„Der Schnelltest wird zur Eintrittskarte“

Stefan Hein vom Landratsamt rechnet mit einer deutlich steigenden Nachfrage. Die Ärzte und Apotheker im Landkreis bieten für den „Bürgertest“ über 100 Teststellen an, und deren Zahl steigt täglich. Nutzer und Anbieter loben die einfache Terminvergabe.

Die Schnelltesttermine bei Iris Lüdecke, Inhaberin der Apotheke am Obstmarkt in Backnang, sind nahezu ausgebucht. „Die Nachfrage ist sehr hoch, ich teste etwa 20 Menschen täglich. Auch sie lobt die „tolle Meldeplattform“ des Landkreises.Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Die Schnelltesttermine bei Iris Lüdecke, Inhaberin der Apotheke am Obstmarkt in Backnang, sind nahezu ausgebucht. „Die Nachfrage ist sehr hoch, ich teste etwa 20 Menschen täglich. Auch sie lobt die „tolle Meldeplattform“ des Landkreises.Foto: J. Fiedler

Von Matthias Nothstein

BACKNANG. Seit zwei Wochen haben alle Bürger das Anrecht auf „mindestens“ einen kostenlosen Corona-Antigen-Schnelltest pro Woche. Im Rems-Murr-Kreis sind die Verantwortlichen gut gewappnet, jeder kann das Angebot wohnortnah in Anspruch nehmen, wobei von einem Ansturm auf den sogenannten Bürgertest bislang noch nicht die Rede sein kann. In den vergangenen zwei Wochen wurden über 10000 Tests gebucht. Und in Zukunft wird mit deutlich steigenden Zahlen gerechnet. Stefan Hein, der als Dezernent für Bauen, Umwelt und Infrastruktur im Landratsamt Rems-Murr auch für die Schnelltests zuständig ist, geht davon aus, dass die Bürgertests in den kommenden Wochen immer mehr angenommen werden, „ich glaube, dass die Nachfrage erheblich in die Höhe schnellt, wenn die Nachweise benötigt werden. Wir haben jetzt die ersten Situationen, wo ein negativer Schnelltest zur Eintrittskarte wird, etwa fürs Kosmetikstudio oder beim Barbier, da ist es schon Pflicht. Und das wird sich ausweiten.“

Doch wie viele Tests sind realistisch, angesichts von deutlich über 400000 Bürgern im Landkreis? Laut Testverordnung des Bundesgesundheitsministeriums hat schließlich jeder Einwohner das Recht auf mindestens einen Test pro Woche. Hein lässt sich hierbei auf keine Obergrenze festnageln, „Ich bin Naturwissenschaftler, jede Prognose über die Höhe der Nachfrage würde nur ins Blaue gehen. Wir jedoch könnten zwischen 30000 und 50000 Test pro Woche machen, diese Größe halte ich für realistisch.“

Die Möglichkeiten dazu werden ständig optimiert. Wobei Hein einräumt, dass die Anfänge nicht einfach waren und es anfangs eine große Verunsicherung gab. Die Gründe für diese Verunsicherung waren etwa, dass noch keine Testverordnung vorlag und die Abrechnungsmodalitäten nicht klar waren. „Wir sind bei uns im Rems-Murr-Kreis bei den Bürgertests erst heute auf dem Stand, dass alle offenen Fragen geklärt sind.“

Sehr gut ist bereits das Angebot in der Fläche. Die Bürger können sich an etwa 100 Stellen im Kreis testen lassen. Wobei es nicht in der Macht des Kreises liegt, das Angebot auszubauen. Vielmehr müssen sich die Partner vor Ort – Ärzte oder Apotheker – selbst für die Aufgabe melden. Hein: „Es kommen derzeit pro Tag ein bis zwei neue Partner dazu, aktuell gibt es 103 Teststellen. Jeder Bürger, der will, bekommt einen Testtermin, es gibt keine Wartelisten.“ Jeder dieser Partner muss mindestens 30 Termine pro Woche anbieten, nach oben gibt es keine Begrenzung. Hein berichtet etwa von Apothekern, die zusätzlich zu ihrem Geschäft noch Teststellen in einer Einkaufsstraße anbieten, „Unser Bestreben ist, dass wir den gesamten Bedarf im Landkreis abdecken können. Und im Moment sind wir nicht ausgebucht. Jeder, der möchte, erhält einen Termin.“.

