Senioren nehmen den Impftruck gut an

Die Termine für die Backnanger Impfaktion vor der Stadthalle waren nach eineinhalb Tagen vergeben. Gestern und heute erhalten insgesamt etwa 250 über 80-Jährige den Biontech-Wirkstoff gespritzt.

Der Impftruck des Roten Kreuzes ist ausgestattet mit allem, was in eine Arztpraxis gehört. Aber er ist nicht barrierefrei. Zwei Impfteams können zeitgleich impfen. Das Pilotprojekt wird vom Sozialministerium unterstützt. Gestern stand der Truck vor der Stadthalle. Und heute auch.Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Der Impftruck des Roten Kreuzes ist ausgestattet mit allem, was in eine Arztpraxis gehört. Aber er ist nicht barrierefrei. Zwei Impfteams können zeitgleich impfen. Das Pilotprojekt wird vom Sozialministerium unterstützt. Gestern stand der Truck vor der Stadthalle. Und heute auch.Foto: A. Becher

Von Matthias Nothstein

BACKNANG. Große Erleichterung bei mehr 120 Backnanger Senioren – sie haben gestern ihre Coronaimpfung im Impftruck bei der Backnanger Stadthalle erhalten. Kurze Wege – so lautet ein Grund für das außergewöhnliche Angebot. So brauchen die impfwilligen Senioren nicht die Fahrt zum Waiblinger Impfzentrum auf sich zu nehmen.

Das Angebot kommt bei den Bürgern gut an. Die Termine waren innerhalb von eineinhalb Tagen vergeben, sagt Reiner Gauger, der städtische Wirtschaftsförderer und kommissarische Pressesprecher der Stadt. Das bestätigt zum Beispiel Sigrid Delitz, die ihre 85-jährige Mutter zum Termin begleitet hat. „Ich bin beeindruckt, wie hier alles flutscht. Alles ist gut organisiert und es gibt viele Menschen, die sich um die Senioren kümmern.“ Diese sitzen zum Teil auf Stühlen vor dem Truck in der Sonne. Alle drei Minuten wird ein Impfwilliger aufgerufen. Dann heißt es: „Der nächste bitte.“

Wer einen der ersten Termine ergattert hatte, der konnte in Backnang jedoch auch von Startproblemen berichten. Am Morgen war es „ein wenig chaotisch“, so die Aussage eines Helfers. Grund war ein technisches Problem mit einem Programm, „das in der Kürze der Zeit vermutlich noch nicht ganz ausgereift gewesen ist“, lautete eine Erklärung. Doch Kim Aßmus, die vonseiten der Stadt für die Organisation zuständig war, zeigte sich nachmittags erleichtert: „Irgendwie haben wir es immer hingekriegt.“

Die Folge der Panne war, dass alle Personaldaten nochmals vor Ort erfasst und je vier Laufzettel mit dem Anamneseblatt und der Einverständniserklärung nochmals ausgedruckt werden mussten. Eigentlich auch keine große Geschichte, wenn doch nur der Kopierer funktioniert hätte. Doch das Modell des Landratsamtes schaffte dies nicht in der geforderten Zeit. Erst als die Backnanger IUK-Abteilung ein Modell bereit gestellt hatte, funktionierte auch die Bürokratie gut.

Trotz des holprigen Starts zeigte sich auch Kim Aßmus sehr zufrieden mit dem ersten Tag. Alle 120 Impfdosen konnten verimpft werden, alle Bürger, die einen Termin hatten, waren auch pünktlich erschienen. Zwischendurch konnten sogar noch Senioren geimpft werden, die auf einer Warteliste Platz gefunden hatten. Aßmus: „Alle sind freundlich und froh, dass es geklappt hat.“

Die Vergabe der Termine sorgt bei manch einem Senior für Irritationen.

Nicht ganz glücklich sind viele Backnanger Senioren über die Informationspolitik. Etwa über die Frage, wie sie zu einem der begehrten Termine hätten kommen können. So hatte es anfangs geheißen, die älteren Menschen würden von der Stadt benachrichtigt werden. Mehr noch: Sie sollten nicht von sich aus anrufen. Reiner Gauger relativiert die unklare Information: „Vonseiten des Landratsamtes war geplant, dass alle Berechtigten einen Brief erhalten sollen. Das war aber bei uns in der Kürze der Zeit nicht möglich. Zumal Backnang eine ersten Stationen des Impftrucks war.“ Gauger verwies ferner darauf, dass in der Stadt mehr als 2900 Menschen leben, die über 80 Jahre alt sind, und dass ein Teil davon bereits geimpft sei, nämlich viele in den Alten- und Pflegeheimen oder diejenigen, die von sich aus nach Waiblingen gefahren sind. „All diese Geimpften wären verunsichert gewesen, wenn sie nochmals angeschrieben worden wären“, so Gaugers weitere Begründung für das Vorgehen.

