Nur wenige Impfungen beim Hausarzt
Zwar freuen sich die niedergelassenen Ärzte in und um Backnang über die nun beginnenden großflächigen Impfungen in den Praxen, doch noch gibt es für sie nur wenig Impfstoff. Keine Planbarkeit und Bürokratie erschweren ihnen den Kampf gegen die Pandemie.

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Viel mehr als nur ein Piks: Ab heute gibt es auch bei Hausärzten der Region wie Ute Ulfert die Coronaschutzimpfung. Durch viel Bürokratie ist diese aber mit einer deutlichen Mehrarbeit für Ärzte und medizinisches Personal verbunden. Foto: A. Becher
Von Kristin Doberer
BACKNANG. Das Telefon in den Hausarztpraxen läutet zurzeit fast ohne Unterbrechung, als Anrufer kommt man entweder gar nicht durch oder landet in der Warteschlange. Zusätzlich zum ganz normalen Wahnsinn nach Feiertagen kommen immer mehr Infektionsfälle und Fragen zur Coronaschutzimpfung. Denn seit dieser Woche können auch Hausärzte gegen Corona impfen. „Unsere Telefonleitung hält das fast nicht aus“, meint Ute Ulfert, die ihre Praxis für Allgemeinmedizin im Backnanger Gesundheitszentrum hat und auf ihre erste Lieferung Impfstoff wartet. Dabei können gerade zu Beginn lange nicht alle Impfwilligen auch tatsächlich geimpft werden. Am vergangenen Donnerstag hat Ulfert mitgeteilt bekommen, wie viel Impfstoff sie für diese Woche bekommt, über Ostern wurden dann Termine vereinbart. „Wir haben viel weniger Impfstoff zugesagt bekommen, als wir bestellt haben. Wir hoffen nun, dass zumindest die zugesagte Menge tatsächlich ankommt und wir keine Termine mehr absagen müssen.“
Damit ist sie nicht allein. Gerade am Anfang wird noch recht wenig Impfstoff an die Hausärzte verteilt, das hat das Gesundheitsministerium schon im Voraus deutlich gemacht. Die ungefähre Menge liegt zunächst bei 18 Impfstoffdosen pro Woche pro Arzt. Auch bei Jens Steinat, Pandemiebeauftragter des Rems-Murr-Kreises und Allgemeinarzt in Oppenweiler, wird nun nur die Hälfte von dem geliefert, das zugesagt wurde. „Besprochen war eigentlich, dass wir in dieser Woche 36 Dosen bekommen“, sagt Steinat. 18 für seine Patienten und ebenso viele für die seiner Frau, die ebenfalls als Ärztin in der Praxis in Oppenweiler arbeitet. „Jetzt kommt aber doch nur die Hälfte, einige Impftermine müssen wir nun wieder verlegen. Das ist schon frustrierend“, so Steinat. Das sei aber bei sehr vielen seiner Kollegen so passiert, manche Hausärzte haben sogar gar keinen Impfstoff erhalten, weiß der Arzt. Zwar freuen sich alle, dass es nun auch großflächig losgeht, aber „ich hatte schon so ein Gefühl, dass irgendetwas schiefgeht“.
Das sei auch deshalb sehr frustrierend, da die Bereitschaft der Ärzte, zu impfen, unglaublich groß sei. In seiner Tätigkeit als Pandemiebeauftragter des Rems-Murr-Kreises hat er vor wenigen Wochen eine Umfrage unter den Ärzten durchgeführt. Das Ergebnis: Stünde genug Impfstoff zur Verfügung, würde die Kapazität der niedergelassenen Ärzte bei etwa 9200 Impfungen pro Woche liegen. „Das wäre sogar mehr, als das Impfzentrum pro Woche schafft“, sagt Steinat. Dabei seien es nicht nur Hausärzte, die sehr gerne impfen würden. „Es gab auch eine überwältigende Zahl an Fachärzten, die Bereitschaft zeigen. Sogar außerhalb ihrer Sprechstunden, abends oder am Wochenende“, sagt der Arzt.
Steinat impft in seiner Praxis in Oppenweiler bereits seit fünf Wochen im Rahmen eines Pilotprojekts, in der kommenden Woche werden die letzten Zweitimpfungen verimpft. Er ist zwar froh, dass die Impfungen nun auch in den Arztpraxen stattfinden können, gibt aber auch zu bedenken: „Es ist eine deutlich höhere Arbeitsbelastung für uns und unsere medizinischen Fachangestellten. Die mit der Impfung verbundene Bürokratie und die Terminvereinbarung zusätzlich zum Regelbetrieb und den Testungen ist eigentlich nur durch Überstunden machbar. Das Ziel ist jetzt: möglichst zügig durchkommen.“ Er wünscht sich von der Politik mehr Unterstützung, bessere Planbarkeit und eine deutliche Entlastung bei den Formalitäten.
Auch Ute Ulfert war über die Osterfeiertage mit Terminplanung und Vorbereitungen beschäftigt. „Wir hoffen, dass bis Ende April mehr Dosen zur Verfügung stehen, damit wir langsam unsere Warteliste abarbeiten können“, hofft sie. Denn viele ihrer Patienten haben großes Interesse an der Impfung, das Telefon steht kaum noch still.
Jeder Arzt bestellt wöchentlich bei seiner Apotheke den Impfstoff für die Coronaimpfungen der nächsten Woche, bis spätestens Dienstag, 12 Uhr muss die Bestellung aufgegeben sein. Sechs beziehungsweise zwölf Wochen später (je nach Hersteller und Impfintervall) bestellen die Ärzte dann zusätzlich zum Bedarf für Erstimpfungen auch Impfstoff für Zweitimpfungen. Die Dosen für die Zweitimpfung sollen die Ärzte nämlich nicht zurückhalten, sondern die Termine und Bestellungen dann ganz konkret planen.
Pro Impfung bekommen die Praxen 20 Euro. Im Vergleich mit dem zeitlichen und bürokratischen Aufwand dahinter decke sich das nicht, so Ulfert. „Das ist schon ein Verwaltungsaufwand, insgesamt kostet uns jede Impfung etwa 30 Minuten“, meint die Ärztin. Denn es geht um weit mehr als die Terminvereinbarung und das Spritzesetzen: Jede Impfung muss dokumentiert und tagesaktuell an das Robert-Koch-Institut weitergegeben werden, mit genauen Angaben zu dem verwendeten Impfstoff und der Priorisierungsgruppe der geimpften Person. Im System müssen neue Schlüsselnummern vermerkt werden und die Abrechnungen müssen erledigt werden. Dazu kommt für die Hausärzte das Aufklärungsgespräch, der Blick auf Krankengeschichte und auf die Medikamente sowie die Beobachtung nach der Impfung. „Im Vergleich zum Impfzentrum sind wir da mit 20 Euro pro Impfung vermutlich die günstigere Alternative“, meint Ulfert. Der Personalaufwand sei in den Impfzentren mit der Infrastruktur drumherum und zum Beispiel den zusätzlichen Securitys deutlich höher und damit auch teurer. „Für 20 Euro ist der Aufwand bei uns nicht gedeckt. Aber trotzdem wollen wir unbedingt impfen. Wir müssen so viel und so schnell wie möglich impfen.“
Das sehen auch viele andere Hausärzte so, bestätigt der Apotheker Thomas Förster. „Das wird von den Hausärzten definitiv angenommen.“ Allein in der Johannes-Apotheke in Backnang haben in der vergangenen Woche vier Hausärzte den Impfstoff bestellt. Dabei ist der Aufwand auch für die Apotheker höher als bei anderen Medikamenten oder Impfstoffen. „Es ist doch komplizierter als bei anderen Bestellungen“, sagt Förster. Denn die Bestellung der Ärzte müsse zu einem festen Stichtag vorliegen und an die Großhändler weitergegeben werden. „Vor allem bei dem Impfstoff von Biontech muss dann die Kühlkette sehr genau dokumentiert werden.“ Bereits vom Großhändler kommt dieser Impfstoff in aufgetauter Form. Die Apotheken müssen ihn dann an die jeweiligen Praxen verteilen, er muss aufgetaut innerhalb von fünf Tagen verimpft werden. In den ersten beiden Aprilwochen geht nur Impfstoff von Biontech an die Praxen, da dieser in großen Mengen geliefert wird.

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„Wir freuen uns, dass es losgeht. Aber es ist auch eine deutlich höhere Arbeitsbelastung.“
Jens Steinat, Pandemiebeauftragter
Auch für die Impfung in Hausarztpraxen gilt die vorgegebene Impfreihenfolge. Aktuell sind also nur Personen der Prioritätsstufe eins und zwei zu einer Impfung berechtigt.
Wer aus dieser Gruppe dann geimpft wird, entscheiden die Hausärzte, die Terminvergabe läuft direkt über die Praxen. „Das ist der Vorteil an der Impfung in den Praxen. Man kennt seine Patienten und deren Krankheitsgeschichte. Sind zwei Patienten zum Beispiel gleich alt, kann man den vorziehen, der einem größeren Risiko ausgesetzt ist. Oder zum Beispiel jemand, der kurz vor einer Chemotherapie steht“, sagt Ute Ulfert.