Hein versteht, dass manche Ärzte und Apotheker angesichts der vielen offenen Fragen anfangs erst einmal verhalten und zurückhaltend reagiert hätten. Das habe sich inzwischen erfreulicherweise geändert. Viele hätten sich bei den Kollegen erkundigt und erfahren, „wie gut das alles funktioniert“. Jetzt steige die Bereitschaft kontinuierlich, sich an dem Angebot zu beteiligen.

Die große Zufriedenheit hängt laut Hein mit dem sehr gut funktionierenden Terminvereinbarungstool, dem funktionierenden Testablauf und dem funktionierenden Meldewesen gegenüber der Testperson und dem Gesundheitsamt zusammen, „das ist nicht selbstverständlich“. Besonders das Buchungstool auf www.rems-murr-kreis.de/schnelltest sei sehr benutzerfreundlich. „Wenn man eine Onlineplattform zur Verfügung stellt, dann kennen wir das alle aus dem täglichen Leben: So eine Technik kann funktionieren oder auch nicht. Unsere funktioniert erfreulicherweise, weil wir sie schon seit November in unserem Testzentrum in Winnenden einsetzen. Das jetzt war kein Kaltstart, sondern wir haben die Technik nur auf den gesamten Landkreis ausgedehnt. Das, was in der Praxis schon tausendfach erprobt war.“

So ist es nicht verwunderlich, dass die Rückmeldungen zum Meldeportal durchweg positiv ausfallen: „Es scheint gut anzukommen. Wir haben auch kein Produkt von der Stange gekauft, sondern wir haben das Tool mit einem kleinen Team und einem Softwareentwickler selber entwickelt. Wir haben uns hingesetzt und überlegt, was wir – wenn wir Testpersonen wären – für Infos brauchen würden. Wie müsste das Anmeldetool aussehen, damit wir es benutzen würden? Nur so, von der Basis her denkend, funktioniert es.“ Wie hoch die Zufriedenheit der Akteure bei der Abrechnung ist, das lässt sich hingegen derzeit noch nicht sagen, da erst zum Quartalsende abgerechnet wird.

Ein weiterer Vorteil: Jeder Anbieter hat die Möglichkeit, ein Testzentrum „versteckt“ anzulegen. So gibt es Termine, die im öffentlichen Anmeldeformular nicht sichtbar sind. Diese kann der Arzt oder Apotheker mit einem besonderen Link oder QR-Code etwa einer Schule zur Verfügung stellen. Schüler oder Eltern können darüber en bloc Termine buchen. Zu der vereinbarten Zeit kommt der Tester in die Schule und kann sehr schnell und durchgetaktet testen.

Da die Tests nur 48 Stunden als Nachweis gelten, demnächst vermutlich aber vielerorts verlangt werden, könnte es passieren, dass sich manche mehrmals pro Woche testen lassen. Hein betont, dass der Wortlaut in der neuen Testverordnung lautet „mindestens einmal pro Woche“. Es sei also einerseits durchaus denkbar, dass dies passiere, andererseits aber eher unwahrscheinlich, da sich die Bürger nicht so in der Öffentlichkeit bewegen, wie sie es vor der Pandemie getan haben. Hein: „Wir tragen Maske, wir halten Abstand und befolgen die AHA-Regeln. Wenn wir uns völlig frei bewegen würden, dann wäre vermutlich alle 48 Stunden ein Test angezeigt, so aber nicht.“ Auch Martina Keck, Pressesprecherin des Landratsamtes, appellierte an die Eigenverantwortlichkeit der Menschen, „das System nicht zu überstrapazieren“, sondern die Tests nur anlassbezogen in Anspruch zu nehmen. Sie befürchtet keinen Missbrauch, schließlich mache es keinen Spaß, ein Stäbchen in die Nase geschoben zu bekommen.