So erfuhren die Berechtigten nur über eine öffentliche Bekanntmachung der Stadt, dass sie unter zwei Wegen zum Impfziel wählen können. Entweder sie wandten sich an die Hotline-Telefonnummer der Stadt, die eigens dafür eingerichtet worden ist, nämlich die 894-200, oder sie meldeten sich online an, der Link auf die Anmeldeplattform des Landkreises war auf der städtischen Homepage zu sehen.

Nachdem die Telefonnummer veröffentlicht war, klingelten die Telefone laut Gauger quasi nonstop. Zwei Mitarbeiterinnen nahmen die Anrufe an und gaben die Daten in das EDV-Programm ein und bestätigten die Termine. „Nach eineinhalb Tagen waren alle Termine vergeben“, so Gauger. Die Senioren erhielten dabei nicht nur einen Termin für gestern oder heute, sondern auch gleich den für die Zweitimpfung am 29. oder 30. März, und dann exakt zur selben Uhrzeit, um so wenig wie möglich Fehlerquellen zu schaffen. Zudem wurden die Termine leicht überbucht, also mehr als die täglich 120 Termine aufgenommen. So gehen die Experten vor Ort davon aus, dass insgesamt an beiden Tagen bis zu 250 Menschen geimpft werden können.

Vor und in der Stadthalle war den gesamten Tag über viel Betrieb. Städtische Mitarbeiter wie etwa Susanne Aichholz nahmen die Senioren in Empfang und erledigten den Papierkram, andere führten sie die Treppe zum Impftruck hoch, wo zwei Ärztinnen die Impfung erledigten. Eine dieser Ärztinnen ist Viola Rahmig, die zwar in Backnang wohnt, aber eine Gemeinschaftspraxis in Großbottwar betreibt. Sie hat immer montags frei und nutzte gestern diese Gelegenheit, um beim Impftruck auszuhelfen. So wie sie sich auch in den Wochen davor beim mobilen Impfteam immer am Wochenende engagiert hat. Rahmig lobt die Initiative des Kreises, glaubt aber, dass der Truck nicht unbedingt nötig gewesen wäre. Die abgetrennten Räume und Bereiche zur Nachbetreuung hätten ohne Weiteres auch komplett in der barrierefreien Stadthalle Platz gefunden. Dann wäre auch die achtstufige Treppe weggefallen, die für viele ein unüberwindbares Hindernis darstellt. Viele Rollstuhlfahrer oder Menschen mit Rollator wurden und werden ohnehin jetzt schon in der Halle geimpft. Dort war auch für alle der Wartebereich für die viertel Stunde nach der Impfung. Jeweils zwei Stühle standen parat, für einen Geimpften und dessen Begleiter. Und mit großem Abstand das nächste Stuhlpaar. Den ganzen Tag über gab es in diesem Wartebereich keinen bemerkenswerten Vorfall im Sinne einer Impfreaktion, kein Senior bekam Probleme nach der Impfung. Das bestätigte auch Markus Frey vom DRK-Ortsverband Oppenweiler, der gestern den Betreuungspart übernommen hatte. Frey: „Wir teilen uns die Arbeit. Heute ist der Backnanger Ortsverein an der Reihe.“

Die weiteren Stationen des Impftrucks

Insgesamt können mithilfe des Impftrucks etwa 10000 Impfungen zusätzlich verabreicht werden. Landrat Richard Sigel: „Damit erhalten mehr als 5000 Bürger über 80 Jahren den vollen Impfschutz.“ Zum Vergleich: Im Landkreis wurden seit dem Impfbeginn im KIZ 9500 Impfungen vorgenommen.

Landrat Sigel: „Diese Impfungen sind ein wichtiger Schritt, um die älteren Menschen zu schützen. Auch wenn durch den Truck nicht alle einen Impftermin bekommen, die dazu berechtigt sind, sollte das nicht zu Enttäuschungen führen. Das Projekt ist ein Zusatzangebot, das die bestehenden Strukturen ergänzt und erweitert.“

Aktuell wird am Truck ausschließlich Impfstoff von Biontech verimpft. Die weiteren Stationen im Landkreis sind unter anderem (jeweils der Erst- und Zweittermin):

Sulzbach an der Murr 22. März/12. April

Aspach 13. April/4. Mai

Großerlach 14. April/5. Mai

Althütte 19. April/10. Mai

Auenwald 20. April/11. Mai

Spiegelberg 22. April/13. Mai

Oppenweiler 23. April/14. Mai

Weissach 25. April/16. Mai

Allmersbach 1./22. Mai

Kirchberg an der Murr 2./23. Mai

Burgstetten 3./24. Mai.

Zum Artikel

Erstellt:
9. März 2021, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen