Backnang während der Pandemie: Bildband zeigt Szenen wie aus einer Geisterstadt
Während der Coronapandemie war Ralf Blum immer wieder mit seiner Kamera in Backnang unterwegs. Zusammen mit Texten vieler bekannter Persönlichkeiten aus der Stadt ist daraus nun ein Bildband geworden.
Von Kornelius Fritz
Backnang. Die Coronapandemie würden viele am liebsten ganz schnell vergessen. In ein paar Jahren wird mancher aber vielleicht doch zurückdenken und sich fragen: Wie war das eigentlich damals in der Zeit von Lockdowns, Ausgangssperren und Maskenpflicht? Die Backnanger können dann den neuen Bildband von Ralf Blum aus dem Schrank holen und noch einmal gedanklich durch ihre verlassene Stadt spazieren, vorbei an abgesperrten Spielplätzen, geschlossenen Geschäften und einem Wald aus Verbots- und Hinweisschildern.
Der 284 Seiten dicke Wälzer trägt den etwas kryptischen Titel „MEINBACO“, eine Wortschöpfung, die „Mein Backnang“ und „Corona“ in sich vereint. Schon im März 2020, als sich das neue Virus zum ersten Mal in Deutschland ausbreitete, begann der ambitionierte Hobbyfotograf Ralf Blum mit der Kamera durch Backnang zu ziehen, um die zum Teil gespenstische Szenerie zu dokumentieren. „Die leeren Stadträume haben mich fasziniert“, erzählt der 55-Jährige, der im Hauptberuf Architekt ist.
Die Idee, daraus ein Buch zu machen, kam ihm allerdings erst viel später. Über ein gemeinsames Bauprojekt kam der Backnanger in Kontakt mit dem Stuttgarter Architekten Jörg Esefeld, der nebenberuflich einen kleinen Verlag betreibt. In der Edition Esefeld&Traub sind bereits etliche sogenannte Stadtlesebücher mit Texten und Fotos erschienen. Bis jetzt standen dabei allerdings immer nur Weltstädte wie New York, Tokio oder Istanbul im Mittelpunkt.
Auch Ex-Bundespräsident Horst Köhler hat einen Beitrag verfasst
Doch der Verleger war auch für ein Buch über die selbst ernannte Murr-Metropole Backnang offen, zumal ihm die Fotos von Ralf Blum gut gefielen. Was für ein Stadtlesebuch allerdings noch fehlte, waren Texte. Also machte sich Blum auf die Suche nach Autoren. Dabei sprach er vor allem Menschen an, die in Backnang leben oder einen engen Bezug zur Stadt haben. Denn zum Konzept der Stadtlesebücher gehört es, dass verschiedene Personen aus ganz unterschiedlichen Perspektiven auf ihre Stadt blicken. Außer einer Längenbegrenzung gab es keine weiteren Vorgaben.
Am Ende kamen 65 Beiträge von 55 Autorinnen und Autoren zusammen, darunter lokale Schriftsteller wie Kai Wieland und Klaus Wanninger, aber auch viele andere bekannte Backnanger Persönlichkeiten wie Oberbürgermeister Maximilian Friedrich, Schulleiterin Karin Moll, der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Robert Antretter oder Pfarrer Wolfgang Beck.
Backnang in der Pandemie: Fotos von Ralf Blum
Im neuen Bildband "MEINBACO" hat Ralf Blum Lockdowns und Ausgangssperren in Backnang mit der Kamera dokumentiert. 55 Autoren haben Texte dazu verfasst.
Besonders stolz ist Ralf Blum darauf, dass auch Horst Köhler mitgemacht hat. Der Herausgeber erinnerte sich daran, dass der ehemalige Bundespräsident als Kind fünf Monate in Backnang gelebt hatte. Als Flüchtlinge aus der sowjetischen Besatzungszone war die Familie 1953 im ehemaligen Lehrerseminar, der heutigen Mörikeschule, untergebracht. Auf Blums Anfrage in Köhlers Büro schickte dieser dann auch tatsächlich einen sehr persönlichen Text mit Erinnerungen an seinen Lehrer Franz Balle, der ihn als Zehnjährigen zum Wechsel aufs Gymnasium ermutigt hatte.
So unterschiedlich wie die Autorinnen und Autoren sind auch ihre Texte. Da gibt es Kurzgeschichten, Gedichte und Interviews. Persönliche Erinnerungen, nüchterne Berichte und kritische Kommentare. Viele haben mit Corona zu tun, aber nicht alle. So fand auch Markus Strickers inoffizielle Stadthymne „Baggana“ ihren Eingang in das Buch, und sogar der 2001 verstorbene Theatermacher Frieder Nögge ist mit einer lyrischen Hommage an die ehemalige Gerberstadt vertreten. Lektoriert wurden die Texte vom Lyriker und Schriftsteller José F.A. Oliver, der auch das Vorwort und zwei weitere Beiträge verfasst hat.
„Ein Kaleidoskop der unterschiedlichsten Blickwinkel“
Die anfängliche Sorge, dass die Texte vielleicht zu ähnlich oder zu negativ sein könnten, habe sich zum Glück nicht bestätigt, sagt Ralf Blum. „Wir haben ein Kaleidoskop der unterschiedlichsten Blickwinkel bekommen.“ Besonders freut es ihn, dass auch die Perspektive der jungen Generation nicht fehlt: So haben etwa die Abiturientinnen Dorothee Leister und Yi Ling Pan Texte geschrieben. Und sogar Kinder kommen zu Wort: Im Lockdown hatten sie für die Jugendkunstschule Postkarten gestaltet und sich gegenseitig geschickt, als Ersatz für die fehlenden persönlichen Kontakte. Eine Auswahl der bunt gestalteten Botschaften ist in der Mitte des Buches dokumentiert.
Seit wenigen Tagen ist „MEINBACO“ nun im Handel erhältlich. 750 Exemplare wurden für die Erstauflage gedruckt. Ralf Blum ist begeistert davon, was sich aus seiner Idee entwickelt hat. Nun hofft er, dass das Stück Zeitgeschichte zwischen zwei Buchdeckeln in Backnang auf Interesse stößt. Die viele Arbeit, die er neben seinem Hauptberuf als Architekt in das Projekt gesteckt hat, kam Ralf Blum übrigens ganz gelegen. So musste er auch während der Lockdowns keine Sorge haben, dass ihm zu Hause die Decke auf den Kopf fällt.
Buchverkauf Das Buch „MEINBACO“ ist im Verlag Edition Esefeld&Traub erschienen und kostet 49 Euro. Erhältlich ist es unter anderem in der Geschäftsstelle der Backnanger Kreiszeitung in der Postgasse 7.