema, weil alle davon schwärmen, aber offensichtlich immer noch zu wenig dafür getan wird. „Ich finde“, sagt Julia Kick im Gespräch mit Sandra Hofmeister, „das Bauen im Bestand wird derzeit – auch von der öffentlichen Hand – noch zu wenig forciert und es gibt zu viele Wettbewerbe für reine Neubauten.“
Bevorzugter Baustoff Holz
Das kann man nur unterstreichen, zumal sich der tradierte Baustoff Holz gerade in Vorarlberg hervorragend für Sanierungen und Umbauten eignet. Wie das auch mit dem Umbaustoff Holz funktionieren kann, mag die Leserschaft dann gründlich anhand von in Wohnhäusern umgebauten Stallungen in Tschagguns und behutsam sanierten Siedlungshäusern in Dornbirn studieren. Und wem dieses tolle Buch dann immer noch nicht genug ist, sollte einfach mal wieder zur Kurzexkursion Richtung Alpen aufbrechen und mit dem Kopf im Nacken schwärmen: Ach ja, im Vorarlberg. . .
Info zum Buch
Architektur in VorarlbergVerena Konrad und Sandra Hofmeister (Hg.), Edition Detail, 336 Seiten mit zahlreichen Plänen, Fotos sowie Texten, 64,90 Euro.