Karin Prendel, Allgemeinmedizinerin mit einer Praxis in Weissach im Tal, bietet die Bürgertests ebenfalls „seit vorgestern“ an. Die Schnelltests insgesamt, also auch die für Lehrer, Erzieher oder sonstigen Berechtigten, wurden seit der Einführung etwa 10 bis 20 Mal pro Woche nachgefragt. Prendel lobt das Meldetool ebenfalls, „wir können sehen, wer kommt und uns drauf einstellen“. Auch ist es möglich, einige Zeitfenster auszuschließen. So gibt es etwa bei Prendel keine Termine zwischen 8 und 10 Uhr, da ist das Labor ohnehin ausgelastet, sowohl was den Raum angeht als auch die Mitarbeiter. Ebenfalls als positiv empfindet die Medizinerin, dass sie bestimmte Personengruppen ausschließen kann. So können Menschen mit Symptomen sich bei ihr nicht testen lassen, „Wir sind keine Schwerpunktpraxis“.

„Der Schnelltest wird zur Eintrittskarte“

© Privat

„Derzeit kommen im Landkreis täglich ein oder zwei neue

Teststellen dazu.“

Stefan Hein, Dezernent Bauen, Umwelt und Infrastruktur

Die Schnelltests werden auf dem freien Markt besorgt.

Die Frage der Abrechnung sorgte bei den Ärzten und Apothekern anfangs für viel Verunsicherung. Laut Stefan Hein ist dies inzwischen aber geklärt. Eine Möglichkeit ist, nach der Vereinbarung des Landes mit den kommunalen Spitzenverbänden abzurechnen. Bei den Bürgertests werden die Kosten bei der Kassenärztlichen Vereinigung eingereicht, allerdings erst zum Monats- beziehungsweise Quartalsende. Zur Abrechnung gibt es also noch keine Erfahrungswerte.

Das Land hat laut Stefan Hein „seine Notreserve – etwa drei Millionen Tests – großzügig Landkreise und Kommunen verteilt“. Ansonsten beschaffen sich die Hausärzte und Apotheken ihre Schnelltests auf dem freien Markt. Bis Ende März werden diese mit maximal neun Euro vergütet, danach gibt es für die Beschaffung der Tests noch sechs Euro. Bisher gibt es laut Hein noch keine Probleme, an Schnelltests zu kommen. „Wir haben noch einige Tausend auf Lager.“

Ein Angebot ist laut Martina Keck, dass alle Kommunen ihre Wahlhelfer zum Schnelltest schicken können, „die Helfer können beim Auszählen schlecht Abstand halten“. Dafür wurden 1400 Termine geschaffen, der Großteil ist schon gebucht. Im Raum Backnang dürfen die Helfer am Samstag und Sonntagmorgen in die Notfallpraxis kommen.

Im Schnelltestzentrum am Klinikum Winnenden, das der Landkreis direkt nach den Herbstferien als erstes Schnelltestzentrum eines Gesundheitsamts eingerichtet hat, wurden seit November 6500 Schnelltests vorgenommen. Bis Weihnachten handelte es sich nur um Reihentests von Schulen/
Kitas, Gemeindeverwaltungen oder Feuerwehren. Als Schulen und Kitas geschlossen wurden, wurden auch Bürgertests gemacht, um die freien Kapazitäten zu nutzen.

Der direkte Link zum Anmeldeportal: www.rems-murr-kreis.de/schnelltest.

Zum Artikel

Erstellt:
12. März 2021, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen