„Der Bürger geht von sich aus mit“
Das Interview: Zum Start der Ladenöffnungen im Rems-Murr-Kreis hat das Landratsamt Kontrolleure in fast jede Gemeinde geschickt, um sicherzugehen, dass die Hygienemaßnahmen eingehalten werden. Gerhard Holzwarth hat in Backnang kontrolliert.

© Alexander Becher
In die Buchhandlung Osiander in Backnang dürfen 16 Personen gleichzeitig. Jeder Kunde muss am Eingang einen Korb mitnehmen. Foto: A. Becher
Von Melanie Maier
Herr Holzwarth, Sie haben geschaut, wie es in Backnang funktioniert mit der Umsetzung der Hygieneregeln. Wie kamen Sie dazu?
Ich bin Leiter der Lebensmittelkontrolleure im Rems-Murr-Kreis. Mein Team und ich wurden vom Landrat gefragt, ob wir uns dazu bereit erklären würden, Coronakontrollen – so nenne ich das jetzt mal – in den Läden zu machen. Wir waren zu viert, jeweils in Zweierteams, unterwegs: zwei Kollegen in Sulzbach, Oppenweiler, Spiegelberg und Aspach, ein Kollege und ich in Backnang.
Wo genau waren Sie?
Hauptsächlich in der Innenstadt. Dort sind wir unangemeldet in verschiedene Bereiche gegangen: Drogeriemärkte, Optiker, Bekleidungsgeschäfte, Einzelhandel mit Bedarfsgegenständen, Lebensmittelgeschäfte, Tabakläden. Für uns war das etwas Neues, denn im Lebensmittelrecht haben wir immer eine Zugangsberechtigung, dieses Mal nicht.
Wussten die Ladeninhaber, dass sie vom Landratsamt kontrolliert werden?
Wir waren nicht inkognito unterwegs. Wir hatten es uns erst überlegt, uns dann aber dagegen entschieden. Denn wir wussten nicht, wie die Betriebe auf so eine Kontrolle reagieren würden. Aus Sicherheitsgründen waren wir zu zweit unterwegs. Anfangs habe ich gedacht: Mal schauen, ob sich nicht der eine oder andere durch uns gestört fühlt. Aber es war im Gegenteil sehr erfreulich, wie wir in den Märkten empfangen wurden.
Wie haben Sie kontrolliert?
Wir haben geschaut: Welche Hygienekonzepte werden genutzt, wie werden sie umgesetzt und werden sie auch eingehalten? Als Erstes haben wir uns in den Märkten vorgestellt und gesagt, weshalb wir da sind. Dann sind wir das jeweilige Hygienekonzept mit den Verantwortlichen durchgegangen. Danach haben sie uns noch Fragen gestellt oder wir haben Tipps gegeben, was sie vielleicht noch besser machen könnten. Mehr durften wir gar nicht machen, weil wir als Lebensmittelkontrolleure keine Maßnahmen anordnen können.
Wie haben die Ladeninhaber reagiert?
Es wurde tatsächlich alles sehr positiv aufgenommen. Die Betreiber waren selbst sehr hinterher, ein gutes Konzept aufzustellen. Ein Marktinhaber hat zum Beispiel gesagt: Theoretisch dürfte er 60 Leute in seinen Laden lassen. Das hat er über Chips geregelt, die am Eingang auslagen. Der Betreiber hat aber von vornherein nur 45 Chips hingelegt: So sei er auf der sicheren Seite.
Haben Sie oft erlebt, dass die Hygienekonzepte über die Vorschriften hinausgingen?
Ja. Viele Betreiber haben von sich aus die eigentlich erlaubte Zahl an Kunden heruntergefahren, weil sie ihr Geschäft nicht bloß vorübergehend, sondern möglichst dauerhaft aufhaben wollen. Und auch die Kunden haben sich über das Geforderte hinaus an die Regeln gehalten. Ein Ladenbesitzer hat erzählt, bei ihm dürfen eigentlich drei Personen gleichzeitig rein. Sobald aber ein, zwei Leute drin sind, bleiben neue Kunden draußen stehen und warten. Und das ist natürlich das beste System, wenn der Bürger von sich aus mitgeht.
Welche Hygienekonzepte gab es?
Die Maskenpflicht gilt natürlich überall. Zudem wurde oft schon am Eingang geregelt, wie viele Personen Zutritt haben. Vor einem Markt lagen Chips aus, in andere durfte man nur mit einem Korb. Beim Herausgehen wurden die Körbe entgegengenommen, auf die Seite gestellt und desinfiziert. Erst danach wurden sie neuen Kunden übergeben. Die Inhaber mancher kleinerer Läden zählen ihre Kunden. Wenn nur drei Leute rein dürfen, geht das ja schnell. Wir Kontrolleure haben das alles nicht nur erfragt, sondern auch beobachtet. Und das wurde nicht nur so pro forma gemacht oder weil der Gesetzgeber das möchte. Es wurde von allen gelebt.
Haben Sie denn überhaupt Verstöße erlebt?
Nein. Gar keine.
Sie hatten nichts zu bemängeln?
Nur Kleinigkeiten. Einmal hatten wir zum Beispiel die Bitte, den Aufsteller, auf dem stand, dass jeder einen Korb mitzunehmen hat, direkt neben den Eingang zu stellen. Der stand vorher an der Seite und wurde oft übersehen. Der Verantwortliche hat den Aufsteller gleich umgestellt. Unsere Vorschläge wurden eigentlich alle positiv aufgenommen.
Was hätten Sie denn gemacht, wenn sich ein Ladeninhaber wirklich geweigert hätte, die Hygienevorschriften umzusetzen?
Wir hätten das unserer Ortspolizeibehörde gemeldet. So war es vereinbart. Die Umsetzung wäre von da gekommen.
Wie haben die Kunden reagiert?
Die Verbraucher haben das sehr positiv aufgenommen. Eine Kundin hat mich sogar direkt angesprochen. Man lese zwar in den Medien, was man darf beziehungsweise was nicht. Aber es werde nicht darüber berichtet: Wird das überhaupt überprüft? Sie fand es sehr gut, dass wir der Sache nachgehen, in der Hoffnung, dass es auch etwas bringt.
Sind auch da alle den Regeln gefolgt?
Das Einzige, was wir gesehen haben: Ein paar Kunden haben keinen Korb in den Laden mitgenommen, obwohl das am Eingang stand. Als wir sie darauf angesprochen haben, haben sie sich aber gleich einen Korb genommen. Einige haben gesagt: „Ich wollte sowieso nur einen Artikel holen, dazu brauche ich keinen Korb.“ Das kann man ja auch nachvollziehen. Wir haben den einen oder anderen ein wenig sensibilisiert, erklärt, warum das trotzdem wichtig ist.1
Was passiert, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz im Rems-Murr-Kreis dauerhaft wieder über die 50 steigt? Im Moment sieht die Regelung für Ladenschließung ja vor, dass die Inzidenz drei Tage lang über 50 liegen muss und noch einmal zwei Werktage Karenzzeit folgen.
Das hat unsere Landesregierung geregelt. Wenn die Inzidenz die 50 überschreitet, müssen wir die Lockerungen zurücknehmen. Dann kann man zum Beispiel nur mit Termin einkaufen. Ich hoffe ja, dass es nicht dazu kommen wird. Ich möchte eher, dass auch die Gastronomie wieder aufmacht. Aber ja: Laut Robert-Koch-Institut sieht es nicht gut aus, wie sich die Zahlen im Moment entwickeln. Die Befürchtung ist da, die Hoffnung ist eine andere.
Sind noch weitere Kontrollen vorgesehen?
Vorerst nicht, weil es beim ersten Mal so gut gelaufen ist. Aber es kann natürlich sein, dass unser Bereich wieder mit Kontrollen beauftragt wird. Wir Lebensmittelkontrolleure sind sowieso fast jeden Tag in verschiedenen Bereichen unterwegs. Und da schauen wir schon mit einem Auge, ob es etwas gibt, was nicht in Ordnung ist. Aber wie gesagt: Bisher läuft alles sehr, sehr positiv.

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Gerhard Holzwarth ist 52 Jahre alt. Nach einer Ausbildung zum Bäckermeister war er von 1995 bis 2004 als Außendienstmitarbeiter im Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt tätig.
Seit 2005 arbeitet er als Lebensmittelkontrolleur beim Landratsamt in Waiblingen. Seit 2011 ist er Teamleiter der Lebensmittelkontrolleure im Rems-Murr-Kreis.