Buchtipp Architektur in Vorarlberg

Wo coole Holzhäuser überall stehen

Ein neues Buch zur Architektur in Vorarlberg präsentiert eindrucksvoll die Vorteile des ökologischen Holzbaus und der regionalen Handwerkskunst. Nach der Lektüre will man umziehen.

Der Weiler Tempel gehört zu den attraktivsten Ensembles im Ortsbild von Mellau im Bregenzerwald. Die zwei Gebäude firmieren unter dem Namen Tempel 74 und beherbergen nun Ferienwohnungen und das Büro von Baumeister Jürgen Haller, der gebürtiger Mellauer ist und das Projekt mit dem Architekten Peter Plattner realisiert hat.

© Detail/Albrecht Imanuel Schnabel

Der Weiler Tempel gehört zu den attraktivsten Ensembles im Ortsbild von Mellau im Bregenzerwald. Die zwei Gebäude firmieren unter dem Namen Tempel 74 und beherbergen nun Ferienwohnungen und das Büro von Baumeister Jürgen Haller, der gebürtiger Mellauer ist und das Projekt mit dem Architekten Peter Plattner realisiert hat.

Von Tomo Pavlovic

Wer in einem anstrengenden Gespräch mit Architekten aus welchen Gründen auch immer die Stimmung schlagartig heben möchte, der sollte das Wörtchen Vorarlberg aussprechen. Man sagt einfach „Vorarlberg“ und wartet ab, bis die Glückshormone ihre Wirkung entfalten und die Augen zu glänzen anfangen. Ach ja, im Vorarlberg gibt’s Gebäude, von denen man bei uns nur träumen kann.

Dass es so ist, wundert niemanden, der schon einmal im schönen Vorarlberg Urlaub gemacht hat: denn das österreichische Bundesland im Südwesten der Alpenrepublik im Allgemeinen und der Bregenzerwald im Besonderen bestechen durch eine außergewöhnliche Dichte an sehenswerten, architektonisch gelungenen Bauten.

Architektonische Wow-Effekte im Bregenzerwald

Architektur und Baukultur in Vorarlberg erfahren international große Wertschätzung, Leute vom Fach wie architekturbegeisterte Laien fahren regelmäßig in diesen immer noch in Teilen sehr ländlich geprägten Teil Österreichs, um auf privaten Studienexkursionen mit dem Kopf im Nacken staunend festzustellen, welchen hohen Stellenwert ganz offensichtlich gute Architektur in einer Region haben kann. Besonders ihr ökologischer Anspruch und ihre kulturelle Wirkung setzen Maßstäbe.

Das Buch „Architektur in Vorarlberg“ versammelt architektonische Positionen und die spannendsten Gebäude aus den Jahren seit 2000. Es gibt einen umfassenden Überblick über die Fortführung einer Entwicklung, die von den 1960er-Jahren an in Vorarlberg eingesetzt hat. Dokumentiert werden 50 herausragende Projekte – von Dornbirn bis ins Montafon und vom Bregenzerwald bis ins Rheintal.

Ökologische Wohlfühlhülle

Die Fotoauswahl überzeugt, auch weil es nicht um eine vordergründige, werbefreundliche Ästhetisierung toller Bauten vor idyllischer Bergkulisse gehen soll. Man konzentriert sich vielmehr auf die Illustration der ästhetischen Qualitäten eines Bauwerks, vor allem auf die Materialität. Holz als bevorzugter Baustoff wird unprätentiös und dennoch ziemlich perfekt als ökologische Wohlfühlhülle inszeniert und in den großzügigen Fotostrecken geradezu spürbar.

Die Vielfalt der präsentierten architektonischen Typologien reicht dabei vom Biomasseheizwerk zur Bergkapelle und vom geförderten Wohnungsbau zur Schule in Holzbauweise. Essays beleuchten die Hintergründe der Vorarlberger Baukultur, die Verdienste bekannter Architektinnen und Architekten wie Bernardo Bader oder Anna Heringer werden angemessen in Bild und Wort präsentiert.

Eine nicht zu unterschätzende Leistung der beiden Autorinnen – Kunsthistorikerin Verena Konrad sowie Chefredakteurin des Architekturmagazins Detail Sandra Hofmeister – ist der kritische, distanzierte Unterton, der in nahezu allen Textbeiträgen mitschwingt.

Im Interview mit der Dornbirner Architektin mit Expertise beim Umbauen von Altbauten Julia Kick wird deutlich, dass es selbst im architektonisch scheinbar progressiven Vorarlberg noch reichlich Luft nach oben gibt, wenn es etwa um das Reizthema Bauen im Bestand geht. Reizthema, weil alle davon schwärmen, aber offensichtlich immer noch zu wenig dafür getan wird. „Ich finde“, sagt Julia Kick im Gespräch mit Sandra Hofmeister, „das Bauen im Bestand wird derzeit – auch von der öffentlichen Hand – noch zu wenig forciert und es gibt zu viele Wettbewerbe für reine Neubauten.“

Bevorzugter Baustoff Holz

Das kann man nur unterstreichen, zumal sich der tradierte Baustoff Holz gerade in Vorarlberg hervorragend für Sanierungen und Umbauten eignet. Wie das auch mit dem Umbaustoff Holz funktionieren kann, mag die Leserschaft dann gründlich anhand von in Wohnhäusern umgebauten Stallungen in Tschagguns und behutsam sanierten Siedlungshäusern in Dornbirn studieren. Und wem dieses tolle Buch dann immer noch nicht genug ist, sollte einfach mal wieder zur Kurzexkursion Richtung Alpen aufbrechen und mit dem Kopf im Nacken schwärmen: Ach ja, im Vorarlberg. . .

Info zum Buch

Architektur in VorarlbergVerena Konrad und Sandra Hofmeister (Hg.), Edition Detail, 336 Seiten mit zahlreichen Plänen, Fotos sowie Texten, 64,90 Euro.

Stadtbibliothek in Dornbirn. Auffällig: Der Pavillon mit einer Fassade aus 8000 stilisierten Keramikbüchern. Für die Architektur zeichneten Dietrich / Untertrifaller sowie Christian Schmölz verantwortlich.

© Detail/Albrecht Imanuel Schnabel

Stadtbibliothek in Dornbirn. Auffällig: Der Pavillon mit einer Fassade aus 8000 stilisierten Keramikbüchern. Für die Architektur zeichneten Dietrich / Untertrifaller sowie Christian Schmölz verantwortlich.

Die markante Stadtbibliothek in Dornbirn – ein Ort der Kommunikation auf insgesamt 1200 Quadratmetern, die sich auf drei Etagen verteilen.

© Detail/Albrecht Imanuel Schnabel

Die markante Stadtbibliothek in Dornbirn – ein Ort der Kommunikation auf insgesamt 1200 Quadratmetern, die sich auf drei Etagen verteilen.

Die Schönheit steckt im Detail: Im  vorgestellten Buch werden immer wieder Nahaufnahmen von den Baukörpern gezeigt, um die maßgenaue Arbeit der beteiligten Handwerksfirmen aus Vorarlberg zu verdeutlichen. In diesem Fall wird die Materialität der  Holzfassade des Gebäudeensembles  Tempel 74 in Mellau fotografisch eindrücklich in Szene gesetzt.

© Detail/Albrecht Imanuel Schnabel

Die Schönheit steckt im Detail: Im vorgestellten Buch werden immer wieder Nahaufnahmen von den Baukörpern gezeigt, um die maßgenaue Arbeit der beteiligten Handwerksfirmen aus Vorarlberg zu verdeutlichen. In diesem Fall wird die Materialität der Holzfassade des Gebäudeensembles Tempel 74 in Mellau fotografisch eindrücklich in Szene gesetzt.

Alle hier gezeigten Fotos stammen aus dem bei Detail neu erschienenen Buch mit dem Titel „Architektur in Vorarlberg“. Die Autorinnen der lesenswerten Texte und Interviews sind Verena Konrad und Sandra Hofmeister.

© Detail/Detail Verlag

Alle hier gezeigten Fotos stammen aus dem bei Detail neu erschienenen Buch mit dem Titel „Architektur in Vorarlberg“. Die Autorinnen der lesenswerten Texte und Interviews sind Verena Konrad und Sandra Hofmeister.

Die Schindeln der Kapelle in Krumbach, entworfen von bernardo bader architekten, bestehen aus unbehandelter Lärche, die seit 2016 ordentlich nachgedunkelt ist. Man . . .

© STZN/Golombek

Die Schindeln der Kapelle in Krumbach, entworfen von bernardo bader architekten, bestehen aus unbehandelter Lärche, die seit 2016 ordentlich nachgedunkelt ist. Man . . .

. . . beachte die Liebe zum Detail am Eingangsportal der Kapelle. Die Tür besteht aus gehämmertem, brünierten Messing.

© STZN/Golombek

. . . beachte die Liebe zum Detail am Eingangsportal der Kapelle. Die Tür besteht aus gehämmertem, brünierten Messing.

Wie der Blick auf eine traditionelle Kapelle bei Bizau im Bregenzerwald zeigt, hat Architekt Bernardo Bader die Formen extrem reduziert in seinem Entwurf in Krumbach. Dort  . . .

© imago/Westend61/imago stock&people

Wie der Blick auf eine traditionelle Kapelle bei Bizau im Bregenzerwald zeigt, hat Architekt Bernardo Bader die Formen extrem reduziert in seinem Entwurf in Krumbach. Dort . . .

. . . in Krumbach wurden mehrere Architekten (hier im Bild ein Entwurf von Sou Fujimoto) eingeladen, Bushaltestellen . . .

© imago/CHROMORANGE/CHROMORANGE / Ernst Weingartner

. . . in Krumbach wurden mehrere Architekten (hier im Bild ein Entwurf von Sou Fujimoto) eingeladen, Bushaltestellen . . .

. . . zu gestalten (im Bild ein Entwurf von Ensamble Studio aus Spanien), was  zu sehr unterschiedlichen . . .

© imago/CHROMORANGE/CHROMORANGE / Ernst Weingartner

. . . zu gestalten (im Bild ein Entwurf von Ensamble Studio aus Spanien), was zu sehr unterschiedlichen . . .

. . . Ergebnissen bezüglich Form und Material geführt hat. Dies ist ein Entwurf von Pritzker-Preisträger Wang Shu und Lu Wenyu aus Hangzhou, China.

© IMAGO/Dreamstime/Copyright: xDreamstimexKloeg008x

. . . Ergebnissen bezüglich Form und Material geführt hat. Dies ist ein Entwurf von Pritzker-Preisträger Wang Shu und Lu Wenyu aus Hangzhou, China.

Die Gestaltung  neuer Gebäude wie hier in Bizau im Bregenzerwald orientiert sich an der Bautradition der traditionellen Eindachhäuser.

© IMAGO/Panthermedia/Vobelima via imago-images.de

Die Gestaltung neuer Gebäude wie hier in Bizau im Bregenzerwald orientiert sich an der Bautradition der traditionellen Eindachhäuser.

Schindeln wie bei alten Bauernhäusern werden von Architektinnen und Architekten heute ebenso neu interpretiert wie . . .

© imago/CHROMORANGE/CHROMORANGE / Ernst Weingartner

Schindeln wie bei alten Bauernhäusern werden von Architektinnen und Architekten heute ebenso neu interpretiert wie . . .

. . . schlichte alte Holzbaustile – im Bild: die Gschwendtobel-Brücke von 1830 über den Subersbach im Bregenzerwal.

© imago/imagebroker/imago stock&people

. . . schlichte alte Holzbaustile – im Bild: die Gschwendtobel-Brücke von 1830 über den Subersbach im Bregenzerwal.

Der Werkraum Werkraum in Andelsbuch im Bregenzerwald, entworfen von Atelier Peter Zumthor & Partner,  wird im Buch auch vorgestellt. Der Werkraum ist ein Zusammenschluss von über 90 Handwerksbetrieben im Bregenzerwald, die im Jahr 2013  das Haus auch gebaut haben. Es dient als Treffpunkt  und Schaufenster für das Handwerk.

© imago/CHROMORANGE/imago stock&people

Der Werkraum Werkraum in Andelsbuch im Bregenzerwald, entworfen von Atelier Peter Zumthor & Partner, wird im Buch auch vorgestellt. Der Werkraum ist ein Zusammenschluss von über 90 Handwerksbetrieben im Bregenzerwald, die im Jahr 2013 das Haus auch gebaut haben. Es dient als Treffpunkt und Schaufenster für das Handwerk.

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Erstellt:
6. Februar 2025, 19:16 Uhr

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